Das „Kavallerie-Mädchen", „Heldin des Vaterländischen Krieges von 1812", die „russische Amazone" und der erste weibliche Offizier in Russland. So kennt man in Russland Nadeschda Durowa - oder genauer gesagt Alexander Alexandrow, wie sie in der Armee und im Alltag genannt wurde.
Nadeschda Durowa beschrieb die Geschichte ihres Lebens farbenfroh in ihrer Autobiografie „The Cavalry Maiden: Journals of a Russian Officer in the Napoleonic Wars (zu Deutsch „Das Kavalleriemädchen: Tagebücher eines russischen Offiziers in den napoleonischen Kriegen“). Sie wurde 1790 (nach einigen Quellen 1783) in Malorossija (heutige Ukraine, damals Teil des russischen Reiches) geboren. Ihre Mutter war mit dem Husarenhauptmann Durow durchgebrannt und hatte ihn heimlich geheiratet. Sie hatte von einem Jungen geträumt, brachte aber zu ihrer großen Enttäuschung ein Mädchen zur Welt, das zudem ein Schreikind war.
Eines Tages, als das Regiment unterwegs war, schrie die vier Monate alte Nadeschda so laut, dass ihre „völlig verzweifelte“ Mutter das Baby einfach aus dem Fenster des Wagens warf. Wie durch ein Wunder wurde das Mädchen nicht verletzt. In einem Wutanfall beschloss der Vater, seine Tochter der unverantwortlichen Mutter wegzunehmen und gab Nadeschda in die Obhut eines Kameraden.
Einige Jahre später bekamen die Durows ein weiteres Kind und der Vater beschloss, den Militärdienst zu verlassen, um nicht mehr ständig unterwegs zu sein. Nadeschda wurde zu ihrer Mutter zurückgebracht, aber ihre Beziehung verlief nicht gut - die Mutter versuchte, ihr eine für ein Mädchen geeignete Erziehung zu geben, ihr das Sticken beizubringen, während die Tochter um eine Pistole und ein Pferd bat. Der Vater war nachsichtiger und tröstete die Mutter mit den Worten, dass dies nur eine Phase sei.
Aber als Nadeschda zwölf Jahre alt war, kaufte ihr Vater ihr ein Pferd namens Alkid. Tagsüber quälte sich das Kind mit den „mädchenhaften" Tätigkeiten wie Sticken. Aber nachts, heimlich, galoppierte sie auf dem Hengst durch die Gegend.
Die erste Feministin und ihr Traum von Freiheit
„Ich hätte vielleicht endlich alle meine verwegenen Ambitionen vergessen und eine gewöhnliche junge Frau werden können, wie alle anderen auch, wenn meine Mutter nicht so ein düsteres Vorbild für die Rolle der Frau gewesen wäre. Sie äußerte sich vor mir in den verletzendsten Ausdrücken über das Los des weiblichen Geschlechts: Ihrer Ansicht nach sollten Frauen gebären und in Knechtschaft leben und sterben", schrieb Durowa.
Auch Nadeschdas Vater, der sie sehr liebte, brach ihr das Herz, als er ihr sagte, dass sie, wäre sie ein Mann gewesen, ihm im Alter eine Kraft und Stütze hätte sein können. So beschloss Durowa, sich um jeden Preis „von dem Geschlecht zu trennen, das, wie ich glaubte, unter einem göttlichen Fluch stand“.
Im Jahr 1806, als Nadeschda 16 Jahre alt war, beschloss sie, von zu Hause wegzulaufen. Eines Nachts schnitt sie sich die Haare ab, zog eine Kosakenuniform an und ritt auf ihrem Pferd zu dem Ort, an dem ein vorbeiziehendes Kosakenregiment für die Nacht biwakierte (Anm.d.Red.: Biwakieren = Übernachten für eine Nacht ohne Zelt unter freiem Himmel oder im Winter im Iglu). Der Oberst ahnte nicht, dass es sich bei der Fremden um ein Mädchen handelte, und ließ sich von Durowa überreden, sie provisorisch in das Regiment aufzunehmen, bis es sich mit regulären Truppen vereinigte. So wurde aus Nadeschda Alexander.
