Boris Godunow, der unglückliche russische Zar

Sergei Prissekin; Aniacra (CC BY-SA 4.0); gemeinfrei; Russia Beyond
Godunow hat als erster Zar Verbindungen zwischen Russland und Europa aufgebaut, doch er scheiterte in seiner Regierungszeit an Pech, Hunger und der polnischen Invasion.

Es scheint, als ob die Regierungszeit von Boris Godunow von einem Fluch überschattet wurde. Obwohl die meisten seiner Aktionen als Zar für Russland rational und profitabel waren, endete seine Herrschaft in einer Katastrophe. Auch nach seinem Tod verfolgte ihn das Pech. Als 1945 die Krypta mit den Überresten von Zar Boris und seinen Verwandten geöffnet wurde, stellte sich heraus, dass das Grab ausgeraubt worden war. Die Knochen waren durcheinander und zerfallen. Anthropologen konnten kein Bild von Godunow rekonstruieren. 

Vom Opritschnik unter Iwan dem Schrecklichen zum Zaren 

Boris Godunow

Boris Godunow (1552-1605) erschien in den 1570er Jahren dank seines Onkels Dmitri Godunow am Hof von Iwan dem Schrecklichen. Er war einer der engsten Vertrauten von Iwan und beförderte seinen Neffen Boris zum Opritschnik - einem Mitglied von Iwans persönlicher Armee. 1571 wurde der 19-jährige Godunow zu Iwans Hochzeit eingeladen und 1575 wurde seine Schwester Irina die Frau von Fjodor Iwanowitsch (1557-1598), Iwans jüngerem Sohn. Danach wurde Boris Godunow zum Bojaren und zu einer der einflussreichsten Personen des Staates.

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Er regierte das Land als Schwager von Zar Fjodor 

Forensische Gesichtsrekonstruktion von Zar Fjodor Iwanowitsch

Zu Lebzeiten Iwans des Schrecklichen hielt sich Boris geschickt im Hintergrund. Aber er war einer der wenigen Menschen, die bei Iwans Tod im Jahr 1584 anwesend waren und dem Moskauer Adel das traurige Ereignis von der Roten Veranda im Moskauer Kreml verkündeten. Niemand kann sagen, welche Rolle Godunow beim Tod des Zaren gespielt hatte, aber bereits 1585 wurde er der alleinige Regierungschef und regierte de facto anstelle des nächsten Zaren. Fjodor Iwanowitsch war nicht in der Lage, das Land allein zu regieren. Er galt als geistig behindert. 

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Godunows Handlungen waren von Vorteil für den Staat 

Zar Fjodor Iwanowitsch gibt Boris Godunow eine goldene Kette

Nachdem Godunow Russlands „Schattenherrscher“ geworden war, legte er eine enorme Aktivität an den Tag. Er trieb den Bau von Festungsstädten an den russischen Grenzen voran, um das Festland vor den plündernden Invasionen der tatarischen Nomadenstämme des russischen Südens zu schützen. Er befahl aber auch, die zentralrussischen Städte zu entwickeln und zu schützen.

Auf Befehl von Godunow wurde die Zitadelle von Smolensk gebaut, um das Moskauer Land vor den polnischen Angriffen zu schützen. In Moskau wurden zwei Befestigungslinien gebaut. 1591 versuchte der Krim-Khan Gazi II Giray, Moskau zu erobern, aber seine Armee war gegen die stark geschützte Stadt machtlos. 

Zitadelle von Smolensk

Godunow praktizierte eine erfolgreiche Außenpolitik. Nach dem Sieg im russisch-schwedischen Krieg von 1590 bis 1595 gelang es ihm, die Länder zurückzugewinnen, die Russland nach dem von Iwan dem Schrecklichen verlorenen Livländischen Krieg von 1558 bis 1583 an Schweden abgetreten hatte.

Um die Staatsfinanzen zu unterstützen, musste Godunow das Leibeigenschaftsregime für die russischen Bauern stärken. Ab 1597 sollten Leibeigene, die vor ihren Grundbesitzern und ihrem Land davonliefen, für einen Zeitraum von fünf Jahren zur Fahndung ausgeschrieben und bei Ergreifung wieder zurückgebracht werden. 

Als erster russischer Zar knüpfte er starke Bande zu Europa 

1598, nach dem Tod von Fjodor Iwanowitsch, wählte der Semski Sobor, eine Art mittelalterliches russisches Parlament, Boris Godunow zum neuen Zaren. Während seiner kurzen Regierungszeit zeigte Godunow gegenüber Ausländern großes Wohlwollen. „Sobald der Botschafter eintrat, ging Boris Fjodorowitsch ihm entgegen, empfing ihn mit großem Respekt, verbeugte sich nach Moskauer Sitte und gab ihm die Hand“, beschrieb der österreichische Gesandte Niklas von Warkotsch. Erstaunlich: Ein russischer Zar, der aufsteht, auf einen Ausländer zugeht und ihm sogar die Hand reicht! Das wäre unter Iwan dem Schrecklichen undenkbar gewesen. 

Godunow lud ausländische Kaufleute, Ärzte und Ingenieure ein, in Moskau zu praktizieren und zu arbeiten, und versorgte sie mit Geld und teuren Geschenken.  

Godunow knüpfte auch besonders gute Beziehungen zu England - er korrespondierte mit Elizabeth I. (1533-1603) und verheiratete seinen Sohn Fjodor sogar mit einer englischen Adeligen. Doch Elizabeths Tod setzte dem einen Schlussstrich.

Godunows Regierungszeit endete im Desaster 

Zar Boris Godunow schaut zu, wie sein Sohn Fjodor Geografie studiert

1601 wurde Russland von einer großen Hungersnot heimgesucht. Im Sommer regnete es für über zehn Wochen, die Pflanzen gediehen nicht. Im Herbst vernichtete früher Frost die restliche Ernte. Die Großgrundbesitzer ließen ihre Leibeigenen frei und hungrige Menschen raubten Passanten auf der Straße aus. In Moskau öffnete Godunow die Schatzkammer, doch da es keine Lebensmittel gab, nutzte auch alles Geld nichts. Die Getreidepreise stiegen auf das 100-fache.  

Das Volk machte den Zaren, die Bojaren und den Adel für die Lage verantwortlich. Ein Bauernaufstand unter der Führung eines Bauern namens Chlopok Kossolap ereignete sich zwischen 1601 und 1603, und obwohl er von der Armee des Zaren unterdrückt wurde, hörten die Raubüberfälle und Plünderungen nicht auf.

1604 erschien der falsche Dmitri auf der Bildfläche, der behauptete, er sei Dmitri von Uglitsch, der letzte Sohn Iwan des Schrecklichen, der eigentlich 1591 als unter mysteriösen Umständen verstorben galt. Der Hochstapler vereinte einige polnische Unterstützer und desillusionierte Russen hinter sich und versuchte, Moskau zu erobern. Er wurde jedoch von der Zarenarmee besiegt und musste sich zurückziehen. Inmitten all dieser Turbulenzen starb Godunow plötzlich. Nach seinem Tod und der anschließenden Ermordung seines Erben Fjodor Borissowitsch begann im Moskauer Zarenreich die Zeit der Wirren. 

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