Dieses alte Porträt aus dem Jahr 1817 zeigt die englische Prinzessin Charlotte Augusta von Wales in einem für ihr Land sehr ungewöhnlichen Outfit. Woher hatte sie einen echten russischen Sarafan und warum?
Charlotte Augusta von Wales (1796-1817) war das einzige Kind von Prinz Georg von Wales (dem späteren König Georg IV.) und stand in der Thronfolge nach ihm. Im Gegensatz zu ihrem Vater war Charlotte bei den Briten, die in ihr die nächste Königin sahen, sehr beliebt.
Doch das Schicksal wollte es anders: Im Alter von 21 Jahren starb sie bei der Entbindung ihres Kindes. Nach ihrem Tod kam es zu einem Wettstreit um den Thron, den schließlich Victoria für sich entschied, die aufgrund der zahlreichen vorteilhaften dynastischen Ehen ihrer Nachkommen den Spitznamen Großmutter Europas erhielt (ihre Enkelin Alexandra Fjodorowna, Ehefrau von Nikolaus II, war die letzte russische Zarin).
Dennoch gelang es Charlotte in ihrem kurzen Leben, Kontakte zu den russischen Monarchen zu knüpfen.
Nach dem Sieg über Napoleon verstärkte das Russische Reich seinen politischen Einfluss in Europa. Hochrangige russische Beamte wurden zu gern gesehenen Gästen an den europäischen Höfen. Man stelle sich vor: Der Besuch von Zar Alexander I. in Großbritannien im Jahr 1814 war der erste seit mehr als einem Jahrhundert! Vor ihm war nur Peter der Große im Jahr 1698 hier gewesen. Georg IV. empfing ihn eher kühl; der Zar hatte zuvor keine Beziehung zu seiner Verwanden aufgebaut. Dennoch verlief die Begegnung mit Prinzessin Charlotte sehr gastfreundlich.
Der russische Zar war auch bei den Briten beliebt, sie dankten ihm für seinen Sieg über Napoleon. Und schließlich kam damals alles Russische in Europa in Mode, von der Architektur (siehe das Dorf Alexandrowka in Deutschland) bis zu den Namen. Sogar Königin Victoria – Alexandrina Victoria – wurde nach dem russischen Zaren benannt; außerdem war er ihr Patenonkel.
Für Charlotte brachte die Begegnung mit Alexander I. auch privat Glück. Über seine Schwester lernte sie ihren Ehemann, den späteren König Leopold I. von Belgien, kennen.
Bevor er den Thron bestieg, hatte er fast 20 Jahre lang als Offizier in der russischen Armee gedient und sich während der Auslandsfeldzüge bei Brienne und Paris ausgezeichnet. Leopold gehörte dieser russischen Delegation an. Im Jahr 1816 besuchte er London und machte ihr einen offiziellen Heiratsantrag.
Dieses Porträt von Charlotte wurde 1817, kurz vor ihrem Tod, von dem damals berühmten Künstler George Dawe gemalt. Charlotte von Wales ist hier in dem Sarafan abgebildet, der etwa im selben Jahr speziell für sie genäht wurde.
Es ist nicht genau bekannt, warum die Prinzessin in dem russischen Sarafan posierte, aber laut Caroline de Guitaut, der leitenden Kuratorin für Kunstgewerbe, war es wahrscheinlich wegen des „kleinen Modetrends, russische Kleidung zu tragen“. „Das Faszinierende an diesem Kleid ist, dass es schon immer als Prinzessin Charlottes russisches Kleid bekannt war und der Grund dafür ist, dass es auf einem originalen russischen Sarafan basiert“, erläutert sie.
Auf der Website des Royal Collection Trust wird es folgendermaßen beschrieben: blaues, seidenbesetztes, rundes Mieder und Rock in der Mitte mit goldener Spitze mit roten Akzenten; der Rock ist mit goldenen Fransen eingefasst.
Auf der Brust trägt sie den Stern des Katharinenordens, der ihr im Juli 1817 von Zarin Maria Fjodorowna für die Gastfreundschaft verliehen wurde, die sie ihrem Sohn, dem künftigen Zaren Nikolaus I., während seines Besuchs in London ein Jahr zuvor erwiesen hatte.
Dies ist ihr letztes Porträt zu Lebzeiten. Ihr Tod wurde in Großbritannien als Tragödie empfunden: Viele Geschäfte, Docks und andere Einrichtungen waren zwei Wochen lang geschlossen, weil man um sie trauerte. Vielleicht gerade weil man das Andenken an die Prinzessin bewahren wollte, wird ihr russisches Kleid noch heute aufbewahrt, und es ist in perfektem Zustand, sagt de Guitaut.
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