Burda: Wie ein deutsches Magazin die triste Realität der sowjetischen Frauen „aufmischte“

Kira Lisitskaya (Photo: Alexander Makarov/Sputnik; Alexander Steshanov/MAMM/MDF)

Kira Lisitskaya (Photo: Alexander Makarov/Sputnik; Alexander Steshanov/MAMM/MDF)

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Die Zeitschrift „Burda Moden“ sorgte in der Sowjetunion für großes Aufsehen. Mit ihrer Hilfe konnten auch ganz normale sowjetische Frauen sich nicht nur stilvolle Kleidungsstücke zulegen, sondern auch ein wenig „westlichen Lebensstil“ in ihre triste Realität bringen.

Das Leben in der UdSSR war alles andere als ein Konsumparadies. Gleichförmige unmodische Kleidung und Wohnungseinrichtungen erzeugten ein Gefühl der Monotonie und des „Grauens“ in der uns umgebenden Realität. Dies war vor allem für Frauen schwierig, die von Natur aus dazu neigen, sich attraktiv zu kleiden, aufzufallen und ihre Wohnung gemütlich einzurichten. In ausländischen Filmen konnten die Sowjetbürger das „schöne“ Leben im Ausland sehen. Manchmal fanden sogar einzelne Artefakte dieses Lebens ihren Weg in die sowjetischen Läden: Importiert-Stiefel, -Taschen, -Kleidung oder sogar Miederwaren (allerdings nur aus Ländern des sozialistischen Blocks). Sowohl bei denjenigen, die diese begehrten Güter ergattern konnten, als auch bei denjenigen, denen sie verwehrt worden waren, verstärkte sich schließlich die Unzufriedenheit mit der Tristesse des „real existierenden Sozialismus“ und die Sehnsucht, am bunten Leben des Westens teilzuhaben.

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Ende der 1980er Jahre eröffnete sich den Frauen in der UdSSR plötzlich ein Fenster in die aufregende Welt des westlichen Überflusses. Die deutsche Mode- und Handarbeitszeitschrift Burda Moden wurde im Lande verkauft. Mit ihrer Hilfe konnte sich auch eine in Handarbeit unerfahrene Frau in ein glamourös gekleidetes Covergirl verwandeln. Aber es ging nicht nur ums Nähen oder Stricken. Ratschläge zur Haushaltsorganisation, zum Kochen und andere nützliche Tipps boten die Gelegenheit, ein Stück westeuropäische Realität zu leben.

Sowjetische Zeitschriften für Frauen

Natürlich gab es auch in der UdSSR Modezeitschriften. Bereits nach dem Zweiten Weltkrieg blühten die Modeli sesona (dt.: Modelle der Saison), Schurnal mod (dt.: Modejournal) und Moda stran sozialisma (dt.: Mode der Länder des Sozialismus) auf, in denen man das Design für Damen-, Herren- und Kinderkleidung finden konnte. Dank ihnen konnte man sich auch vorstellen, was in der kommenden Saison in den europäischen Hauptstädten getragen wurde.

Modelle der Saison Herbst-Winter 1955-1956

Das Problem war jedoch, dass es oft gezeichnete Schnitte und manchmal nur Silhouetten der präsentierten Kleidung gab. Um so diese Kleidungsstücke nachzunähen, brauchte man eine Schneiderin von hohem Niveau. Nicht jeder hatte eine solche Bekanntschaft.

Einige Zeitschriften enthielten sogar Schnittmuster, allerdings nicht in Originalgröße, und ihre Ausarbeitung ließ meist zu wünschen übrig. So blieb modische und interessante Kleidung ein Privileg derjenigen, die es sich leisten konnten, regelmäßig die Dienste eines erstklassigen Ateliers in Anspruch zu nehmen, oder die es verstanden, selbst zu nähen.

