In der russischen Literatur begegnen uns häufig Spucknäpfe. Dieses Accessoire stand im 19. Jahrhundert in nahezu jedem Gemach. Sie dienten nicht nur dazu, den Kautabak auszuspucken. Tabak kauen war damals weit verbreitet.
Spucknäpfe
RospotrebnadzorIm Salon der Kaiserin Maria Alexandrowna standen bis zu vier Spucknäpfe. Die Kaiserin hatte an Typhus gelitten und wurde zudem von Tuberkulose geplagt. Die Schwindsucht machte auch vor den kaiserlichen Palästen nicht halt. Die Menschen im 18. und 19. Jahrhundert wussten noch zu wenig über Bakterien und wie man sich vor einer Ansteckung schützen konnte. Die Spucknäpfe waren daher eine mögliche Infektionsquelle, ebenso wurde die Tuberkulose von Besuchern im Palast übertragen.
Es war eine der am weitesten verbreiteten Infektionskrankheiten der damaligen Zeit. Laut Professor Igor Simin wurde der zukünftige Kaiser Nikolaus I. (1796-1855), damals noch Großherzog Nikolaus Pawlowitsch, 1822 vom Arzt des Generals Wassili Perowski untersucht. Während der Untersuchung hustete der Arzt Blut.
Anschließend suchte der Großherzog, der sich stets um die Gesundheit seiner Lieben sorgte, unbeschwert die Gemächer seiner Frau auf. Vermutlich war er noch zu jung, um sich der Gefahr bewusst zu sein. Später, 1831, während einer Cholera-Epidemie, verhielt sich Nikolaus, inzwischen Kaiser, sehr viel umsichtiger.
Katharina I. (1684-1727) starb im Alter von 43 Jahren an Tuberkulose. Sie zeigte schon einige Jahre vor ihrem Tod Symptome wie Atemnot, Fieber und Schmerzen in der Brust. Im April 1727 verstärkte sich ihr Fieber und am 5. Mai begann die Kaiserin, mit Eiter vermischtes Blut zu husten. Sie starb am Abend des folgenden Tages.
Katharina I.
Jean-Marc Nattier/Eremitage-MuseumAndere Mitglieder der kaiserlichen Familie fielen ebenfalls der Tuberkulose zum Opfer: zum Beispiel die Schwester von Kaiser Peter II., Natalja (1714-1728), sowie kaiserliche Granden wie Alexander Menschikow (1673-1729). Kaiserin Elizabeth Alexejewna (1779-1826), die Gemahlin von Alexander I. (1777-1825), litt ebenfalls an Tuberkulose.
Am Hofe von Nikolaus I. wurden ab den 1830er Jahren Esel gehalten. Ihre Milch wurde zur Behandlung der Schwindsucht eingesetzt. Wirksame Heilmittel zur Bekämpfung dieser Infektionskrankheit wurden erst um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erforscht und entwickelt. 1844 starben die Tochter von Nikolaus I., Alexandra Nikolajewna (1825-1844), und 1899 der Bruder von Nikolaus II., George Alexandrowitsch (1871-1899), an der Krankheit.
Typhus, auch Fleckfieber genannt, konnte im zaristischen Russland jeden treffen, vom Armen bis zum Kaiser. Diese bakterielle Darmerkrankung, die durch eine bestimmte Art von Salmonellen ausgelöst wird, war weit verbreitet in den Adelsresidenzen. Das hatte seinen Grund in der schlechten sanitären Ausstattung der Paläste und unzureichender Hygiene.
In der Palastküche kochte man bis 1868 mit Wasser direkt aus der Newa. Filteranlagen und Töpfe zum Abkochen hielten im Winterpalast (der Residenz der russischen Kaiser) erst im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts Einzug.
Neben der kaiserlichen Familie lebten jedoch auch zahlreiche Bedienstete im Palast. Deren Besuch, oft aus den unteren Schichten, hatte eine sehr nachlässige Einstellung zur persönlichen Hygiene und infolgedessen wimmelte es im Palast von Läusen, Wanzen, Kakerlaken und natürlich Mäusen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass unter diesen Bedingungen Maria Alexandrowna, die Ehefrau von Alexander II., ihr Sohn Alexander III. (in seiner Jugend) und dessen Tochter Xenia Alexandrowna Typhus hatten.
Nikolaus II. erkrankte im Herbst 1900 sehr schwer an Typhus. Es ging ihm derart schlecht, dass bereits über seinen Nachfolger diskutiert wurde. Am 22. Oktober 1900 litt er zum ersten Mal an Verdauungsproblemen und bekam Fieber, das rasch 39 bis 40°C erreichte. Das hohe Fieber, starke Kopfschmerzen und Symptome einer Lebensmittelvergiftung hielten bis zum 12. November an.
Nikolaus II. nach dem Typhus in Liwadija
gemeinfreiVor diesem Hintergrund begannen die Diskussionen über eine mögliche Thronfolge: sollte es die vierjährige Tochter des Zaren, Olga Nikolajewna, oder das noch ungeborene Kind der damals schwangeren Alexandra Fjodorowna (die spätere Großherzogin Anastasia Nikolajewna) werden?
Der Kaiser blieb ohne Behandlung. Anfangs zögerten die Ärzte aus Angst, die Krankheit zu diagnostizieren, und dann waren sie sich uneins, welche Medikamente sie verschreiben sollten.
Nach dem 13. November ging die Körpertemperatur des Kaisers langsam wieder nach unten. Am 30. November verbrachte er erstmals wieder eine halbe Stunde auf dem Balkon. So erholte sich Nikolaus II. allmählich.
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