Taschengeld für den Zaren: Wie viel Geld konnten die russischen Herrscher ausgeben?

Geschichte
GEORGI MANAJEW
Die russischen Zaren bezogen ein Gehalt, das durchaus großzügig bemessen war. Doch Geld ausgeben war für ein Mitglied der kaiserlichen Familie gar nicht so einfach.

Wenn Nikolaus II. an Gottesdiensten teilnahm, spendete er oft wie die anderen Gemeindemitglieder für die Kirche, indem er eine Münze in einen Becher warf. Nikolaus II. gab goldene 5-Rubel-Münzen mit seinem eigenen Porträt (5 Rubel waren eine sehr großzügige Spende - sie entsprachen dem Monatslohn eines Dienstmädchens oder der Hälfte des Gehalts eines Fabrikarbeiters). Doch überraschenderweise hatte der Kaiser selbst kein Geld zur Verfügung.

Wie der russische Historiker Igor Zimin feststellte, musste Nikolaus II., um diese 5-Rubel-Münzen zu erhalten (genau wie andere Bargeldbeträge), eine Anfrage an das Büro der Zarin stellen. In der Familie von Nikolaus II. und Alexandra Fjodorowna kümmerte das Büro sich um die Finanzen. „Schicken Sie mir 3.000 Rubel und zwei 5-Rubel-Goldmünzen.“ „Schicken Sie mir noch zwei goldene 5-Rubel-Münzen.“ Hatte der Kaiser etwa keinen uneingeschränkten Zugriff auf alle Ressourcen der Nation, einschließlich Geld? Nein, hatte er nicht.

Keine Arbeit für die Zaren

Vor Paul I. (1754-1801) konnten die russischen Zaren den Staatsschatz tatsächlich für ihre eigenen Taschen nutzen. Möglicherweise war das einer der Gründe, warum Katharina II. nach ihrem Tod eine Staatsverschuldung von 200 Millionen Rubel hinterließ (etwa das Dreifache des Jahreshaushalts des russischen Reiches).

Paul, der Sohn und Erbe Katharinas der Großen, und seine Frau, Kaiserin Maria Fjodorowna, hatten zehn Kinder. Paul I. sah voraus, dass seine zahlreiche Nachkommenschaft eine gewisse finanzielle Unterstützung durch das Haus Romanow benötigen würden. Natürlich konnten die Mitglieder des Hauses Romanow nicht selbst arbeiten oder Geschäfte machen - ihr königlicher Status erlaubte ihnen dies nicht. Daher waren die Mitglieder der Familie auf einen Zuschuss aus dem Staatshaushalt angewiesen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Außerdem war ein angemessener finanzieller Status der Mitglieder des Hauses notwendig, um das Ansehen der Romanows unter den europäischen Königshäusern aufrechtzuerhalten.

Paul I. war sich darüber bewusst, dass die Ausgaben der Romanow-Familie, wenn er die Verwendung der staatlichen Reserven nicht einschränkte, schließlich so groß werden würden, dass sie die Staatskasse aufzehren würden. Im Jahr 1797 erließ Paul I. ein Dekret, in dem die jährlichen Zuwendungen für die Mitglieder der Familie festgelegt wurden.

Eine jährliche Aufwandsentschädigung

Pauls Dekret führte ein kompliziertes hierarchisches System von Zulagen für die Mitglieder der königlichen Familie ein, das sich nach ihrer jeweiligen Beziehung zum Thron richtete. Die Zulage des Kaisers war nicht festgelegt. Die jährliche Aufwandsentschädigung der Kaiserin betrug 600.000 Rubel - eine enorme Summe: Das Jahresgehalt eines Staatsministers lag damals bei 4.000-5.000 Rubel. Die kleine Kaiserkrone von Kaiserin Elisabeth Alexejewna (1779-1826) wurde auf mehr als 50.000 Rubel geschätzt.

Jedes Zarenkind erhielt bis zu seiner Volljährigkeit im Alter von 20 Jahren ein jährliches Taschengeld von 100.000 Rubel. Nach dem 20. Lebensjahr sank der Jahreslohn auf 50.000 Rubel pro Jahr. Der Thronerbe erhielt 300.000 Rubel, seine Frau 150.000 Rubel, jedes ihrer Kinder (dazu zählen die Enkelkinder des Zaren) erhielt 50.000 Rubel, bis sie 20 Jahre alt waren, und danach 150.000 Rubel pro Jahr. Die Enkelinnen des Zaren erhielten diesen Betrag lediglich bis zu ihrer Heirat, da die Zahlung danach eingestellt wurde.

