Der Status eines „Hoflieferanten Seiner Kaiserlichen Majestät“ und damit das Recht, das Staatswappen auf Visitenkarten, Briefköpfen, Etiketten und Werbemitteln zu führen, wurde nur besonders angesehenen Kaufleuten verliehen, die die strengsten Anforderungen erfüllten. Einige Marken bemühten sich jahrzehntelang um diesen Titel. Besondere Geduld etwa brauchte der Wodka-Hersteller Smirnoff: Er erlange die begehrte Auszeichnung erst nach 68 Jahren.
Auf der Liste der Lieferanten standen zu verschiedenen Zeiten auch viele Deutsche und ihre Unternehmen, die sowohl im Ausland als auch im Russischen Reich vertreten waren.
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Arzneimittel von Poehl
Um das Gebäude der Poehl-Apotheke in St. Petersburg ranken sich bis heute mystische Legenden. Seine Besitzer sollen Alchemie betrieben und im Turm über ihrem Labor echte Greifen gehalten haben. In Wirklichkeit waren die Deutschen begnadete Pharmazeuten und Geschäftsleute.
Wilhelm Poehl kaufte Mitte des 19. Jahrhunderts die alte Apotheke. Er vergrößerte das Labor und stattete es aus, richtete ein Lagerhaus ein, führte eine Qualitätskontrolle für Rohstoffe ein, gründete die Russische Gesellschaft für den Handel mit Apothekerwaren und brachte eine Zusammenarbeit mit dem Zarenhof auf den Weg. Sein Sohn Alexander erbte das Familienunternehmen, führte die Reformen seines Vaters fort und verwandelte das Unternehmen in einen Produktionskomplex. Er war es zum Beispiel, der das einzige Medikament erfand, das damals aus Russland exportiert wurde - Sperminum-Poehl. Poehl war eines der ersten Unternehmen im Land, das Arzneimittel in Ampullen, Tabletten und löslichen Kapseln verkaufte. Im Sortiment gab es auch einige wirklich ungewöhnliche Produkte - zum Beispiel vergoldete Tabletten für die reichsten Kunden.
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Rosen von Emil Werkmeister
Im 19. Jahrhundert entstanden in Odessa zahlreiche Geschäfte, die Gartensetzlinge aus europäischer Zucht verkauften. Nicht nur die Möglichkeit der Belieferung auf dem Seeweg, sondern auch eine große Anzahl von Sommerhäusern und Landgütern an der Schwarzmeerküste verhalfen diesen Unternehmen zu großem Erfolg. Für die Gärten und Parks der südlichen Ländereien brauchte man Pflanzen, darunter auch Rosen, die von den örtlichen Grundherren, inspiriert von den russischen Zarinnen, auf ihren Ländereien gepflanzt wurden.
Der Hauptlieferant von Rosen nach Odessa war der Bayer Emil Georgijewitsch Werkmeister. Das Sortiment seiner 1867 gegründeten Gärtnerei umfasste im Jahr 1904 etwa 900 Sorten. Werkmeister-Rosen erhielten wiederholt höchste Auszeichnungen auf verschiedenen Ausstellungen, und Biographen des Unternehmers vermerken seinen Beitrag zur Wiederherstellung der Rosenallee im Zarenweingut „Massandra“ am Schwarzen Meer.
„In diesem einen Raum, in einem Holzschrank mit kleinen, schmalen Schubladen, befanden sich so viele künftige Blütenpflanzen, dass sie unsere gesamte Schwarzmeerregion in einen Garten Eden verwandeln konnten“, erinnerte sich der in Odessa geborene sowjetische Schriftsteller Valentin Katajew an die Gärtnerei von Werkmeister.
Gummi vom „Dreieck“
„Die besten Galoschen der Welt“, verkündeten die Werbeplakate der Firma T.R.A.R.M., der „Gesellschaft für Russisch-Amerikanische Gummiherstellung“. Es war dieses Unternehmen mit seinen Gründer Ferdinand Krauskopf, der die Gummiproduktion in Russland aufnahm und das enorme Potenzial des dortigen Marktes erkannte. Bislang hatte Krauskopf in Hamburg amerikanische Gummistiefel vertrieben und wusste gut, wie man ein solches Geschäft aufbaut. Nachdem er Partner gefunden hatte, errichtete der Deutsche in St. Petersburg eine Fabrik mit modernster Technologie.
Krauskopf bot für den persönlichen Bedarf wasserdichte Kleidung und Galoschen an, die teure Lederschuhe vor Wasser schützten. An Industriekunden lieferte das Unternehmen Maschinenbänder, Rohre für Gasleitungen, Verschlusskappen für Pumpen und Armaturen und andere Produkte. Das Unternehmen kennzeichnete seine Produkte mit einem Dreieck - ein Symbol, das selbst Analphabeten verstanden hätten - und änderte später seinen Namen in „Treugolnik“ (zu dt. Dreieck).
Instrumente von F. Schwabe
Einer der größten russischen Hersteller von optischen, physikalischen, vermessungstechnischen und medizinischen Instrumenten des 20. Jahrhunderts begann mit einem kleinen Geschäft, in dem ein Deutscher (nach bestimmten Quellen ein Schweizer), Theodor Schwabe, Brillen und Zwicker verkaufte.
Der Erfolg stellte sich ein, als der Kaufmann sein Sortiment erweiterte und an Ausstellungen teilnahm, bei denen seine Firma immer wieder angesehene Preise gewann. Auch der Zar war dem Ausländer wohlgesonnen: 1854 übergab Schwabe dem Zaren Nikolaus I. das Modell einer Kanone, das den Monarchen so sehr begeisterte, dass er dem Meister einen Diamantring mit einem Rubin schenkte.
Das zweite Gesicht des Unternehmens war der Neffe des Inhabers, David Albert Hamburger. Nachdem er als einfacher Angestellter in die Firma eingetreten war, wurde er schließlich zum Gesellschafter und später, nach dem Ausscheiden von Schwabe, zu ihrem alleinigen Geschäftsführer. Er war es, der das Unternehmen in die russischen Regionen führte, das Personal erheblich aufstockte und den Titel „Hoflieferant Seiner Kaiserlichen Majestät“ erwarb. Bei F. Schwabe konnte man alle Arten von Instrumenten und Geräten kaufen: Von Ferngläsern und Barometern bis hin zu medizinischen Korsetts und Röntgengeräten.