Oleg Weschtschij (der Weise)
Wie Fürst Oleg, der Nachfolger von Rurik, seinem Beinamen erhielt, wird in der Geschichte vergangener Jahre (dt.: Nestorchronik), einem der ersten historischen Manuskripte über die Ereignisse in Russland zu dieser Zeit, beschrieben.
Im Jahr 907 beschloss Oleg, in den Krieg zu ziehen und die Hauptstadt von Byzanz, Konstantinopel, einzunehmen (in den Annalen wird die Stadt Zargrad genannt). Die Griechen, die von der Invasion wussten, blockierten die Bucht, durch die die Schiffe der russischen Armee in die Stadt fahren konnten. Da befahl Oleg, die Boote an Land zu ziehen und sie auf Räder zu stellen – diese Methode, Schiffe an Land zu bewegen, war nicht ungewöhnlich, sie wurde oft angewendet. Aber als der Wind wehte, die Segel gefüllt wurden und die Schiffe sich wie Belagerungstürme auf Konstantinopel zubewegten, erschraken die Griechen und öffneten die Stadttore. Den Südländern mag ein solcher Anblick wie ein Wunder vorgekommen sein.
Dennoch hofften die Griechen immer noch, den Fürsten durch eine List zu besiegen. Sie brachten vergiftetes Essen und vergifteten Wein, doch Oleg lehnte dies ab. Infolgedessen zwang der Fürst Konstantinopel, Tribut an viele große Städte Russlands zu zahlen, und er selbst erhielt den Beinamen Weschtschij.
Im modernen Russisch bedeutet dieses Wort prophetisch, aber im Altrussischen bedeutete es weise – Fürst Oleg wurde also nicht wirklich als Prophet angesehen.
Jaroslaw Mudryj (der Weise)
Dieser Herrscher der Kiewer Rus erhielt den Beinamen der Weise aufgrund der Ergebnisse seiner Herrschaft. Außerdem wurde er ihm nicht zu seinen Lebzeiten zuerkannt, sondern erst mehrere Jahrhunderte später: Der Beiname ist erst in den 1860er Jahren in der russischen Geschichtsschreibung nachzuweisen.
Unter Jaroslaw begann sich beispielsweise die Kultur zu verbreiten, man begann die Bildung zu schätzen und die Bevölkerung des Landes nahm erheblich zu. Er verfasste auch das erste bekannte Gesetzbuch, die Russkaja Prawda (dt.: Russische Wahrheit), die die Grundlage der russischen Gesetzgebung bis zum 16. Jahrhundert bildete.
Darüber hinaus war er ein ausgezeichneter Diplomat und konnte freundschaftliche Beziehungen zu Schweden, Byzanz, dem Heiligen Römischen Reich und anderen europäischen Ländern aufbauen.
Wsewolod Bolschóje Gnesdó (Großes Nest)
Der Sohn von Jurij Dolgorukij regierte im frühen 12. Jahrhundert in Russland. Er förderte die Verbreitung des orthodoxen Glaubens durch den Bau von Kirchen und Tempeln und entwickelte auch die Steinarchitektur weiter.
Seinen Beinamen erhielt er jedoch nicht deshalb, sondern aufgrund seiner eigenen Methode, die Macht im Land zu verteilen – in bestimmten Regionen setzte er oft einen seiner (nahen oder entfernten) Verwandten an die Spitze, von denen es viele gab. Wsewolod hatte zwölf Kinder, von denen acht Söhne.
Iwan Grósnij (Schreckliche)
Einer der Gründe, warum der erste russische Zar den Beinamen Grósnij (dt. wörtlich: der Strenge) erhielt, waren seine Charakterzüge: Grausamkeit und Rachsucht. Öffentliche Hinrichtungen, die ersten Massenverfolgungen, Folterungen in Gefängnissen – sie alle waren Begleiter seiner Herrschaft. Besonders wichtig war dabei die Schaffung der auf Selbstverwaltungseinheiten basierenden Semschtschina, in der die Macht der Bojaren erhalten blieb und der Oprítschnina, die Iwan mithilfe seiner persönlichen Garde, den Opritschniki, regierte. Letztere waren für ihre extreme Grausamkeit bekannt.
Nur nannte ihn zu Iwans Lebzeiten niemand der Schreckliche. Und die Norm für Grausamkeit war im Mittelalter eine andere als heute. Im 16. Jahrhundert war er einfach Iwan Wassiljewitsch und der Beiname der Schreckliche wurde ihm erst später gegeben.
Alexej Michajlowitsch Tischajschij (der Sanftmütigste)
Zar Alexej Michajlowitsch blieb den Menschen mit dem Beinamen der Sanftmütigste in Erinnerung. Viele Historiker fragen sich, warum das so ist, denn die Zeiten, in denen er regierte, waren nicht gerade die ruhigsten.