Pauls Dekret enthielt viele weitere Bedingungen, die die finanzielle Zukunft der Nachkommen des Kaisers bis zu fünf Generationen vorausplanten. In den 1880er Jahren zählte die kaiserliche Familie 23 Mitglieder, die alle ihre Zulagen ausschöpften. Die Familie war im Begriff zu wachsen, was eine größere Belastung für die Staatskasse bedeutete. 1885 kürzte Alexander III. die Zulagen der kaiserlichen Familie um das Dreifache: Die jährliche Zulage der Kaiserin wurde auf 200.000 Rubel gekürzt, das „Gehalt“ des Thronfolgers von 300.000 auf 100.000 Rubel, und die übrigen Kinder des Kaisers erhielten „nur“ noch 33.000 Rubel pro Jahr. Für die damalige Zeit, als die Uniform eines Offiziers 70 Rubel kostete und man für 200 Rubel ein Klavier kaufen konnte, waren das immer noch enorme Summen.

Was konnte ein Romanow kaufen?

In Russland konnten die Zaren und ihre Familienmitglieder nicht einfach einkaufen gehen, da der Zar sofort vom Volk erkannt worden wäre und diese Begegnung besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordert hätte. 

Daher zogen es die Zaren, Großfürsten und ihre Familien vor, auf ihren Reisen nach Europa einkaufen zu gehen, wo sie die Möglichkeit hatten, inkognito zu bleiben. Die Schwester von Nikolaus II., Großfürstin Olga Alexandrowna, schrieb über ihre Reise nach Kopenhagen: „Ich werde nie vergessen, wie aufgeregt ich war, als ich zum ersten Mal in meinem Leben einfach durch die Straßen gehen und in die Schaufenster der Geschäfte schauen konnte, weil ich wusste, dass ich einfach in jedes Geschäft gehen und alles kaufen konnte, was ich wollte!"

1909 tat Nikolaus II. dasselbe, während er im Ausland war. Anna Wyrubowa, die Hofdame der Zarin, erinnerte sich, dass Nikolaus „alles nahm, was er wollte, ohne nach dem Preis zu fragen - er hatte kein Verständnis für das Konzept des Geldes, denn der Staat bezahlte alles".

Für die ausländischen Besitzer der Geschäfte, die der russische Kaiser und seine Verwandten besuchten, war es jedoch eine schwierige Aufgabe, das Geld für die Einkäufe zu bekommen. Die Rechnungen mussten an das Büro der Kaiserin geschickt werden, welches alle Barmittel und Einkäufe der kaiserlichen Familie kontrollierte. Das Büro der Kaiserin genehmigte die Zahlungen. Daraufhin schickte das Finanzministerium das Geld an das Konsulat des Landes, in dem der Kauf getätigt wurde. Erst dann wurde das Geld schließlich an den Verkäufer überwiesen. Im 19. Jahrhundert konnte dies Monate dauern.

Welche Käufe tätigten die Kaiser? Igor Zimin listete einige auf. Nikolaus I. (1796-1855) pflegte die Geschenke für seine Familie selbst auszusuchen - für seine Frau konnte er Hüte (der Kaiser suchte die Hüte nicht selbst aus, sondern nahm eine erfahrene Hofdame mit, die den Geschmack der Kaiserin kannte), ein Armband oder sogar Seidenstrümpfe kaufen.

Der größte Teil des „eigenen Geldes“ der Zaren und ihrer Verwandten ging jedoch in der Regel an wohltätige Zwecke. So spendete Nikolaus II. 1898 500.000 Rubel für wohltätige Zwecke, um Familien zu helfen, die unter der Hungersnot in jenem Jahr gelitten hatten. Außerdem verwendete Nikolaus in den Jahren 1896-1900 über 500.000 Rubel seines persönlichen Geldes, um den Bau der russischen Kapelle in Darmstadt, der Heimatstadt seiner Frau Alexandra Fjodorowna, zu unterstützen.