2015 kompakt: Was hat die Russen bewegt?

Das internationale Topmodel Natalja Wodjanowa machte im Sommer einen Vorfall publik, der ihre behinderte Schwester Oxana betraf.

Das internationale Topmodel Natalja Wodjanowa machte im Sommer einen Vorfall publik, der ihre behinderte Schwester Oxana betraf.

Facebook von Natalja Wodjanowa
2015 beherrschte nicht mehr wie im Vorjahr die Ukraine-Krise die Schlagzeilen. In diesem Jahr beschäftigte die Russen vor allem der internationale Terrorismus. Für humorvolle Abwechslung sorgte dagegen ein Telefonscherz.

9. Mai: Siebzig Jahre Sieg

Am 9. Mai feierte Russland traditionell das Ende des Zweiten Weltkriegs und den Sieg über Nazideutschland. In Moskau fand zum 70. Jahrestag eine große Militärparade statt, mit mehr als 15 000 Teilnehmern, darunter 1 300 Soldaten von ausländischen Streitkräften.

Große Beachtung fand die Aktion „Unsterbliches Regiment“, ein Erinnerungsmarsch, bei dem die Teilnehmer Fotos von Kriegsgefallenen zeigten. Rund zwölf Millionen Russen beteiligten sich nach Angaben der Organisatoren an der Aktion. Die größten Märsche fanden in Moskau, Sankt Petersburg und Tula statt.  

Mehr Respekt gegenüber behinderten Menschen

Das internationale Topmodel Natalja Wodjanowa machte im Sommer einen Vorfall publik, der ihre behinderte Schwester betraf. Oxana Wodjanowa, eine Autistin mit einer cerebralen Bewegungsstörung, wollte am 11. August gemeinsam mit ihrer Betreuerin ein Café in Nischnij Nowgorod besuchen. Dort sei sie aufgefordert worden, wieder zu gehen, könnte sie doch andere Gäste abschrecken, schrieb Natalja Wodjanowa in ihrem Blog. Das Ermittlungskomitee der Russischen Föderation eröffnete ein Verfahren gegen die Mitarbeiter des Cafés wegen „Verstoßes gegen die Menschenwürde und Gewaltanwendung“. Der Fall kam vor Gericht, am Ende wurde ein Vergleich erzielt. Natalja Wodjanowa kritisierte, dass sich viele Menschen gegenüber Behinderten respektlos verhielten und zudem nicht ausreichend informiert seien. Nach dem skandalösen Vorfall wurde der Umgang mit Behinderten öffentlich viel diskutiert.  

Elton John ist reingefallen

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Popstar Elton John ging zwei russischen Prankern (von Englisch: „prank“, zu Deutsch: „Streich“) in die Falle. Wladimir Krasnow, im Internet bekannt als Vovan, und Alexej Stoljarow alias Lexus riefen am 15. September bei John an. Sie stellten sich als Russlands Präsident Wladimir Putin (Krasnow) und dessen Sprecher Dmitri Peskow (Stoljarow) vor. Die vermeintlichen russischen Politiker diskutierten mit dem Sänger die Rechte sexueller Minderheiten in Russland. 

Am Folgetag berichtete Elton John von diesem Telefonat auf seinem Instagram-Account. Unter anderem schrieb er, dass er dem russischen Präsidenten für den Anruf dankbar sei. Das Dementi des Kremls kam prompt. Ein Telefonat Putins mit Elton John habe es nie gegeben, erklärte der wahre Dmitri Peskow. Vierundzwanzig Stunden später gaben sich Krasnow und Stoljarow als Anrufer zu erkennen. Sie versuchten, erneut bei John durchzukommen, um sich zu entschuldigen, doch diesmal hatten sie keinen Erfolg. Nun aber rief tatsächlich Wladimir Putin bei dem weltbekannten Sänger an und erklärte seine Gesprächsbereitschaft zu allen möglichen Fragen. Das bestätigte sein Sprecher Peskow – also der echte Peskow.  

Die Russen bleiben im Urlaub zu Hause

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Den Tourismus hat es in diesem Jahr besonders hart getroffen. Russischen Reisegesellschaften wurde untersagt, Reisen in die Türkei und nach Ägypten anzubieten. Beide Länder waren wegen der niedrigen Preise über Jahre hinweg sehr beliebte Urlaubsziele gewesen. Das änderte sich nach dem Absturz einer russischen Passagiermaschine über der ägyptischen Sinai-Halbinsel am 31. Oktober. 224 russische Urlauber und die Besatzung, die auf dem Rückweg nach Sankt Petersburg waren, kamen bei der Katastrophe ums Leben. Als Absturzursache wird ein terroristischer Anschlag vermutet. Am 24. November wurde an der syrisch-türkischen Grenze nach offiziellen Angaben ein russischer Kampfjet durch türkisches Militär abgeschossen. Noch am selben Tag empfahl Russlands Außenminister Sergej Lawrow, die Türkei als Reiseziel zu meiden.  

Die IS-Braut

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Warwara Karaulowa war 2015 in Russland ein häufiges Gesprächsthema. Die Studentin der philosophischen Fakultät der Moskauer Universität wurde am 27. Mai als vermisst gemeldet. Später wurde bekannt, dass sie in die Türkei geflogen war. Von dort aus wollte sie weiter nach Syrien, zu ihrem Freund, den sie im Internet kennengelernt hatte. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei ihm um einen Anwerber der Terrororganisation „Islamischer Staat“.

Karaulowa sympathisierte schon länger mit dem Islam. Zu Vorlesungen erschien sie in einer Burka – was sie ihren Eltern, bei denen sie wohnte, verheimlicht hatte. Sie zog sich erst außerhalb ihrer Wohnung um. Am 4. Juni wurde sie an der türkisch-syrischen Grenze zusammen mit 14 weiteren Russen aufgegriffen und festgenommen. In Begleitung von Interpol-Mitarbeitern und ihres Vaters wurde sie zurück nach Moskau gebracht. Den Kontakt mit dem IS-Anwerber hielt sie nach Angaben der Ermittler aber weiter aufrecht. Daher kam sie in Untersuchungshaft. Karaulowa nennt sich nun Alexandra Iwanowa, um der öffentlichen Aufmerksamkeit zu entgehen.

Dieser Vorfall war Anlass für eine Initiative der russischen Gesellschaftskammer, die eine Hotline für besorgte Angehörige und Bürger einrichtete. Dorthin können sich besorgte Anrufer wenden, deren Angehörige oder Bekannte mit dem IS sympathisieren. Zudem arbeitet die Hotline eng mit den russischen Sicherheitsbehörden zusammen, die jedem Hinweis nachgehen und die Anwerber-Szene im Blick behalten.

Im Bann des Terrors: Die Geschichte der Warwara Karaulowa

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