Weltmeister in der Krankheitsbekämpfung: War in der Sowjetunion wirklich alles perfekt?

Impfung von Arbeitnehmern gegen Influenza. Leningrad, Russland. 01.03.1978.

Impfung von Arbeitnehmern gegen Influenza. Leningrad, Russland. 01.03.1978.

W. Baranowski / Sputnik
Die UdSSR war sehr effektiv bei der Kontrolle und Ausrottung von Infektionskrankheiten, jedoch gab es auch einige Schwachstellen im System, welche die Viren ausnutzen konnten.

Das sowjetische Gesundheitssystem wurde und wird von einigen immer noch als eines der besten oder sogar das beste der Welt angesehen. Laut Statistiken und Informationen der sowjetischen Behörden war die UdSSR nach dem Krieg sehr effektiv bei der Bekämpfung von Viruskrankheiten und das Gesundheitssystem sah sich nie mit etwas konfrontiert, das man als epidemiologische Krise bezeichnen könnte. Die Propaganda für persönliche Hygiene und die Impfkampagnen trugen zur Gesundheit der Nation bei. Wenn man jedoch die Lebensgewohnheiten der sowjetischen Bevölkerung betrachtet, ist es ziemlich schwierig, mit 100-prozentiger Sicherheit zu sagen, dass die Zahl der Infektionsfälle gering war.

Große Herausforderungen für die Nachkriegs-UdSSR

Im zweiten Jahr wird die Grippeschutzimpfung im Druckmaschinenwerk von Ärzten der Poliklinik des Werks und Spezialisten des Forschungsinstituts für Epidemiologie und Mikrobiologie Pasteur durchgeführt. 07.01.1977.

Die Russische Grippe wurde erstmals 1977 festgestellt und hielt bis 1979 an. Trotz der Tatsache, dass dieser neue Stamm zuerst in China identifiziert wurde, erhielt das Virus den Namen „Russisch“ (oder einfach „Rot"), weil die UdSSR das erste Land war, das offiziell darüber berichtete.

Der Stamm der russischen Influenza ähnelte zu 99 Prozent dem Virus H1N1 (demjenigen, das auch die Spanische Grippe-Pandemie 1918 und die Schweinegrippe-Pandemie 2009 verursachte). Aus diesem Grund geht man davon aus, dass es sich bei der großen Mehrheit der Patienten um junge Menschen unter 25 Jahren handelte, deren Organismus noch nie mit dem H1N1-Virus in Berührung gekommen war, das in den 1940er bis 1950er Jahren weltweit zirkulierte.

Über die Anzahl der Infizierten und die anschließende Zahl der Todesopfer lässt sich jedoch kaum etwas mit 100-prozentiger Sicherheit sagen, da diese der absoluten Geheimhaltung unterlagen. Es gibt immer noch keine umfassenden Daten für diesen Grippeausbruch, aber eine Menge Gerüchte. Einige gehen von über einer Million Todesfälle aus. Anhänger von Verschwörungstheorien gingen noch weiter und behaupteten, dass die Russland-Grippe künstlich erzeugt wurde und darauf abzielte, die sowjetische Jugend zu töten. Betrachtet man jedoch die Tatsache, dass die geschätzte Influenza-Sterblichkeitsrate weltweit bei etwa 5-6 von 100.000 Menschen lag, kann man daraus schließen, dass die Zahl der Todesopfer nicht so hoch war.

Einweisung eines Cholerapatienten in das Krankenhaus für Infektionskrankheiten in Astrachan, 1970.

Der Sommer 1970 war geprägt von einem Ausbruch der Cholera im Süden der UdSSR. Tatsächlich war Astrachan die Stadt, welche die Hauptlast dieser ansteckenden Krankheit trug. Bis Ende August wurden fast 200.000 Menschen geimpft, während Tausende von Einheimischen und Reisenden unter Quarantäne gestellt wurden. Dank dieser rechtzeitig ergriffenen Maßnahmen breitete sich die Krankheit ab September nicht weiter aus.

