Schrecklich, blutig und groß: Die Beinamen der russischen Zaren

Paul Delaroche/Kunsthalle Hamburg; Earnest Lipgart; Fjodor Rokotow/Tretjakow-Galerie
Diese Beinamen erhielten fünf russische Zaren noch zu Lebzeiten.

1. Iwan: der Schreckliche  

Grosny heißt „der Schreckliche“ oder im Altrussischen auch „der Starke, der Bedrohliche“. Im 15./16. Jahrhundert hatte dieser Beiname keine negative Konnotation

Großfürst Iwan III. von Moskau (1440-1505), Gründer des Moskauer Staates und Großvater Iwan des Schrecklichen, war der erste Herrscher, der in Russland Iwan der Schreckliche genannt wurde. Mit der Zeit wurde sein Beiname „der Große“. Iwan Wassiljewitsch IV. von Moskau, der erste russische Zar (1530-1584), wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wahrscheinlich noch zu Lebzeiten, in russischen Volksliedern als „Iwan der Schreckliche“ besungen (rus).

Iwan Wassiljewitsch erhielt seinen berühmten Beinamen, da dieser seine außergewöhnliche Macht als Herrscher nach seinen Eroberungen des Kasaner Khanats und des Khanats von Astrachan betonte. Beide Khanate waren muslimische Grenzstaaten und stellten eine Bedrohung für Russland dar. 

Erst später in der russischen Geschichte wurde sein Spitzname mit seiner angeblichen Grausamkeit in Verbindung gebracht.

2. Peter und Katharina: die Großen 

Zar Peter (1672-1725) wurde am 22. Oktober 1721 der erste russische Kaiser, nachdem er den Großen Nordischen Krieg über Schweden überlegen gewonnen hatte. Der Regierungssenat und die Allerheiligste Synode ernannten Peter feierlich nach römischem Vorbild zum Kaiser und verliehen ihm den Beinamen „der Große“. 

Dies war auch die Geburtsstunde des Russischen Reichs. 

Katharina II. (1729-1796) wurde der Titel „die Große“ von der 1767 einberufenen Gesetzgebenden Kommission verliehen, die ein neues Gesetzbuch anstelle des seit dem 17. Jahrhundert bestehenden entwerfen sollte. Dieses Ziel wurde nicht erreicht und die Kommission etwa ein Jahr später aufgelöst. 

Katharina gefiel ihr Beiname, denn er erinnerte sie an Peter den Großen, dessen Regierungsstil sie nach eigenen Angaben nacheifern wollte. 

Als sie von der gesetzgebenden Kommission damals den Titel erhielt, schrieb sie jedoch: „Lassen Sie die Zeit und die Nachwelt meine Taten unparteiisch beurteilen.“ 

3. Alexander II.: der Befreier 

Die Befreiung der Leibeigenen in Russland, die 1861 während der Regierungszeit von Alexander II. (1818-1881) stattfand, war keine sehr populäre und wirksame Reform. Sie führte dazu, dass die Bauern verarmten und es kam häufig zu Unruhen. Ende der 1870er Jahre gab es zahllose Proteste und sogar Terrorakte im ganzen Land. 

In den Jahren 1877-1878 kämpfte Russland gegen das Osmanische Reich mit dem Ziel, die unterdrückten Völker der Balkanstaaten (Bulgarien, Rumänien, Serbien und Montenegro) zu befreien. Russland hat überlegen gewonnen. 

Nach dem Vertrag von Berlin (1878), der das Kriegsende markierte und den die europäischen Großmächte unterzeichneten, wurden Montenegro, Serbien und Rumänien sowie teilweise Bulgarien unabhängig vom Osmanischen Reich. Die Osmanen wurden aus Europa vertrieben. 

Auf dem Balkan wurde Alexander II. von Russland damals als Befreier gefeiert und der Titel verbreitete sich auch im Russischen Reich.

Drei Jahre später fiel Alexander II. einem Terroranschlag zum Opfer, weil er mit seiner Innenpolitik weniger erfolgreich war. 

4. Alexander III.: der Friedensstifter 

Der Sohn von Alexander II., Alexander III. (1845-1894), bestieg den Thron nach einem der katastrophalsten Ereignisse in der Geschichte der Romanow-Dynastie. Sein Vater wurde von Terroristen in die Luft gesprengt. 

Alexander verfolgte innenpolitisch eine harte Linie und setzte auf restriktive Maßnahmen, um der Unruhen im Land Herr zu werden, Aufstände zu kontrollieren und auch gewaltsam zu unterdrücken. 

In der Außenpolitik machte Alexander Schluss mit der Praxis geheimer bilateraler Verträge mit europäischen Staaten, da diese häufig zu internationalen Konflikten führten. 

Alexander III. rettete durch seine besonnene Außenpolitik das Leben vieler Russen, die nicht auf dem Schlachtfeld geopfert wurden. In den letzten Jahren seiner Regierungszeit wurde ihm der Beiname „Friedensstifter“ verliehen. 

5. Nikolaus II.: der Blutige  

Der Krönung von Nikolaus II. (1868-1918) in Moskau im Mai 1896 sollte eine Veranstaltung für die Massen auf dem Chodynkafeld folgen. Tausende versammelten sich dort, zu viele Menschen. Es kam zu einer, durch schlechte Organisation, verursachten Massenpanik, als Geschenke verteilt wurden, bei der 1389 Menschen ihr Leben verloren. 

Dieses düstere Ereignis markierte den Beginn der Regierungszeit des letzten Zaren, aber Nikolaus erhielt seinen Beinamen Krowawy („der Blutige“) nicht deshalb. Die Revolution von 1905 in Russland begann wenige Jahre nach dem Blutsonntag, am 9. Januar 1905, als friedliche Demonstranten von den Soldaten der kaiserlichen Garde beschossen und Dutzende getötet wurden

Wladimir Lenin nannte Nikolaus unmittelbar danach 1905 in seinen Artikeln in der revolutionären russischen Presse (im Ausland veröffentlicht) und in seinen Agitationsbroschüren den „Blutigen“. Nach der Revolution bezeichneten ihn sogar seine Anhänger so. 

Nikolaus stärkte das Regime weiter und gab den lokalen Behörden und Richtern mehr absolute Macht, was zu einer großen Anzahl völlig rechtswidriger und von der Regierung voreingenommener Gerichtsverfahren führte.

Im Dezember 1910 bezeichnete auch Wladimir Purischkewitsch, ein ultrarechter pro-monarchistischer Politiker, in seiner Rede vor der Staatsduma Nikolaus II. als „der Blutige“. Vorausgegangen war die gewaltsame Niederschlagung eines Studentenaufstands an der Universität St. Petersburg.

Am nächsten Tag wurden die Zeitungen, die Purischkewitsch zitierten, beschlagnahmt, doch durch die Presse verbreitete sich dieser Name dennoch weiter und erreichte ein viel breiteres Publikum als Lenin mit seinen Artikeln. Ab 1910 wurde „der Blutige“ zum Beinamen von Nikolaus II., den seine ärgsten Gegner nutzten.  

>>> Vom Fürsten zum Präsidenten: Die Titel russischer Herrscher

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