Die Sowjetunion unterhielt aktive Handelsbeziehungen mit anderen sozialistischen Ländern. Nach Angaben des Staatlichen Komitees für Statistik der UdSSR entfielen zwischen 1946 und 1989 zwischen 52,7 und 83,1 Prozent des Außenhandelsumsatzes des Staatenbundes auf den sozialistischen Block. Moskaus wichtigster Partner war die DDR.
Importierte Waren wurden in den „Berjoska“-Läden verkauft, die in den frühen 1960er Jahren entstanden. Sie sollten die Sowjetunion mit Devisen versorgen und waren daher für Ausländer bestimmt, die ins Land kamen. Hier waren Artikel von höherer Qualität als in den üblichen Geschäften erhältlich, was die Geschäfte zu „Aushängeschildern“ des Landes machten. Sie wurden entweder im Ausland oder für den Export produziert.
„Berjoska“-Läden in Sotschi.
Ponkin/SputnikSowjetbürger, die im Ausland arbeiteten - Diplomaten, Militäroffiziere und Journalisten - hatten offiziellen Zugang zu diesem Sortiment. So schaffte die Regierung einen Anreiz, das Geld nicht auf Geschäftsreisen auszugeben, sondern es mit nach Hause zu nehmen. In Geschäften mit einem solchen Kontingent wurde der Handel nicht mit dem Geld selbst, sondern mit speziellen Gutscheinen und Schecks abgewickelt, die zu einer eigenen Ware auf dem Schwarzmarkt wurden. Spekulanten kauften sie auf und verkauften sie zu einem höheren Preis weiter.
„Berjoska“-Läden in Leningrad
Boris Losin/SputnikÄhnlich zirkulierten Waren – Geräte, Kleidung und anderen Dinge – die in „Berjoska“-Geschäften gekauft wurden. Sie landeten, für den Weiterverkauf bestimmt, in Kommissionsgeschäften. Deren Regale wurden auch von den wenigen Personen gefüllt, die es geschafft hatten, ins Ausland zu reisen: den einen passte die in Eile im Zug erworbene Ware nicht, andere kauften speziell für den Wiederverkauf zu Hause. Man musste Beziehungen zu Händlern haben, um importierte Waren aus den Kommissionsgeschäften kaufen zu können. Es war auch von Vorteil, die Zwischenhändler selbst zu kennen - es war nicht unüblich, dass sie ihre Waren ohne Vermittler verkauften.
Geschäft „Leipzig“ in Moskau
В. Chomenko/SputnikEin normaler Sowjetbürger konnte sein Glück auch im Geschäft „Leipzig“ in Moskau versuchen, einer Filiale des größten Kaufhauses des Landes „GUM“. Hier wurden vor allem ostdeutsche Waren verkauft, während in vergleichbaren Geschäften wie dem polnische „Wanda“, dem bulgarischen „Sofia“, dem jugoslawischen „Jadran“ und dem ungarischen „Budapest“ - Waren aus anderen sozialistischen Ländern angeboten wurden. Die Leute erfuhren oft durch ihre Freunde von der Lieferung bestimmter Waren aus anderen Ländern und versuchten, am Tag des Verkaufs früh vor Ort zu sein, um Warteschlangen zu vermeiden.
Eine besondere Attraktion für die Besucher des „Leipzig“ war eine hinter Glas fahrende Modelleisenbahn, um die sich pünktlich zum Start des Zuges Scharen von Kindern und Erwachsenen versammelten. Das Modell bestand aus Bauteilen der Firma PIKO. Einen Zug dieses Herstellers zu besitzen, war der Traum vieler sowjetischer Kinder. Die Glücklichsten von ihnen stellten sich ganze Bausätze von Gleisen, Weichen, Schranken, Semaphoren, Bahnhöfen, Brücken, Häusern, Tunneln und sogar dem umliegenden Gelände zusammen.
Die leitende Verkäuferin Anna Kasatkina in der Spielzeugabteilung des Geschäfts „Leipzig“ in Moskau.
Viktor Khomenko/SputnikEinen wahren Schatz für Mädchen stellten deutsche Puppen dar, die sich in Aussehen, Material und Ausdrucksmöglichkeiten von sowjetischen Puppen unterschieden. In einigen Familien, die es sich leisten konnten, eine Puppe zu kaufen, war es nicht üblich, sie mit nach draußen zu nehmen oder gar aktiv mit ihr zu spielen; es genügte, sie aus dem Schrank zu holen und sie zu bewundern.