Es dauerte jedoch nicht lange, bis alle ringsherum anfingen zu bemerken, dass Durowa nicht wie einer der Kosaken mit ihren prächtigen Schnurrbärten aussah, und das Kavalleriemädchen beschloss, ihre Wanderschaft fortzusetzen. Völlig auf sich allein gestellt, kostete sie ihre Freiheit aus - und landete schließlich beim polnischen Uhlan-Regiment (Polen war damals Teil des Russischen Reiches).
Durowa nahm an mehreren Schlachten der russischen Armee gegen die napoleonischen Truppen teil. Ihr Pferd Alkid begleitete sie ausnahmslos überall hin.
Die Legende von Nadeschda wurde durch einen Brief, den sie an ihren Vater schrieb, fast zerstört. Sie bat ihn um Verzeihung, weil sie weggelaufen war, und sagte, sie sei einem Uhlan-Regiment beigetreten und in den Krieg gezogen. Er wiederum erschrak und schickte den Brief an einflussreiche Freunde in St. Petersburg, um herauszufinden, ob seine Tochter noch am Leben war. Schließlich erreichte der Brief Zaren Alexander I., und er war „zu Tränen gerührt".
Nadeschda wurde eingeladen und vom Zaren empfangen. Er erzählte ihr, dass ihre Kommandeure von ihrer erstaunlichen Tapferkeit im Kampf berichtet hatten, und er fragte, ob die Gerüchte, dass sie kein Mann sei, wahr seien. Sie sammelte ihre Gedanken und antwortete wahrheitsgemäß. Der Zar dankte ihr für ihre Tapferkeit und schlug ihr vor, nach Hause zurückzukehren. Sie aber warf sich ihm zu Füßen und bat ihn um die Ehre, für das Vaterland und für seinen Namen zu kämpfen. Er erfüllte ihren Wunsch und gab ihr seinen Namen. So wurde aus Nadeschda Durowa Alexander Alexandrow. Er verlieh ihr das St.-Georgs-Kreuz.
Durowa bewies Mut in der legendären Schlacht gegen Napoleon bei Borodino 1812, erlitt aber Erfrierungen und eine Explosionsverletzung. Als sie sich erholt hatte, wurde sie wieder in den Militärdienst aufgenommen.
Nadeschda wurde von ihrem Vater überredet, 1816 aus der Armee auszuscheiden. Danach trug sie weiter für den Rest ihres Lebens Männerkleidung, benutzte weiter den Namen Alexander Alexandrow. Sie war auffallend direkt und wiederholte häufig, dass sie in einem Militärlager geboren und aufgewachsen sei und sich an eine solche Redeweise gewöhnt habe.
Sie schrieb ihre Memoiren, und ihr Bruder, der mit dem führenden russischen Dichter Alexander Puschkin bekannt war, zeigte ihm das Manuskript. Puschkin war voll des Lobes über „Alexandrows" literarisches Talent und bat darum, das Manuskript erwerben zu können. „Das Leben der Autorin ist so kurios und so verworren, dass die Lösung dieses Rätsels einen starken, universellen Eindruck machen muss", schrieb Puschkin in einem Brief an Nadeschdas Bruder.
Puschkin druckte die Memoiren in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Sowremennik („Der Zeitgenosse") unter der Überschrift „Memoiren von N.A. Durowa“ ab. Durowa war empört darüber, vom Dichter geoutet zu werden. Es ist ein Briefwechsel zwischen den beiden überliefert, in dem Durowa fordert, dass die Auflage vernichtet werden sollte. Doch Puschkin blieb unnachgiebig. „Sei kühn - schlage einen literarischen Weg ein, so mutig, wie du den Weg beschritten hast, der dich berühmt gemacht hat", argumentierte Puschkin.
Durowa schrieb tatsächlich weiter und verfasste mehrere weitere Prosawerke, in denen sie die Stellung der Frau in der Gesellschaft thematisierte. Sie starb 1866 im Alter von 82 Jahren.
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