Kaum dass die Bolschewiki die Macht übernommen hatten, begann die Sowjetunion den Massensport und den Körperkult zu fördern. Arbeiter, Soldaten und Bauern sollten fit und gesund sein, um den neuen Staat aufzubauen. Schon von Kindheit an wurde Bewegung gefördert. Zahlreiche Agitprop-Plakate aus dieser Zeit sind noch erhalten: „Ein gesunder Geist braucht einen gesunden Körper“ war der Slogan, der im ganzen Land verbreitet wurde.
„Ein gesunder Geist braucht einen gesunden Körper.“ K. Woroschilow
ArchivfotoDie Förderung des Sports erreichte ihren Höhepunkt in den 1930er Jahren, als Stalin, andere Parteigrößen und einige honorige ausländische Gäste den extravaganten Sportparaden, die auf dem Roten Platz vom Lenin-Mausoleum stattfanden, zuschauten. Dabei wurde Stärke und Körperbeherrschung demonstriert, sowjetische Flaggen und riesige Porträts von Stalin wurden präsentiert.
Eine der größten Paraden fand 1945 statt und war dem Sieg im Zweiten Weltkrieg gewidmet. Mehr als 25.000 Athleten aus den 16 Unionsrepubliken nahmen daran teil.
Der sowjetische Sport entwickelte sich durch freiwilliges Engagement. Fast jede Kollektivfarm, Bildungseinrichtung und jedes Unternehmen hatte eine eigene Sportmannschaft.
Der größte Freiwilligen-Sportverband des Landes war Spartak, der 1935 von Industriegewerkschaften gegründet wurde. Darüber hinaus waren viele Sportverbände „offiziell“, d.h. mit einem Ministerium oder einer Regierungsabteilung verbunden. Zum Beispiel war Dynamo dem Innenministerium (unter Stalin als Volkskommissariat für innere Angelegenheiten des NKWD bekannt) angeschlossen, während ZSKA (Zentraler Sportverein der Armee) für Soldaten war. Beide existieren bis heute.
Dynamo-Stadion in Moskau
Wiktor Koschewoi/TASSDie Luftwaffe hatte ebenfalls eigene Teams. Nach dem Krieg wurde die Luftwaffe im Moskauer Militärbezirk von niemand anderem als Stalins Sohn Wassili befehligt. Er baute eine Fußball-, Hockey- und Basketballmannschaft auf.
Stalin selbst liebte Fußball. 1936 wurde speziell für ihn ein Match direkt auf dem Roten Platz ausgetragen, für das eine 9.000 Quadratmeter große Spielfläche auf den Pflastersteinen geschaffen wurde.
Die Sowjetregierung hatte viele Jahre lang ein ambivalentes Verhältnis zu den Olympischen Spielen. Die erste Olympiade nach der Revolution fand 1920 statt, aber das Olympische Komitee erkannte Sowjetrussland noch nicht an. Die nächsten Spiele im Jahr 1924 wurden von der UdSSR boykottiert. Die Partei wollte sich an diesem „bürgerlichen“ Ereignis nicht beteiligen.
Spartakiade-Poster
Sergei WlassowDie Sowjetunion behielt ihre feindselige Haltung bis 1952 bei. Bei den 15. Sommerspielen in Helsinki nahmen die sowjetischen Athleten zum ersten Mal wieder teil und belegten den zweiten Platz nach der Gesamtzahl der gewonnenen Medaillen.
Aufgrund der ideologischen Unterschiede nahmen sowjetische Athleten nicht an Welt- und Europameisterschaften teil. Stattdessen organisierte die UdSSR in den 1920er und 30er Jahren einen alternativen Wettbewerb: die Spartakiade, benannt nach Spartakus, dem legendären Anführer eines Sklavenaufstands im antiken Rom. Athleten oder Angehörige sozialistischer Vereine oder Arbeiterorganisationen aus anderen Ländern wurden ebenfalls eingeladen.
Die UdSSR hat nicht nur westliche Wettbewerbe boykottiert. Im Rahmen der Kampagne „zur Bekämpfung der Unterwürfigkeit gegenüber dem Westen“ erfand die UdSSR eigene Sportarten.
Sambo-Training
Wjatscheslaw Un Da-sin/TASSIn den 1930er Jahren wurden beispielsweise Jiu-Jitsu und Judo, fernöstliche Kampfkünste, verboten und Sambo als „ideologisch korrekte Kampfform“ (Selbstverteidigung ohne Waffen) etabliert. In den 1960er Jahren wurde dieser Sport sogar weltweit anerkannt und Bestandteil einer Reihe von Wettbewerben.
Trotz der Massenpopularisierung des Sports fielen viele Athleten Ende der 1930er Jahre der Säuberungswelle zum Opfer. Diejenigen, die an Wettkämpfen im Ausland teilgenommen hatten, waren besonders gefährdet, wegen Spionage angeklagt zu werden, und sehr erfolgreiche Athleten wurden häufig aus Neidgründen denunziert.
Teilweise wurde es absurd: Zum Beispiel wurde der Skiclub der Staatlichen Universität für Körperkultur, Sport, Jugend und Tourismus zur „Terrororganisation“ erklärt - die studentischen Mitglieder wurden verhaftet und ihr Anführer erschossen.
Der Hochsprungrekordhalter Nikolai Kowtun wurde während des Trainings festgenommen. Er verbrachte mehr als zehn Jahre im Gulag, einfach weil seine Eltern bereits vor der Revolution in Harbin an der chinesischen Ostbahn gearbeitet hatten (in den 1930er Jahren wurde eine Kampagne gegen ehemalige Arbeiter dieser Eisenbahnlinie und deren Familien gestartet, mit dem Ziel „Sabotage, Spionage und Terrorismus“ zu bekämpfen).
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