In Diensten von KGB und MI6: Der berüchtigtste Doppelagent der UdSSR

Oleg Gordiewski, KGB-Oberst, der 1985 nach Großbritannien übersiedelte. 1997 in London fotografiert.

Oleg Gordiewski, KGB-Oberst, der 1985 nach Großbritannien übersiedelte. 1997 in London fotografiert.

Legion Media
Oleg Gordiewski war einer der gefährlichsten Doppelagenten für die UdSSR.

Gordiewski gilt weithin als einer der gefährlichsten Doppelagenten in der Geschichte der sowjetischen Spionage. Er trat 1962 in die Erste Hauptdirektion des KGB ein. Diese war für verdeckte Operationen im Ausland, die Auslandsaufklärung und die Koordination der verdeckten Agenten zuständig. 

Der Job versprach Vorteile, die andere Sowjetbürger nicht bekamen. So hatten die Offiziere der Ersten Direktion beispielsweise die einmalige Gelegenheit, im Ausland in Ländern des kapitalistischen Blocks zu leben und zu arbeiten. Zu Beginn seiner Karriere war Gordiewski in Dänemark stationiert.

„Ich musste Dokumente von Verstorbenen oder von Personen, die das Land verlassen hatten, beschaffen, damit die Direktion C [des KGB] sie verwenden konnte. Ich ging auf Friedhöfe, wo ich nach Gräbern von Neugeborenen suchte, und besuchte Priester, um Geburts- und Sterbebücher zu besorgen", sagte Gordiewski in einem der Interviews nach seiner Flucht nach Großbritannien.  

Oleg Gordiewski, der KGB-Oberst, der zum britischen Spion wurde, ist hier am 16. Oktober 1990 im Marlborough Hotel in London verkleidet zu sehen. Gordiewski versteckte sich, nachdem der ehemalige KGB-Oberst und KGB-Stationschef in London als britischer Spion aufgedeckt wurde für M16.

In Dänemark trat der britische MI6 an den jungen sowjetischen Geheimdienstoffizier heran, der, wie sich herausstellte, selbst auf der Suche nach einer Möglichkeit war, der Krone zu dienen. „Ich wollte für den britischen Geheimdienst arbeiten. Es gab einen Engländer - einen MI6-Offizier, der unter diplomatischer Tarnung arbeitete - der mich anwerben wollte. Ich wollte rekrutiert werden und er wollte mich rekrutieren. 1974 begannen wir uns zu treffen, zunächst in einer kleinen Brasserie, und später lud er mich in einen Unterschlupf ein, wo wir arbeiten sollten", so Gordiewski.  

Der abtrünnige Agent sagte, er sei vom sowjetischen System desillusioniert gewesen, nachdem Chruschtschow Stalin denunziert hatte und Berlin durch eine Mauer geteilt worden war. Obwohl es unmöglich ist, mit Gewissheit zu sagen, was Gordiewski dazu trieb, die Seiten zu wechseln - ob es eine echte Überzeugung war, dass das sowjetische System korrupt war, Abenteuerlust, egoistische Interessen oder materielle Vorteile - bleibt die Tatsache bestehen, dass der KGB-Geheimdienstoffizier, der mit der Betreuung verdeckter Agenten in Europa betraut war, ab 1974 für den MI6 arbeitete. 

Verdächtigungen 

1982 begann Oleg Gordiewski in London unter diplomatischer Tarnung zu arbeiten. Eine kurze Begegnung mit dem sowjetischen Politiker Michail Gorbatschow in London im Jahr 1984 gab Gordiewski Auftrieb. Er wurde zum stellvertretenden Leiter der KGB-Zelle in London ernannt, wobei die Aussicht bestand, noch höher zu steigen. 

Ronald Reagans Treffen am 21. Juli 1987 mit dem MI-6-Mitarbeiter Oleg Gordiewski.

Gordiewskis machte weiter Karriere beim KGB und wurde ein wertvoller Doppelagent für den MI6. Die Verhaftung eines CIA-Verräters warf jedoch einen Schatten auf Gordiewski und machte seine Vorgesetzten in Moskau misstrauisch hinsichtlich seiner Loyalität. „Ich wurde von Aldrich Ames irgendwann zwischen dem 15. April und dem 1. Mai 1985 verraten. Ich erhielt ein panisches Telegramm von der Zentrale mit der klaren Absicht, mich unter dem Vorwand der Genehmigung meiner Kandidatur für den Posten des [KGB-]Residenten [in London] abzusetzen", sagte Gordiewski.  

