4 Dinge, von denen jedes sowjetische Kind träumte

Konstantin Dudtschenko; Sergej Metelitsa/TASS; Russia Beyond
„Nur in unseren Träumen sind wir frei. Den Rest der Zeit brauchen wir Lohn", sagte der englische Fantasy-Autor Sir Terry Pratchett einmal. Es scheint, dass diese Weisheit auch auf sowjetische Kinder zutraf.

Einige der Träume der sowjetischen Kinder waren eher mit der nicht allzu fernen Zukunft verbunden und oftmals von Angst und Sorgen geprägt. 

1.Frieden

Kinder aus der Iwan-Zagubanski-Straße, benannt nach dem bulgarischen Revolutionär, dem ersten Kurier der Zeitung Iskra.

„Als jemand, der in den 1980er Jahren in der Sowjetunion aufgewachsen ist, hatte ich ständig Angst vor der Aussicht auf einen Atomkrieg mit den Vereinigten Staaten, dem Erzfeind meines Landes", sagt Natascha, 45. „Wenn ich nachts einschlief, träumte ich ernsthaft von etwas, das die Bedrohung auslöschen und mir erlauben würde, mir keine Sorgen mehr zu machen, so seltsam das auch klingen mag. Als Kind habe ich den Kalten Krieg als eine zutiefst persönliche, existenzielle Bedrohung empfunden.“

Die Kubakrise war eine große Konfrontation, die die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion in den frühen 1960er Jahren an den Rand eines Atomkriegs brachte. Moskau stationierte sowjetische Atomraketen auf Kuba als Reaktion auf die Stationierung von US-Raketen ähnlicher Klasse in der Türkei. 

Diese Krise war nicht das einzige Mal, dass die Konfrontation zwischen Moskau und Washington den Siedepunkt erreichte. 1983 war der Kreml besorgt über eine Reihe groß angelegter NATO-Manöver (bekannt als „Able Archer 83"), bei denen Zehntausende von US-Streitkräften in Europa eingesetzt wurden. Im Gegenzug wurden die sowjetischen Nuklearstreitkräfte sofort in höchste Alarmbereitschaft versetzt, um auf die von der NATO ausgehende Bedrohungslage reagieren zu können. Glücklicherweise stellte sich die Sorge als unbegründet heraus.  

2.Sommercamp

ARTEK-Kinderlager.

Ähnlich wie die Pfadfinder in den USA lebten die sowjetischen Kinder ein aktives und lebendiges Leben. „Die sowjetische Kindheit ist untrennbar mit den Sommercamps verbunden: Wecken zum Klang einer Trompete, Pfadfindertum, viele Wettbewerbe, Feuerwerk, nächtliches Beschmieren der schlafenden Kinder mit Zahnpasta und andere Abenteuer", erinnert sich Tatiana, 47. „Wenn deine Eltern dich nicht ins Sommerlager schickten, musstest du stattdessen auf deiner Datscha bleiben und Baumhäuser oder Blumenkränze basteln. Im Winter ging es immer um Schlittschuhlaufen, Skifahren, Schlittenfahren, Schneebälle werfen, Schneemann bauen. Meine sowjetische Kindheit war ausgefüllt mit Sport, Museen, Theatern, Lesen und dem Anschauen seltener Filme. Wir haben nur wenig Zeit vor dem Fernseher verbracht.“

Das Sommerlager war eine großartige Möglichkeit, die schulfreien Tage zu verbringen, neue Freunde zu finden, seine Kommunikationsfähigkeiten zu perfektionieren und gleichzeitig ein wenig Freiheit zu genießen. Sowjetische Kinder träumten davon, ihre Ferien im Artek-Lager zu verbringen. In den 1970er bis 1980er Jahren wurden in diesem berühmten Jugendlager auf der Krim an der Schwarzmeerküste die zentralen kommunistischen Werte gelebt. Auch heute noch ist es ein beliebter Urlaubsort.

3. Kleidung, Kaugummi und Spielzeug

Kinder auf einer Schaukel. 1970.