Er bestieg den Thron nach der Zeit der Wirren, einer Periode der russischen Geschichte, die durch den Machtanspruch von Scheinherrschern, die Invasion ausländischer Mächte und eine schwere Krise der Staatlichkeit gekennzeichnet war. Er war für die Beseitigung der Folgen der Wirren verantwortlich, indem er die Sobórnoje Uloschénije verabschiedete, die zur neuen Grundlage des russischen Rechts wurde; sie ersetzte das alte Gesetzbuch, die Russkaja Prawda, die im 10. Jahrhundert von Jaroslaw dem Weisen geschaffen worden war.
Trotz seiner Bemühungen, Krisen zu korrigieren, hatten einige seiner Entscheidungen den gegenteiligen Effekt. Während seiner Regierungszeit kam es zu zwei großen Aufständen, dem Salz- und dem Kupfer-Aufstand, sowie zu einem Aufruhr, der durch übermäßigen feudalen Druck auf das Volk verursacht wurde, insbesondere durch die endlose Suche nach flüchtigen Bauern. Dennoch liebte das Volk den Zaren, weil er einen großen Teil seines Lebens dem Gebet, dem Fasten und dem Besuch von Heiligtümern widmete, wofür er den Beinamen der Sanftmütigste, d. h. im christlichen Verständnis der Demütigste, erhielt.
Peter I. Welikij (der Große)
Der Kaiser erhielt seinen Beinamen noch zu Lebzeiten. Obwohl viele Zeitgenossen des Zaren den Ergebnissen seiner Arbeit kritisch gegenüberstanden, konnten selbst sie nicht leugnen, wie sehr die Reformen Peters I. die weitere Entwicklung des Landes beeinflussten.
Viele kennen den Ausspruch, Peter habe „ein Fenster nach Europa aufgestoßen“, der allgemein die gesamte Tätigkeit des Zaren beschreibt. Er versuchte vor allem, die seiner Meinung nach überholte Lebensweise abzuschaffen und das Volk an die säkulare, europäisierte Kultur heranzuführen. Unter ihm wurden die ersten weltlichen Bildungseinrichtungen eröffnet, die erste gedruckte Zeitung gegründet und viele ausländische Bücher zum ersten Mal ins Russische übersetzt. Dank ihm wurde Russland zu einer militärischen Supermacht.
Katharina II. Welikaja (die Große)
Auch sie erhielt schon zu Lebzeiten diesen Beinamen. Die Zeit ihrer Herrschaft wird von vielen Historikern als das goldene Zeitalter des russischen Adels bezeichnet. Sie befreite die Adligen vom Militärdienst und von der Zahlung von Steuern und erlaubte ihnen auch, unternehmerisch tätig zu sein. Die Bauern hatten unter ihrer Herrschaft weniger Glück: Sie konnten sich nicht einmal mehr über ihre Herren beschweren.
Aber es waren schließlich nicht die Bauern, die sie als groß bezeichneten. Darüber hinaus hat sie sich eine lange Liste von Verdiensten erworben: von der Popularisierung der Schulbildung über die Gründung der Sammlung der Eremitage bis hin zur Bekämpfung der Pocken.
Zum ersten Mal wurde Katharina 1767 als die Große bezeichnet, und zwar von der von ihr einberufenen Ulóschennaja komissija. Diese Gesetzbuch-Kommission hatte die Aufgabe, die Gesetze des Landes zu systematisieren, aber mehrere ihrer ersten Sitzungen waren der Frage gewidmet, welchen Titel man der Kaiserin als Dank für die Initiative zur Schaffung der Organisation verleihen sollte.
Es gab mehrere Möglichkeiten. Der Titel die Große gefiel Katharina nicht. Sie war der Meinung, dass die Bedeutung ihrer Taten von ihren Nachkommen bestimmt werden sollte. Die Kaiserin willigte ein, den Titel Matj Otjétschestwa (dt.: Mutter des Vaterlandes) anzunehmen, aber ihre Untertanen und Vertrauten nannten sie trotzdem weiterhin die Große.
Alexander I. Blagoslowjénnyj (der Gesegnete)
Es gab viele Taten, für die Alexander I. als Gesegneter bezeichnet werden konnte. Zum Beispiel für seine Reformen, die die Lage der Bauern erheblich verbesserten. Aber der Sieg über Napoleon im Jahr 1812 stärkte seine Autorität wohl am meisten.
Zu diesem Zeitpunkt erlangte das Russische Reich den Status einer allmächtigen Staatsmacht auf der internationalen Bühne und wurde zu dem Land, das den Frieden in Europa wiederherstellen konnte. Zwei Jahre nach dem Ende des Krieges verlieh der Senat Alexander I. offiziell den Titel Gesegneter, großmütiger Wiederhersteller der Macht.
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