Obwohl Gordiewski vermutete, dass er als Doppelagent enttarnt werden könnte, befolgte er den Befehl und kehrte nach Moskau zurück. Nach seiner Rückkehr in die Hauptstadt der UdSSR wurde Gordiewski von seinem Vorgesetzten, General Gruschko, verhört. 

„Nach Gruschkos Befragung betraten zwei gut gebaute Männer den Raum und boten mir an, mit ihnen zu trinken. Ich lehnte so energisch wie möglich ab [...], aber sie hörten nicht auf mich. Sie schenkten mir Cognac ein und ich fühlte mich wie jemand anderes. Meine Aufgabe war es, [die Wirkung der Drogen] zu überdauern. Ich war kaum in der Lage, den Rest meines klaren Verstandes nicht zu verlieren. Das dauerte vier Stunden, während das Verhör weiterging", sagte Gordiewski.  

Gordiewski wachte in einer Wohnung auf und stellte fest, dass er nicht verhaftet worden war. Er kam zu dem Schluss, dass er das Verhör überstanden hatte, erkannte aber auch, dass seine Lage nach wie vor prekär war. Er beschloss, aus der UdSSR zu fliehen, und setzte das Fluchtprotokoll in Gang, das die Briten für einen solchen Fall entwickelt hatten. 

Flucht 

Nun musste er den Briten mitteilen, die Exfiltration zu starten. Hierzu war es erforderlich, dass Gordiewski seinen KGB-Überwacher abschüttelt, um sich mit einem britischen Spion im Zentrum von Moskau treffen zu können. 

Der Plan sah vor, dass Gordiewski Moskau in Richtung Leningrad (heute St. Petersburg) verlassen und dann mit dem Bus nach Norden in die Stadt Vyborg nahe der finnischen Grenze fahren sollte. Unter dem Vorwand, sich schlecht zu fühlen, ließ Gordiewski den Busfahrer auf halber Strecke anhalten und stieg aus. 

Nachdem er drei Stunden im Wald gewartet hatte, sah er zwei Autos mit diplomatischen Kennzeichen. Es handelte sich um sein britisches Rettungsteam. „Sie konnten dem KGB-Begleitschutz hinter einer Kurve für eine Minute entkommen. Ich stieg in einen Kofferraum und die Autos fuhren weiter, bevor das KGB-Auto um die Ecke kam", so Gordiewski. 

Die britischen Agenten passierten mehrere sowjetische Kontrollpunkte und verließen sich darauf, dass die Autos dank der diplomatischen Kennzeichen an den Grenzübergängen nicht kontrolliert wurden. Überraschenderweise funktionierte der Plan.  

So landete der ehemalige KGB-Geheimdienstler in Großbritannien, wo er bis heute lebt. In der UdSSR wurde er in Abwesenheit wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Die Massenmedien berichteten, dass das Urteil auch nach dem Zusammenbruch der UdSSR nicht aufgehoben wurde.  

Gordiewski traf die britische Premierministerin Margaret Thatcher und überzeugte sie angeblich, sich bei den sowjetischen Behörden für die Wiedervereinigung seiner Familie einzusetzen. Dies gelang nicht, und seine Frau und seine Kinder besuchten ihn erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991. Das Paar ließ sich bald darauf scheiden.

Im Jahr 2021 lebt der 82-jährige Gordiewski mit einer Beamtenpension in Großbritannien, gibt Interviews und verdient nach Angaben ehemaliger russischer Geheimdienstmitarbeiter noch immer seinen Lebensunterhalt mit dem Handel sensibler Informationen über sowjetische und russische Geheimdienste. 

Oleg Gordiewski, KGB-Oberst, der 1985 nach Großbritannien übersiedelte. 1997 in London fotografiert.

In öffentlichen Interviews betonte Gordiewski stets, dass er seine Entscheidung, Doppelagent zu werden, nie bereut habe. 

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