Von Peter dem Großen bis Alexander II.: Wer waren die Freunde der russischen Zaren? (TEIL 1)

Russia Beyond (Photo: Legion Media, Public Domain)
Zu ihnen gehörten ein berühmter Schriftsteller und eine Adelige, ein großer Pädagoge und ein einfacher Drechsler. Sie waren keine „offiziellen“, sondern wahre Freunde der russischen Machthaber.

Bei Iwan dem Schrecklichen (1530-1584) war es sehr einfach, sein persönlicher Feind zu werden. Aber ein persönlicher Freund des Zaren zu werden, war zu dieser Zeit unmöglich. In vorpetrinischen Zeiten herrschte am russischen Hof die Mestnítschestwo, die Amtsbesetzung nach Geburtsrecht – je wichtiger ein Mann im Staat war, desto näher war er (im wahrsten Sinne des Wortes) dem Zaren: Er saß in seiner Nähe auf Festen, begleitete ihn auf der Jagd, ging mit ihm zusammen in die Banja. Damals konnte sich der russische Zar seine Freunde nicht frei aussuchen und musste sich notgedrungen mit Mitgliedern der vornehmsten Familien „anfreunden“.

Diese und viele andere Regeln lehnte Peter ab. Er freundete sich in seiner Jugend mit Ausländern aus dem Deutschen Viertel in Moskau an. Es fiel ihm in jedem Alter leicht, Freundschaften unabhängig vom Rang zu schließen – solange bei dem anderen Worte und Taten übereinstimmten.

Andrej Nartow (1693-1756), Freund von Peter dem Großen

Porträt von A. K. Nartov, 18. Jahrhundert, von Iwan Nikitin.

Als Dreher des Zaren, wie er genannt wurde, hatte Nartow Peter nichts zu verdanken, im Gegenteil. Nartow war ein hervorragender Mechaniker, Erfinder einer Drehbank und natürlich ein Virtuose des Drehens. Es war also Zar Peter, der von Nartow, der aus dem „einfachen Volk“ stammte, etwas lernte. 

Bereits im Alter von 15 Jahren lernte er an der vom Zaren gegründeten Moskauer Schule für mathematische und nautische Wissenschaften das Drehen. Als der Zar von Nartows Talent erfuhr, schickte er ihn 1718 zum Studium nach Europa und ernannte ihn nach seiner Rückkehr zum Leiter der Dreherei des Zaren.

Der Drehbank von Nartow.

Es handelte sich um eine Werkstatt, für die der Zar die neuesten Maschinen aus Europa kaufte und Nartow mit deren Erprobung beauftragte. Die Dreherei in Peters Palast befand sich in der Nähe der Zarengemächer, da sich Peter gerne bei der Arbeit an der Drehbank entspannte.

Nach Peters Tod wurde Andrej Nartow, der nicht für seine eleganten Umgangsformen bekannt war, vom Hof entlassen, arbeitete aber weiter als Artillerieingenieur. Kurz vor seinem Tod wurde er in den Rang eines Staatsrats befördert. Er starb 1756 in St. Petersburg.

Mawra Schuwalowa (1708 - 1759), eine Freundin von Elisabeth Petrowna

Mawra jegorowna Schuwalova, Ende der 1750er Jahre, Alexej Antropow.

Die Geschichte von Mawra Schuwalowa ist ein klassisches Beispiel dafür, wie ein ehemals unbedeutendes Dienstmädchen am Hofe der Großherzogin an Einfluss gewinnt und buchstäblich über ihr eigenes Geschick bestimmt. Als zehnjähriges Mädchen wurde Mawra Schepeljówa Hoffräulein von Anna Petrowna, der Tochter von Peter I. Mawra gehörte zur alten Bojarenfamilie Schepeljów, stammte aber aus einem verarmten Zweig. Ein entfernter Verwandter, General Dmitrij Schepeljów, „vermittelte“ sie an den Hof der Zarentochter.

