Sophia Dolgorukowa: Verwandte von Katharina der Großen, Pilotin und Taxifahrerin

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In den späten 1920er Jahren in Paris mussten viele begabte russische Emigranten, darunter auch Adlige, irgendwie über die Runden kommen. So konnte es passieren, dass man von einer waschechten russischen Prinzessin im Taxi durch die Stadt kutschiert wurde.

Bastard-Blutlinien 

Prinzessin Sophia Dolgorukowa hatte Romanow-Blut in ihren Adern. Ihre Großmutter mütterlicherseits war eine uneheliche Tochter von Großherzog Michail Pawlowitsch. Und Sophias Vater war der Urenkel von Graf Alexei Bobrinski, dem unehelichen Sohn von Katharina der Großen.

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Alexander Bobrinski und Nadeschda Bobrinskaja, Sophias Eltern

Sophias Vater, Graf Alexander Bobrinski, war ein reicher und einflussreicher Mann, Mitglied des Regierungssenats und auch ein renommierter Archäologe. Aber ihre Mutter war nicht weniger bemerkenswert - Nadeschda Bobrinskaja, geborene Polowzowa, war eine der ersten russischen Astronominnen.

Auch Sophia interessierte sich schon früh für Naturwissenschaften. In den Jahren 1907-1912 studierte sie am St. Petersburg Medizinischen Fraueninstitut, der ersten Bildungseinrichtung in Europa, an der Frauen eine höhere medizinische Ausbildung erhalten konnten. 1913 meldete sie sich während des Zweiten Balkankrieges freiwillig als Feldkrankenschwester.

Sophia

1907 wurde Sophia Bobrinskaja Hofdame am russischen kaiserlichen Hof und heiratete den Soldaten Prinz Pjotr Dolgorukow (1883-1925). Ihre Ehe war nicht glücklich und obwohl sie eine Tochter hatten, ebenfalls mit Namen Sophia, bekannt als Sofka, ließen sie sich schließlich 1913 scheiden. Schon in ihren ersten gemeinsamen Jahren verbrachte Sophia viel Zeit mit Lernen und in Krankenhäusern. Sie mochte den kaiserlichen Hof mit seinem Protokoll nicht.

Krankenschwester, Pilotin, Rennfahrerin   

Wir wissen nicht, wo Sophia das Fahren gelernt hat, aber mit 23 Jahren war sie 1910 die einzige Frau, die an der ersten internationalen Rundfahrt des „Prix Kaiser-Nikolaus-II.“ von Zarskoje Selo (St. Petersburg) nach Kiew und zurück teilnahm. Die Gesamtstrecke betrug insgesamt 3.200 Kilometer. Über die Rundfahrt wurde in der europäischen Presse viel berichtet.

An dem Rennen nahmen rund 50 Teams aus Russland, Deutschland, Frankreich und Großbritannien teil. Und Dolgorukowa stand im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Sophia fuhr einen 19-PS-Delaunay-Belleville und hätte auch fast die Ziellinie überquert. Auf dem Rückweg beschädigte jedoch ein anderes Auto den Kühler ihres Fahrzeugs, sodass sie das Rennen nicht beenden konnte.

Ein Delaunay-Belleville, der der kaiserlichen Familie gehörte. Der Junge am Steuer ist Zarewitsch Alexei Romanow.

Anscheinend wollte Sophia in Bezug auf Emanzipation noch höher hinaus und absolvierte 1912 die Flugschule unter Louis Blériot, einem französischen Flieger, der als erster einen Flug über den Ärmelkanal durchführte. 1914 erhielt Sophia einen russischen Flugschein und wurde eine der ersten Pilotinnen in Russland!

Während des Ersten Weltkriegs wurde ihr Antrag auf Einberufung in die Luftwaffe abgelehnt und Prinzessin Dolgorukowa ging als Krankenschwester an die Front. Nachdem das russische Reich unter die bolschewistische Herrschaft gefallen war, musste Sophia aus dem Land fliehen. Zu dieser Zeit war sie als Prinzessin Wolkonskaja bekannt.

Prinzessin hinterm Taxisteuer 

1918 heiratete Sophia einen anderen Prinzen - Peter Wolkonski. Während der revolutionären Turbulenzen in Russland verlor sie ihre Tochter Sofka aus den Augen. Sie wusste nicht, dass Sofka 1919 in einer großen Gruppe von Aristokraten mit der Kaiserin Maria Fjodorowna (der Mutter des letzten Zaren Nikolaus II.) nach England evakuiert worden war. Mutter und Tochter wurden schließlich in Bath, England, wieder vereint - aber dann entschied Sophia sich, wegen ihres Ehemannes nach Russland zurückzukehren.

Als Sophia 1920 in St. Petersburg ankam, erfuhr sie, dass sich ihr Mann in einem Lager in Moskau befand. Sie nutzte ihre Verbindungen, um zu Maxim Gorki und sogar zu Leonid Krasin, dem bolschewistischen Handelsminister, zu gelangen, um ihren Ehemann dort herauszuholen. Jede Woche besuchte sie ihn im Lager. Im Februar 1921 wurde er schließlich freigelassen.

Das Iwanowski-Kloster, in dem Sophias Ehemann in den 1920er Jahren in einem Konzentrationslager festgehalten wurde.

Sophia und Peter verließen Moskau zuerst Richtung St. Petersburg. Sie mussten teure französische Decken und antike Bücher verkaufen, um an etwas Geld zu kommen. Im selben Jahr konnten sie Sowjetrussland über Estland verlassen. Sophia war damals 34 Jahre alt.

Taxifahren war nur einer der Berufe, die Sophia und ihr Mann in den späteren Jahren in Frankreich ausübten. Prinz Wolkonski arbeitete als Angestellter und Dolmetscher. Sophia starb 1949 in Paris.

In ihrer 1934 veröffentlichten Abhandlung „Vae Victis“ (lateinisch für „Wehe den Besiegten“) schrieb Sophia über ihr späteres Leben: „Eigene Dummheit, Unaufrichtigkeit anderer, Wohlstand, Ruin, Armut ... Gymnastikkurse geben, sich in Nizza um Kranke kümmern, Filme drehen, einem blinden Bankier vorlesen, den Taxischein in Paris machen … Und immer diese Melancholie, diese endlose Melancholie.“ 

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