1. Diese Stadt spielt seit Jahrhunderten eine Schlüsselrolle in Russlands Verteidigungssystem. Smolensk, das heute an der Grenze zu Belarus liegt, sicherte die kürzeste Verbindung zwischen Europa und Moskau, dem Herzen des Landes.
2. Erstmals in den Chroniken erwähnt wurde das künftige „Schild von Russland“, wie Smolensk oft genannt wird, im Jahre 863. Schon damals war die Stadt stark bevölkert und gut befestigt. Im Jahr 882 wurde sie von Fürst Oleg von Kiew an den damals entstehenden altrussischen Staat, die heute als Kiewer Rus bezeichnet wurde, angeschlossen.
3. Nachdem die Rus im 12. Jahrhundert zerfallen war, wurde Smolensk zur Hauptstadt eines großen unabhängigen Fürstentums. Die Stadt verdankte ihren Wohlstand der Tatsache, dass sie ein wichtiges Bindeglied auf der Handelsroute von der Ostsee zum Byzantinischen Reich, bekannt als Weg von den Warägern zu den Griechen, war.
4. Nach der Invasion Russlands durch die Mongolen in der Mitte des 13. Jahrhunderts endete die Zeit des Wohlstands und der Ruhe für Smolensk, aber es waren nicht die Invasoren aus dem Osten, die zum Hauptproblem für die Stadt wurden. Das Großfürstentum Litauen, das sein Territorium auf Kosten der geschwächten russischen Gebiete ausweitete, schloss Smolensk in seine Interessensphäre ein.
5. Im Jahr 1404 nahm der litauische Großfürst Vytautas (dt.: Witold) nach zweimonatiger Belagerung Smolensk ein, hob dessen Unabhängigkeit auf und annektierte die umliegenden Ländereien. Sechs Jahre später leistete Smolensk auf der Seite der polnisch-litauischen Armee einen Beitrag zur Niederlage des Deutschen Ordens in der Schlacht bei Tannenberg. „In dieser Schlacht kämpften die russischen Ritter des Smolensker Landes beharrlich, unter ihren eigenen drei Bannern stehend, allein, ohne zu fliehen, und verdienten so großen Ruhm“, schrieb ein polnische Historiker des 15. Jahrhunderts.
6. Das Großfürstentum Moskau, das zu diesem Zeitpunkt zum Zentrum der Einigung der russischen Länder geworden war, wollte nicht hinnehmen, dass die mächtige Festung Smolensk, von der aus ein direkter Weg nach Moskau führt, in den Händen eines geopolitischen Rivalen lag. Um die Stadt entbrannte ein jahrzehntelanger Kampf zwischen Russen und Litauern (und nach der Gründung der Rzeczpospolita, der Königlichen Republik Polen-Litauen, im Jahr 1569 auch Polen).
7. Nach dem Krieg von 1512-1522 übernahmen die Moskowiter die Kontrolle über Smolensk, traten es jedoch Anfang des 17. Jahrhunderts während einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise, der so genannten Maskówskaja smúta(dt.: Zeit der Wirren), an die Polen ab. Auch der so genannte Smolensker Krieg von 1632-1634 endete erfolglos. Erst 1667, am Ende des Russisch-Polnischen Krieges, der in Polen als potop rosyjski (dt.: Russenflut) bezeichnet wird, kam die Stadt endgültig unter die Herrschaft des russischen Zaren.
8. „Smolensk ist eine umfangreiche und gut ausgebaute Stadt. Die Russen betrachten sie als eine Art unbesiegbare Festung ihres Vaterlandes. Kürzlich, nach der Rückkehr aus Polen, wurde allen ausländischen Ministern und Botschaftern verboten, die Stadt zu betreten, da man befürchtete, dass sie, wenn ihnen die Lage der Festung bekannt werden würde, dies im Falle eines Krieges ausnutzen könnten. Das Amt des Smolensker Woiwoden ist das ehrenvollste und wird an einen Würdenträger vergeben, der sich das volle Vertrauen des Zaren genießt (damals gab es einen Verwandten in der Zarenfamilie). In der Stadt befindet sich eine große Garnison. Es ist bei Todesstrafe verboten, Fremde einzulassen“, schrieb der österreichische Diplomat Adolf Lizek, der 1675 Smolensk besuchte. Die Stadtverwaltung machte eine Ausnahme für ihn.
9. Obwohl sich die Grenzen des Russischen Reiches im Laufe des nächsten Jahrhunderts nach Westen verschoben, sollte Smolensk noch an mehreren großen Schlachten beteiligt sein. Während des Vaterländischen Krieges von 1812 wurden hier am 3. August die 1. und 2. westrussische Armee vereint, die sich bis dahin unter dem Ansturm von Napoleons Grande Armée verstreut von der Westgrenze zurückgezogen hatten.
10. Am 16. August 1812 begann in der Nähe von Smolensk die erste große Schlacht des Krieges. Die russische Armee war gezwungen, die Stadt aufzugeben, aber Napoleon konnte den Feind nie besiegen. Bald darauf rückte die französische Armee in das brennende und von der Bevölkerung verlassene Smolensk ein. „Sie marschierte geordnet durch diese rauchenden und blutigen Ruinen, mit Militärmusik und dem üblichen Prunk. Aber es gab keine Zeugen für ihren Ruhm. Es war ein Spektakel ohne Zuschauer, ein fast unfruchtbarer Sieg. Blutiger Ruhm, und der Rauch, der uns umgab, war sozusagen das einzige Ergebnis unseres Sieges und sein Symbol", schrieb der französische Brigadegeneral Philippe Paul de Ségur.
11. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Smolensk zu einer harten Nuss für die deutsche Heeresgruppe Mitte, die auf Moskau zusteuerte. Nach den Plänen des Wehrmachtskommandos hätte die Stadt bis zum 29. Juni eingenommen werden sollen, doch die Deutschen mussten hier bis September ausharren. Obwohl die Rote Armee rund 750.000 Gefallene, Verwundete, Gefangene und Vermisste zu verzeichnen hatte, konnte sie den deutschen Blitzkrieg aufhalten.
12. „Die Schlacht von Smolensk dauerte zwei Monate und umfasste eine ganze Reihe heftiger Operationen, die auf beiden Seiten unterschiedlich erfolgreich waren“, schrieb Marschall Alexander Wassilewski in seinen Erinnerungen. Die Rote Armee befreite Smolensk am 25. September 1943. Danach war dem leidgeprüften „Schild von Russland“ endlich Ruhe vergönnt.