Andropow, Malenkow, Tschernenko: Unbekannte sowjetische Führer

Bettmann/Getty Images; Eduard Pesov/TASS; Yuri Abramochkin/Sputnik
Diese sowjetischen Führer kennen wahrscheinlich nur Wissenschaftler. Während ihrer Amtszeit ereigneten sich jedoch ebenfalls historisch bemerkenswerte Vorgänge.

Georgi Malenkow

Nach Josef Stalins Tod am 5. März 1953 ging dessen Posten an einen der engsten Mitarbeiter des verstorbenen Führers, Georgi Malenkow. Noch am selben Tag wurde er zum Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR gewählt und richtete sich sofort in Stalins Arbeitszimmer ein.

Malenkows Macht war jedoch nicht so absolut und grenzenlos wie die seines Vorgängers. Obwohl er als Regierungschef die ranghöchste Position im Lande innehatte, musste er auf zwei andere einflussreiche Persönlichkeiten in der sowjetischen Führung Rücksicht nehmen: Lawrenti Beria, der das Innenministerium und die Sicherheitsdienste leitete, und Nikita Chruschtschow, der als Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei fungierte.

Georgi Malenkow blieb weniger als zwei Jahre an der Spitze des Staates. In dieser Zeit gelang es ihm, die Verteidigungsausgaben zu senken. Darüber hinaus konnte er Änderungen in der Leichtindustrie und der Landwirtschaft vornehmen, indem er insbesondere die Steuern für die Bauern senkte und den Kolchosen die in den vorangegangenen Jahren aufgelaufenen Schulden erließ. Infolgedessen ging es der Bevölkerung in den ländlichen Gebieten erheblich besser. Das spiegelte sich sogar in einem populären Liedchen wider: „Ай, спасибо Маленкову - разрешил держать корову. Ну а Сталину - лежать: не давал козу держать“. (Danke, Malenkow, dass ich eine Kuh behalten darf. Was Stalin betrifft, so soll er liegen bleiben, denn er hat mir nicht erlaubt, eine Ziege zu halten.)

Georgi Malenkow and Nikita Chruschtschew.

Es gab jedoch eine Gruppe hoher Beamter, die mit Malenkows Politik nicht einverstanden war. Ihr Anführer war Chruschtschow. Sie beanstandeten unter anderem Malenkows Entscheidung, die Bezüge der Parteifunktionäre zu halbieren und unterstellten die Vernachlässigung der Schwerindustrie und Verteidigungspolitik.

„Formal wurden ihm politische Fehlkalkulationen und Fehler vorgeworfen. Tatsächlich verziehen ihm seine Genossen in der kollektiven Führung des Landes nicht, dass er begann, bestimmte wichtige Entscheidungen zu treffen, ohne sie zu konsultieren, so wie es Stalin zu tun pflegte", erinnerte sich der sowjetische Staatsmann Michail Smirtjukow.

Chruschtschow gewann allmählich an Stärke, und da ihm keine Hindernisse mehr im Weg standen (auf gemeinsames Betreiben zusammen mit Malenkow, war der allmächtige Beria verhaftet und im Juni 1953 hingerichtet worden), erreichte er Anfang 1954 den Rücktritt Malenkows vom Amt des Vorsitzenden des Ministerrats.

Eine Zeit lang war Malenkow für den sowjetischen Energiesektor zuständig. Nach einem erfolglosen Versuch, Chruschtschow 1957 zu entmachten, fiel er jedoch in Ungnade und zog sich endgültig aus der Politik zurück.

Juri Andropow

Am 12. November 1982 wurde Juri Andropow, der 15 Jahre lang den sowjetischen In- und Auslandsgeheimdienst KGB geleitet hatte, zum Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei gewählt. Dieses höchste Amt im Lande sollte er jedoch nur 18 Monate lang behalten.

„Andropow genoss nicht nur unter den Sicherheitsbeamten hohes Ansehen. Als er zum Generalsekretär des Zentralkomitees gewählt wurde, begrüßten die meisten Menschen dies, obwohl er Vorsitzender des KGB war, einer Organisation, die, offen gesagt, nicht gerade beliebt war. Aber die Menschen hatten das Gefühl, dass er die Art von Führungskraft war, die damals gebraucht wurde", erinnerte sich der erste stellvertretende Vorsitzende des KGB in den Jahren 1985-1991, Filip Bobkow.

Andropows kurze Amtszeit war geprägt von einem groß angelegten Kampf gegen Korruption, Wucher und Betrug im Einzelhandel, sowie von einer Säuberung des Parteiapparats. So verloren beispielsweise in der kurzen Zeit seiner Amtsführung 18 Minister ihren Posten.

