Fünf schrecklich-schaurige slawische Märchenhelden für schlaflose Nächte

Kultur
ALEXANDRA KRAWTSCHENKO
Was macht diese Protagonisten aus der altrussischen Sagenwelt so gruselig?

Hexe Baba Jaga: lebendige Tote oder tote Lebende?

Die wohl berühmteste slawische Märchenfigur ist die menschenfressende Hexe Baba Jaga. Noch heute warnen Eltern ihre Kinder manchmal damit, dass sie von der Hexe geholt werden, wenn sie nicht hören wollen. Dort würde die hexe die Kinder dann in den Ofen setzen, anbraten und essen.

Ursprünglich aber war die Baba Jaga eine Verbindungsfigur zwischen der Welt der Lebenden und der der Toten. Sie wurde mit dem Erbe der Vorfahren assoziiert. Darauf weist auch ihre wichtigstes Accessoire hin: die sich bewegende Hütte auf einem Hühnerbein. Warum gerade das? Früher beerdigten die Slawen ihre Angehörigen in einem kleinen Häuschen auf hohen Stelzen, die tatsächlich irgendwie Hühnerbeinen ähnelten. Also lebt Baba Jaga irgendwo zwischen Leben und Tod.

Als Beschützerin des Wissens der Vorfahren führte sie auch die Jungen in den Krieg, oft in Einheiten, die besonders schwere und gefährliche Aufgaben und Prügelstrafen erhalten sollten. Ebendarum fürchteten sich früher gerade die Jungs und ihre Mütter vor der Baba Jaga. Andererseits wurden die Jungen auch erst nach dieser Erfahrung in der Truppe  zu echten Männern.

In allen russischen Märchen treffen Jünglinge außerdem auf die graue Alte, wenn sie ihre Braut suchen. Und wenn der potentielle Bräutigam die Hexe und den Tod überlisten oder besiegen kann und alle Fallen der Hexe übersteht, dann gibt sie ihm nicht nur die Braut zurück sondern auch noch einige schlaue Ratschläge mit auf den Weg.

Zur Menschen fressenden Hexe wurde Baba Jaga dann auch erst nach der Verbreitung des christlichen Glaubens in der Alten Rus, dessen Geistliche alle positiven Seiten der Sagenheldin verneinten und eine reine Antiheldin aus ihr machten.

Der Untote Koschtschej, der Räuber junger Bräute

Oft sagen russische Mütter ihren dünnen Kindern, wenn diese schlecht essen: „Schau Dich nur an! Wie ein ausgesaugter Koschtschej!“ Der Name dieses Antihelden kommt von dem Wort „kost‘“ – „Knochen“ – und er selbst sieht aus wie ein wandelndes Skelett, das nur von einer dünnen Hautschicht überspannt wird.

Der unsterbliche Koschtschej ist dann auch ein Protagonist der russischen Märchen, der an der Grenze von Leben und Tod steht. Daher speist sich auch seine praktisch unendliche Zauberkraft und Unsterblichkeit. Meistens taucht er als schauriger Zauber-Zar mit unglaublichen Besitztümern in den Märchen auf, der sich hübsche junge Mädchen zur Frau stiehlt.

In einer Sage verwandelt er ein ganzes Königreich in Stein, in einer anderen verwandelt er die Königin Wassilisa zur Strafe in eine Kröte. Ihn zu besiegen, ist dabei nahezu unmöglich. Es heißt: Sein Tod steckt auf der Spitze der Nadel, die Nadel im Ei, das Ei in der Ente, die Ente im Hasen, der Hase in einer mit Ketten versperrten Truhe, die in der Krone einer riesigen Eiche hängt.

Die ältesten Sagen beschreiben den Koschtschej außerdem als blind. Um seine Feinde erkennen zu können, müssen seine Diener ihm ganze Jahrhunderte aufheben.

Für die alten Slawen war der Koschtschej ein Symbol der Vermählung. So kann ein Mädchen den erwählten Jungen nur dann heiraten, wenn jener seine Geliebte wieder aus den Fängen des unsterblichen Koschtschej befreien konnte.

Boginka, der böse Geist der Frau

Wenn ein Kind bei der Geburt oder in der frühen Kindheit stirbt, verwandelt dich die Seele der Mutter in eine Boginka, so heißt es. Die Slawen stellten sich diese gequälten Seelen als unordentliche, nackte, hinkende Alte vor, die an regnerischen Tagen und nachts durch Wälder und über Felder zieht.

Besonders hatte sie es auf Kinder abgesehen: Je nach Stimmung konnte sie ein Kind nur am Schlafen hindern, krank machen, erschrecken oder sogar entführen. Einige von ihnen trieben ihr Unwesen angeblich auch mit Tierherden, zufällige Passanten verprügelten sie, dass diese nur so vor blauen Flecken leuchteten.

Rusalka und der Wassermann, die mordenden Trolle aus dem Wasser

Die russische Rusalka ist keineswegs eine sympathische Wassernixe wie in den Märchen von Hans-Christian Andersen. In der slawischen Mythologie ist sie eine, die ihre Opfer ertränkt und in den Selbstmord oder ein Leben als alte Jungfer treibt. Nachts versteckt sich Rusalka im Schilf von Flüssen oder Seen und wartet auf ihr nächstes Opfer. Wer dann zu nah ans Wasser herantritt, den zieht sie in die Tiefe und lässt ihn nicht wieder los.

Und da, wo es Rusalki gibt, da ist auch ihr Hausherr nicht weit: der Wassermann, der Geist der Seen, Flüsse und Moore. Der Wassermann soll angeblich die Fähigkeit besessen haben, in den Himmel aufzusteigen. Besonders gern aber ertränke er Menschen, besonders Mädchen, die nach Sonnenuntergang noch schwimmen gehen wollen. Nur die schönsten von ihnen lässt er am leben – und nimmt sie sich zur Frau.

Kikimora, derewigeStörenfried

Kikimori gibt es in der slawischen Märchenwelt verschiedene: Wald-, Moor- und Feld-Kikimorii und viele andere. Aber am liebsten leben die kleinen Quälgeister in Wohnräumen des Menschen, um dort allerlei Unheil anzustellen.

Aber wenn sich einmal eine Kikimora in einem Haus eingenistet hat, dann quält sie die Hausherren mit Albträumen, kaputten Möbeln und Geschirr entlaufenen Haustieren. Die Haupt- und Lieblingsbeschäftigung der Kikimori ist das Stören.

Dieser kleine böse Geist, ist nur selten zu sehen. Wenn er seinen Hausherren aber unter die Augen tritt, dann ist eine wirkliche Tragödie im Hause zu erwarten. Die alten Slawen glaubten, dass sich die Seelen von Kindern, die einen unnatürlichen Tod starben, danach von einem Hexer in Kikimori verwandelt wurden, indem er die Seelen in alten Puppen einsperrte und diese dann völlig unschuldigen Menschen ins Haus warf.

Als prophylaktischer Schutz vor Kikimora dienten Wacholder- und Beifuß-Zweige.