Was steckt hinter dem Erfolg bei der Eindämmung von Epidemien?

Bekämpfung der Cholera-Epidemie in Astrachan. Entsendung von Patienten aus der Stadt unter ärztlicher Aufsicht. Das Bild wurde in der Zeitschrift Sowjetunion # 13 in 1970 veröffentlicht.

Rechtzeitige Maßnahmen waren der Schlüssel zum Erfolg. Außerdem muss man verstehen, dass die sowjetischen Behörden keine halben Sachen gemacht haben und zu energischen Methoden griffen, um die Ausbrüche einzudämmen. Im Falle der Cholera wurden zum Beispiel 3.000 Soldaten nach Astrachan geschickt, um die Ordnung aufrechtzuerhalten und die Einhaltung der Quarantäne zu überwachen. Auch auf die Krim und nach Odessa wurden Truppen entsandt.

Ein weiterer entscheidender Faktor war die Massenimpfung. Die in der Nachkriegs-UdSSR Geborenen wurden gegen Tuberkulose, Diphtherie und Poliomyelitis geimpft. Mit der Zeit kamen Impfungen gegen Keuchhusten, Tetanus (Wundstarrkrampf), Masern und Parotitis hinzu. Als es zu virulenten Ausbrüchen kam, wurden die Impfkampagnen beschleunigt (wie im Fall der Cholera) und so die Ausbreitung der Krankheiten im Anfangsstadium gestoppt.

Dieses Immunisierungsprogramm wurde auch von einer riesigen Pro-Impfkampagne und Propaganda zur persönlichen Hygiene begleitet.

Die sowjetische Animation zur Förderung der Impfung

Die sowjetische Animation war ein integraler Bestandteil dieser Kampagne. Es ist zum Beispiel fast unmöglich, eine in der UdSSR geborene Person zu finden, die nicht den Zeichentrickfilm „Moidodir" gesehen hat (er ist auch heute noch äußerst beliebt).

Ein anderes Beispiel ist ein kultiger sowjetischer Cartoon mit dem Titel „Über ein Nilpferd, das Angst vorm Impfen hatte“. Die Geschichte erzählt von einem Nilpferd, das so viel Angst vor Injektionen hatte, dass es aus einem Krankenhaus floh. Allerdings wurde es bald darauf krank und wurde auf einer Bahre zurück ins Krankenhaus gebracht, wo es vor einem Arzt vor Scham errötete. Die Idee des Zeichentrickfilms ist es, Kindern zu vermitteln, dass Impfungen nichts Unheimliches sind.  

Was war falsch an den sowjetischen Lebensgewohnheiten?

Plakat „Bürger, lassen Sie sich gegen Cholera impfen“ des Künstlers S. Iwanow.

Was Hygiene und Sanitär betrifft, war allerdings nicht alles so perfekt. Das erste Beispiel sind die Limonadenautomaten, die im ganzen Land verbreitet waren.

Über diese konnte sich zum Beispiel in den späten 1970er Jahren die russische Grippe leicht verbreiten. Offizielle Zahlen gibt es dazu jedoch nicht. Entsprechende Studien wurden nie veröffentlicht.

Ein weiteres Beispiel waren die wiederverwendbaren Spritzen, die zum festen Bestandteil der medizinischen Ausrüstung vieler Sowjetbürger gehörten. Die gebräuchlichste Methode, diese Spritzen zu desinfizieren, war das Auskochen. Soweit wir wissen, garantiert das Abkochen jedoch keine Sterilität, denn viele Viren können auch bei hohen Temperaturen überleben, wie zum Beispiel Hepatitis B oder C.

Jedenfalls erwies sich das sowjetische System zur Seuchenbekämpfung trotz der fehlenden Daten zu den Infektionsfällen als äußerst effizient bei der Kontrolle und Ausrottung von Infektionskrankheiten in Übertragungsgebieten. Doch es gibt noch viele Fragen, die unbeantwortet geblieben sind.  

 

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