Im Jahr 1720 heiratete Anna den Herzog Karl-Friedrich von Holstein-Gottorp, ihr Sohn wurde Zar Peter III. Mawra, die der jungen Zarentochter diente, ging 1727 mit ihr und dem Herzog in die holsteinische Stadt Kiel, wo sie die Mätresse des Herzogs wurde. „Der Herzog und Mawruschka sind endgültig in Ungnade gefallen. Er verbringt keinen einzigen Tag zu Hause, fährt mit ihr ganz offen in einer Kutsche durch die Stadt, macht mit ihr gemeinsame Besuche und geht ins Theater“, beklagte sich Annas Schwester Elisabeth Petrowna.

Elisabeth Petrowna nahm nach dem Tod ihrer Schwester im Jahr 1728 Schepeljówa als Hofdame zu sich. Mawra kehrte nach Russland zurück und wurde die beste Freundin von Elisabeth, der zukünftigen Zarin. Sie lebte mit ihr in Moskau, auf dem Landgut Pokrowskoje-Rubzowo, und war berühmt für ihre Fähigkeit, Elisabeth mit bissigen Späßen zu unterhalten. Sie liebte es, zu schlemmen und Karten zu spielen. 1738 heiratete sie den Kammeroffizier Pjotr Schuwalow, der 1741 am Staatsstreich teilnahm und Elisabeth inthronisierte.

Mawras Ehemann wurde ein Ritter aller höchsten Orden und einer der wichtigsten Würdenträger des Reiches. Der Cousin ihres Mannes, Iwan Schuwalow, Gründer der Moskauer Universität, wurde zum Liebhaber der Zarin. Und General Dmitrij Schepeljów, der Mawra einst als Hoffräulein vermittelt hatte, wurde ein wichtiger Beamter am Hofe und bekam den Andreas-Orden verliehen. 

Schuwalowa war hochmütig gegenüber Fremden und verfolgte ihre Feinde, wobei sie ihre Beziehungen ausnutzte. Ihr ist es jedoch zu verdanken, dass die Familie Schuwalow seit der elisabethanischen Zeit zu den ersten Familien des Reiches gehörte.

Katharina Daschkowa (1743-1810), Freundin von Katharina der Großen

Porträt der Fürstin Katharina Daschkowa, 1784, von Dmitri Lewizki.

Die Freundschaft zwischen der Großfürstin Katharina Alexejewna (den Namen hatte Sophia Augusta Frederika Anhalt-Zerbst nach ihrer Konvertierung zum orthodoxen Glauben erhalten) und der Fürstin Katharina Woronzowa (Daschkowa) begann auf seltsame Weise: Daschkowas Schwester Elisabeth war die Geliebte von Peter III., dem Ehemann der späteren Zarin Katharina II. Er verbrachte fast seine gesamte Zeit mit ihr und ignorierte seine Frau. Während des Palastumsturzes stellte sich Katharina Daschkowa auf die Seite Katharinas, da sie offenbar erkannte, dass die rebellische Frau des Zaren als Siegerin aus der Intrige hervorgehen würde. 

Neunzehn Jahre alt, sehr selbstbewusst, in einer Offiziersuniform, spürte Katharina Daschkowa, dass sie sich auf der Bühne eines historischen Moments befand. Sie konnte es sich leisten, in eine Senatssitzung zu platzen und der inzwischen gekrönten Zarin etwas ins Ohr zu flüstern. Wahrscheinlich war diese Art der Beziehung der Grund für das Zerwürfnis zwischen den beiden Frauen. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1764 zog sich Daschkowa vom Hofleben zurück. Im Jahr 1769 unternahm sie eine Europareise, während der sie als Freundin der russischen Zarin empfangen wurde und Voltaire, Diderot, Adam Smith und Benjamin Franklin traf.

Als Daschkowa 1782 nach Russland zurückkehrte, normalisierte sich ihre Beziehung zu Katharina wieder. Die Zarin ernannte Daschkowa zur Direktorin der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften und gründete bald darauf die Kaiserliche Russische Akademie, die sich mit der russischen Sprache befassen sollte. Das Ergebnis ihrer Arbeit war das sechsbändige Wörterbuch der Russischen Akademie

Die letzten Jahre ihres Lebens widmete Daschkowa der Bildung. Auf ihre Initiative hin begann man, die wichtigsten Werke der Weltliteratur ins Russische zu übersetzen. So wurde Daschkowa zu einer der großen Figuren der russischen Aufklärung.   

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