Für die einfache sowjetische Bevölkerung wurde Juri Andropow vor allem mit einer Kampagne zur „Wiederherstellung der Ordnung“ und „Stärkung der Disziplin“ in Verbindung gebracht, bei der Polizeikommandos während der Arbeitszeit Razzien in Kinos und Kaufhäusern durchführten, um diejenigen zu finden, die die Arbeit oder das Studium schwänzten. Außerdem stiegen die Preise für viele Waren, aber gleichzeitig kam billiger Wodka auf, der im Volksmund als Andropowka bekannt wurde.

Der Generalsekretär sah die dringende Notwendigkeit, das Land zu reformieren. Unter ihm begann das sogenannte „groß angelegte Wirtschaftsexperiment", bei dem die Unternehmen mehr Befugnisse erhielten und auf völlig neue wirtschaftliche Bedingungen umgestellt wurden. Eine weitere Neuerung war die Einführung der Praxis, wichtige Regierungsentscheidungen in Arbeitskollektiven vorab zu beraten.

Die vollständige Umsetzung dieser politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in der UdSSR wurde jedoch durch den schlechten Gesundheitszustand von Andropow unterbrochen. Am 9. Februar 1984 starb er an akutem Nierenversagen.

„Ich bin davon überzeugt, dass, wenn das Schicksal Juri Andropow noch ein paar Jahre gegönnt hätte, es keine katastrophalen Unruhen, keine blutigen interethnischen Konflikte und keine allgemeine Schwächung der Staatsmacht gegeben hätte", sagte der Vorsitzende des Obersten Sowjets der UdSSR 1990-1991, Anatoli Lukjanow.

Konstantin Tschernenko

Konstantin Tschernenko, der Andropow als Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei ablöste, wurde der älteste Führer der UdSSR, der an die Macht kam: Zum Zeitpunkt seiner Wahl war er bereits 72 Jahre alt.

Tschernenko setzte die Politik seines Vorgängers, das Land zu modernisieren, weitgehend fort. Er war es, der als erster von der „Perestroika" sprach, die später mit Gorbatschow in Verbindung gebracht wurde, und sagte, dass „das Regierungssystem des Landes, unser gesamter Wirtschaftsmechanismus" dies nötig hätten. 

Tschernenko nahm die Polizeirazzien gegen Schulschwänzer schrittweise zurück, und sein Ansatz im Kampf gegen die Korruption war weniger hart als der seines Vorgängers. Dennoch wurden unter ihm die Ermittlungen im so genannten „Baumwollfall", bei dem es um groß angelegten wirtschaftlichen Missbrauch in der Usbekischen SSR ging, fortgesetzt: Der Direktor des berühmten Moskauer Lebensmittelgeschäfts Eliseewski, Juri Sokolow, wurde der Veruntreuung für schuldig befunden und hingerichtet. Die Ermittlungen gegen Korruption in den Reihen der Polizei, die schließlich zum Selbstmord des entlassenen Innenministers Nikolai Schtscholokow führten, erhielten neuen Auftrieb.

„Ich glaube, Tschernenko, der nur kurz die Macht hatte, wollte als Friedensstifter in die Geschichte eingehen. Er sagte Vizepräsident Bush, der zur Beerdigung von Andropow kam, dass die UdSSR und die Vereinigten Staaten keine angeborenen Feinde seien", erinnert sich der sowjetische Diplomat Anatoli Adamischin in seinem Buch „In all den Jahren“ (freie Übersetzung ins Deutsche). Tschernenko genehmigte die Wiederaufnahme der sowjetisch-amerikanischen Gespräche über Atom- und Weltraumwaffen. Zur gleichen Zeit boykottierte die Sowjetunion die Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles als Vergeltung für den Boykott der Olympischen Spiele 1980 in Moskau durch die USA.

Tschernenkos Versuch einer politischen Rehabilitierung Stalins schlug fehl. Es gelang ihm jedoch, den 94-jährigen ehemaligen Außenminister Wjatscheslaw Molotow wieder in die Partei aufzunehmen, der 1962 von Chruschtschow „wegen parteifeindlicher Aktivitäten und aktiver Teilnahme an Massenrepressionen" aus den Reihen der Partei ausgeschlossen worden war. Man begann zu scherzen, dass Konstantin Tschernenko einen Nachfolger gefunden habe.

Tschernenko starb am 10. März 1985 an einem Herzstillstand und wurde als letzter Generalsekretär an der Kremlmauer beigesetzt. Am folgenden Tag wurde Michail Gorbatschow neues Oberhaupt der Sowjetunion.

 

 

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