Sowjetische Kinder trugen einfache, langweilige und unbequeme Kleidung, die meist in der UdSSR hergestellt wurde. Etwas anderes zu kaufen, war ein echtes Problem. Importierte Kleidung war zwar in den Geschäften erhältlich, aber die normalen Kunden wussten nie, wann und wo sie erhältlich sein würden. „Meine Mutter schrieb sich eine Zeilennummer auf die Handfläche und verbrachte Stunden in der Schlange, um mir ein Paar rote Lederschuhe aus Japan zu kaufen“, erinnert sich Wera, 39. „Ich habe diese glamourösen Schuhe nur zwei Mal getragen, bevor sie aus meiner Schulgarderobe gestohlen wurden. Ich habe fast geweint.“

Jahre sind vergangen, aber Dima, 52, erinnert sich noch immer an seinen langen sowjetischen Wintermantel.

„Er war ein Alptraum, so schwer wie ein Ziegelstein. Ich fühlte mich hilflos und ohnmächtig, wenn ich ihn trug" klagte er. „Ich war wie im siebten Himmel, als mein Vater mir einen braunen Mantel aus Schweden mitbrachte. Er hatte flippige gelbe Ärmel und war so leicht wie eine Feder."

„Ich erinnere mich auch daran, wie sehr ich mir stilvolle Kleidung wünschte", sagt Elena, 40. „Etwas, das kultiviert aussah."

„Ich war ein sowjetisches Kind, nicht allzu lange, aber ein ziemlich glückliches, jedenfalls. Da ich in Ostdeutschland geboren wurde und einige Jahre dort gelebt habe, bekam ich all die schönen Kleider und Spielsachen, die man damals kaufen konnte. Nicht sehr viel. Aber es waren die besten", erinnert sich Diana.

Einige der Eltern der Kinder durften ins Ausland reisen. Sie kamen mit einer Vielzahl von Geschenken zurück, von Kaugummis und Radiergummis bis hin zu Rucksäcken und Barbiepuppen.

„Eine echte Barbie-Puppe! Ich bekam eine Cindy mit einem echten Barbie-Kopf und einem falschen Plastikkörper, einen ausländischen Saft in einer ungewöhnlichen Farbe – es war die leuchtend grüne Kiwi und es war unglaublich, ich erinnere mich noch daran, wie die Verpackung aussah, Kartoffelchips, Limonaden..." 

Diejenigen, die nicht den Luxus hatten, ins Ausland reisen zu können, konnten von „La Dolce Vita" nur träumen.

4. Moped

Kinder. Ukrainische SSR, Region Krim, 1970er Jahre.

Während einige sowjetische Mädchen sich für Barbie-Puppen und modische Kleidung entschieden, bevorzugten Jungen elektrische deutsche Eisenbahnzüge und Mopeds. Vadim, 51, war da keine Ausnahme. Er sagt, dass fast jeder Junge in seiner sowjetischen Kindheit ein Fahrrad hatte. „Aber ein Moped war eine ernste Sache, der letzte Schrei, ein ultimativer Traum.“

Träumen ist schließlich eine Form der Planung, und so sammelten einige praktische Teenager Glasflaschen und brachten sie zum Recycling in die Geschäfte. Die leeren Flaschen brachten etwas Geld ein, was genug Motivation zum Sammeln bot. „Auf lange Sicht lohnte sich der Fleiß. Einige schafften es, sich vom Pfanderlös ein Moped zu kaufen."

Victoria, 41, wollte ein Moped aus einem anderen Grund. Solange sie denken kann, war sie ein Filmfan. Die damals Zwölfjährige verbrachte ihre Sommerferien im benachbarten Lettland, als sie zufällig die französische Komödie „La Boum“ mit Sophie Marceau in der Hauptrolle sah. Der Film über die 13-jährige Vic, die sich verliebt, wieder verliebt und ihr Leben in vollen Zügen genießt, wurde bei den sowjetischen Teenagern sofort zum Kult. Trotz der kulturellen Unterschiede war es leicht, sich mit den Protagonisten des Films zu identifizieren. „Ich war wahrscheinlich zwölf, als ich ‚La Boum‘ gesehen habe. Ich erinnere mich noch an zwei Dinge: Vic war in Mathieu verknallt, der ein Moped fährt, und Richard Sandersons großartiges Titellied ‚Reality‘. Darin hieß es: „Träume sind meine Realität. Die einzige reale Fantasie.‘“ 

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!