Eine deutsche Zeitschrift in Moskau

Die westdeutsche Zeitschrift Burda Moden verfügte über eine langjährige Erfahrung in der Live-Kommunikation mit der Zielgruppe. Sie wurde 1950 unter der Leitung von Aenne Burda in Deutschland, Österreich und der Schweiz eingeführt. Sie zeigte nicht nur Kleidungsentwürfe, sondern gab detaillierte Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Und die Ergebnisse ließen sich wirklich sehen, dank perfekt erstellter Muster in Originalgröße und für alle Konfessionsgrößen.

1986 unterzeichneten der Verlag Aenne Burda und Wneschtorisdatkom eine Vereinbarung – die Zeitschrift sollte in der Sowjetunion ins Russische übersetzt und in Deutschland gedruckt werden. 100.000 Exemplare wurden nach Moskau gebracht, zusammen mit der Ausrüstung für eine Modenschau und den Kleidern für die Präsentation des Magazins. Diese fand am 3. März 1987 in der Säulenhalle des Hauses der Gewerkschaften statt – ein Datum, das speziell gewählt wurde, um den sowjetischen Frauen zum 8. März, dem Internationalen Frauentag, zu gratulieren.

Die Zeitschrift wurde schnell zur Mangelware: Frauen verabredeten sich mit den Kioskverkäufern, um das begehrte Objekt rechtzeitig kaufen zu können, andere liehen sie sich bei Freunden oder in der Bibliothek aus.

Titelseite der ersten Ausgabe der westdeutschen Zeitschrift „Burda Moden“ auf Russisch.

Wie sich die sowjetischen Frauen in die Zeitschrift verliebten

Eine farbenfrohe Publikation mit bunten Fotos von attraktiv gekleideten Frauen in stilvoller Freizeitkleidung war für eine sowjetische Frau eine Art Ausweg aus der Welt der Mangelwirtschaft. Obwohl das Nähen eines Modells aus der Zeitschrift oft kein großes Geschick erforderte, war es so spektakulär, dass es von außen wie ein komplizierter Schnitt aussah. „Ich hatte einen Lieblings-Laternenrock aus schwerer, dicker, dunkelgrüner Seide und überlege mir sogar, ihn noch einmal zu nähen. Die Falten gingen von der Taille aus und liefen unten etwas zusammen. Es sah wunderschön aus, aber war ganz simpel – es gab nur zwei Nähte!“, erinnert sich Marina, die die Zeitschrift in den späten 1980er Jahren las.

Sowjetische Frauen mit der ersten Ausgabe der westdeutschen Zeitschrift „Burda Moden“ auf Russisch.

Trotz des Mangels an ansprechender Konfektionsware konnte man in der UdSSR hochwertige und vielseitige Stoffe kaufen. Allerdings mussten sie manchmal modifiziert werden. So wurde beispielsweise mit einer steifen Bürste und dem Bleichmittel Belisná ein Stonewashed-Effekt erzielt.

Eine Modenschau für die Frühjahr-Sommer-Saison der Zeitschrift „Burda Moden“ im Hotel „Orjonok“ .

Die Publikation führte die Leserinnen in eine Lebensweise ein, die sich grundlegend von ihrer eigenen unterschied, so dass Burda Moden auch bei denjenigen beliebt wurde, die nicht nähen oder die Dienstleistungen eines Ateliers in Anspruch nehmen wollten – sie schauten sich die Zeitschrift nur an, um ein Stück der westlichen Welt zu erhaschen. Schon bald begann diese Welt in den sowjetischen Alltag einzudringen: „Ich arbeitete in einem Atelier: Die Kunden kamen oft mit einer Ausgabe der Zeitschrift und zeigten ein Modell, das ihnen gefiel, um es nachnähen zu lassen und manchmal ein wenig zu verändern. Irgendwann fingen wir an, die Zeitschrift nur noch als Katalog zu benutzen – wir behielten sie auf der Arbeit. Auch begannen alle, Haarschnitte und Frisuren zu kopieren, besonders beliebt war der Prinzessin-Diana-Haarschnitt. Man ging mit der Zeitschrift direkt zum Friseur und zeigte, was man haben wollte“, erinnert sich Aljona, eine Schneiderin und Leserin der Zeitschrift.

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