Swetlana Bresgina, Verkäuferin in der Musikalienabteilung des Moskauer Geschäfts „Leipzig“ , demonstriert Musikinstrumente aus der DDR.
Nikolai Malyschew /TASSDie Liste der Spielzeuge, die sowjetischen Kindern aus der DDR zur Verfügung standen, umfasste auch den Grossblock-Baukasten, Gummifiguren von Indianern und Cowboys und eine Vielzahl von detailgetreuen Fahrzeugen – Traktoren, Gabelstapler, Feuerwehr- und Polizeiautos, Müll- und Benzinfahrzeuge, Kipplaster, Lastwagen, Krankenwagen und U-Boote. Einige davon bildeten DDR-Fahrzeuge nach, wie die der Volkspolizei, andere sowjetische Modelle, etwa den GAZ-21 Wolga. Manche waren mit einer Fernsteuerung ausgestattet, andere waren Aufziehautos, die sich durch Zurückrollen aufluden und, wenn man sie los ließ, nach vorne abgingen.
Die Erwachsenen kauften im „Leipzig“ Kleidung: Strümpfe und Strumpfhosen, Ledersandalen, Handschuhe und Taschen, Schuhe und andere Dinge. Das Geschäft war unter anderem für seine schönen Damenunterwäsche, insbesondere für Dessous, bekannt. Nach den Erinnerungen einiger Zeitgenossen gingen die einheimischen Mädchen, als sie zum ersten Mal auf dem sowjetischen Markt auftauchten, mit dieser kostbaren Unterwäsche, die sie mit Kleidern verwechselten, auf die Straße. Auch Kosmetika wurden aus der DDR importiert: einige der ersten Deodorants aus der Sowjetunion, „Odorex“, und später „Neschnij“, „Terpkij“ und „Sweschij“ der Marke „Florena“, Rasierschäume, Seifen desselben Herstellers, Cremes und Parfums.
Ein „Madonna“-Service zu besitzen verschaffte sowjetischen Familien ein besonderes Prestige. Obwohl die Sowjetunion ihr eigenes Porzellan herstellte, waren die Produkte aus den DDR-Fabriken hoch angesehen - nicht nur wegen ihrer Qualität, sondern auch wegen der für die Menschen in der Sowjetunion ungewöhnlich reichen Verzierung. Weibliche Figuren, leicht bekleidet in luftigen Stoffen und üppige Vergoldungen unterschieden die Services der deutschen Firma Kahla von denen der Sowjetunion. Übrigens wurden sie in der UdSSR „Madonna“ genannt, während sie in ihrer Heimat andere Namen hatten. Solche Tee- und Kaffeegarnituren wurden sorgfältig aufbewahrt und nur zu besonderen Anlässen verwendet, ansonsten schmückten sie die Regale ihrer Schränke. Auch die Möbel in nobleren Haushalten konnten in der DDR hergestellt werden: Die Anrichte „Helga“ war ein echter Hit.
Einige Musikliebhaber bewahrten auch ein Stück Ostdeutschland in ihren Wohnungen auf. Nicht nur Mixer und sonstige Küchengeräte, sondern auch Tonbandgeräte wurden in der DDR produziert. Es fanden sich dort vereinzelt auch westdeutsche Waren. Das deutsche „Grundig“ des bayerischen Radiowerkes ging sogar in den sowjetischen Film ein: Eine der Figuren in dem Film „Vorsicht vor dem Auto“ (Beregis awtomobilja) aus dem Jahr 1966 verkauft eines in einem Kommissionsgeschäft. Auch Musikinstrumente wurden in Ostdeutschland hergestellt, besonders bekannt wareb die „Musima“-Gitarren. Man schmückte sie gerne mit Abziehbildern, ebenfalls mit DDR-Motiven wie Fahnen, Technik und deutschen Schönheiten - Schauspielern, Sängern und Moderatoren.
Sergej/avito.ru
https://www.avito.ru/moskva/tovary_dlya_detey_i_igrushki/myagkaya_igrushka_obezyana_sonni_gdr_2434073446Das Interesse an diesen Gegenständen ist bis heute ungebrochen: Auf russischen Marktplätzen werden Anzeigen für DDR-Schränke, Postkarten, Aufkleber, Kosmetika und sogar Kleidung veröffentlicht, während Sammler und Retro-Liebhaber nach wie vor auf der Suche nach Spielzeug, Porzellangeschirr und Statuetten aus jener Zeit sind.
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