Bars mit Prostituierten für Ausländer
Eine der ersten sowjetischen Bars wurde im „Grand Hotel Europa“ von St. Petersburg eröffnet. „Wir haben das geschnitzte Sideboard aus dem ehemaligen Jagdzimmer von Nikolaus II. eingebaut. Der untere Teil diente als Theke, der obere Teil als Getränkeregal“, erinnert sich (rus) Alexander Kudrjawzew, einer der ersten Barkeeper in der UdSSR.
Ähnliche Bars in teuren Hotels wurden 1965 eröffnet, um Ausländern gerecht zu werden, die das „Land des siegreichen Sozialismus“ sehen wollten.
Bars wurden als „Valjutnie“ (zu Deutsch etwa „Valutastuben“) bezeichnet, weil Kunden in harter Währung (üblicherweise US-Dollar) zahlen mussten. Laut Kudrjawzew wurden Besucher aus dem Ausland häufig in Bars von Beamten des Geheimdienstes KGB beobachtet. Die Barkeeper mussten mit diesen zusammenarbeiten.
„Wenn ich erkannte, dass ein Ausländer die Bar bald verlassen würde, musste ich einem Beamten am Eingang unauffällig ein Zeichen geben“, sagt Kudrjawzew.
Gewöhnliche Menschen durften solche Orte nicht besuchen, und selbst Diplomaten wurde geraten, sich fernzuhalten - die Eingänge wurden streng von der Polizei bewacht. Sowjetische Prostituierte schafften es dennoch hinein und laut Kudrjawzew gingen die Ausländer oft mit ihnen weg.
Likörbars für die sowjetische Elite
Die sowjetischen Intellektuellen trafen sich meist in der „Cocktail Hall“ in Moskau, die es bereits seit den 1940er Jahren gab. Das Interieur selbst war exklusiv, mit einer Wendeltreppe, Säulen und luxuriösen Kronleuchtern ausgestaltet. Die Bar beschäftigte nur Frauen, die Punsch, Kaffee mit Likör, Cocktails und alkoholische Getränke mit Früchten zubereiteten.
Unter der Kundschaft befanden sich Diplomaten, Schriftsteller, Trendsetter, pensionierte Offiziere und sogar Frontsoldaten, doch jeder musste eine Krawatte tragen. Dies war die obligatorische Kleiderordnung.
Es wurde gemunkelt, dass die „Cocktail Hall“ eigens eingerichtet wurde, um Spione und Gegner des Sowjetregimes im Auge zu behalten. „Zu Stalins Zeiten existierte die ‚Cocktail Hall‘, um all diejenigen ausfindig zu machen, die sich für den Westen interessierten und sie zu eliminieren. Nach Stalins Tod gab es auch noch Razzien. Die Bar verlor ihr Publikum“, erzählt (rus) der Jazzkünstler Alexey Kozlov.
Das „Praga“-Restaurant am Alten Arbat in Moskau war ein wahrer Ort des Luxus, da es echtes tschechisches Bier ausschenkte und außerdem Wodka, Cognac, Champagner, Portwein oder einfach nur gewöhnlichen Wein auf der Getränkekarte stehen hatte, zitiert (rus) „Wetschernjaja Moskwa“ den Moskau-Kenner Ilja Kusnezow.
Beliebt war auch das Moskauer Restaurant „Aragwi“ aus den 1930er Jahren, das für seine georgischen Weine berühmt war. Es gab auch Gerüchte (rus) über einen geheimen Raum, in dem angeblich junge Moskauer Schönheiten hochrangigen Parteimitgliedern zu Diensten sein mussten und anschließend spurlos verschwanden.
Die Leute gingen zum Tanzen in die Lira-Bar am Puschkin-Platz, wo Live-Musik gespielt wurde. Danach zogen sie weiter zum Schokoladniza-Café im Gorki-Park.
Bier- und Weinlokale als Treffpunkt für die Unterwelt
Gewöhnliche Sowjetbürger konnten in einem Weinlokal etwas trinken, von dem viele nach dem Großen Vaterländischen Krieg in St. Petersburg eröffnet wurden.
Als die 1970er Jahre näher rückten, entstanden auch mehr und mehr Bierlokale für Jedermann.
Eine der bekanntesten war „Jama“ (der umgangssprachliche sowjetische Name für das „Ladja“-Brauhaus in Moskau). Dort trafen sich laut dem Modedesigner Jegor Saizew Kriminelle, Dichter, Musiker und einfache Studenten. Es gab keine Stühle, alle mussten stehen. Dennoch bildeten sich vor dem Eingang immer Schlangen.
„Es herrschte eine sehr unbeschwerte Atmosphäre. Die Leute tranken Bier, aßen Garnelen, redeten über alles Mögliche, besonders über Musik. Das alles hatte einen morbiden Charme. Dort trafen sich Menschen mit Tätowierungen, ehemalige Sportler, betrunkene Künstler“, erinnert sich Saizew.
Die Bierbar „Schiguli“ war ein weiterer beliebter Treffpunkt, in dem sowjetisches Schiguljowskoje-Bier ausgeschenkt wurde. Dazu wurden gekochte Krebse serviert. Es war der Goldstandard unter den sowjetischen - und später russischen – Bierlokalen.
„Darüber hinaus gab es in der gesamten UdSSR gewöhnliche Bierverkaufsstellen. Auch für Bier standen die Menschen Schlange“, sagt (rus) Mark Gottlib, stellvertretender Chefredakteur der Zeitung „Nowaja Sibir“.
Zudem gab es in einigen Lokalen Bierautomaten, die im Volksmund als „Autopoilki“ bekannt waren. Das Prinzip war einfach: „Man kaufte einen Chip, warf ihn ein, drehte einen Hebel und wartete, bis der Becher mit Bier gefüllt war. Einige wussten, wie man den Automaten austrickste und den Gerstensaft kostenlos bekam“, berichtet Jewgeni Pjatunin, ein Historiker aus Kirow.
„In den Chip wurde ein Loch gebohrt und eine Angelschnur befestigt und alles wurde eingeseift. Sie konnten dann den Chip einwerfen und einfach wieder zurückziehen. So floss das Bier in einem fort, bis der Kellner es bemerkte und dem Treiben ein Ende setzte“, schreibt (rus) Pjatunin in einem Buch über Bier.