Fünf Zitate berühmter Russen, die falsch zugeordnet wurden

Kultur
GEORGI MANAJEW
Russia Beyond hat fünf Zitate ausgewählt, die – fälschlicherweise – häufig Wladimir Lenin oder Leo Tolstoi zugeschrieben werden.

1. „Sollte ich einschlafen, 100 Jahre später aufwachen und sollte mich dann jemand fragen, was in Russland vorgeht, so würde meine unmittelbare Antwort ‚Trinken und Stehlen‘ lauten.“ – Michail Saltykow-Schtschedrin.

Dieses Zitat wird im russischen Internet oft gelobt und ähnelt Saltykows üblicher Haltung – nur, dass er diese Worte nie gesagt hat.

Der tatsächliche Urheber dieses Zitats ist Alexander Rosenbaum, ein ehemaliger russischer Arzt im Krankenwagen, der zum Musiker wurde. Irgendwie hat er die Worte in einem Interview Saltykow zugeschrieben. Aber wo liegt denn nun der Ursprung?

Eigentlich stammt dieser Satz aus dem satirischen Buch „Das Himmelblaubuch“ vom russisch-sowjetischen Schriftsteller Michail Soschtschenko. Er entnahm ihn aus den Notizbüchern des Dichters Pjotr Wjasemski, der ihn wiederum dem großen russischen Historiker Nikolai Karamsin zuschrieb. Der ursprüngliche Satz enthält jedoch keinen Teil über das Schlafen: „Wenn man mit einem einzigen Wort beschreiben wollte, was in Russland vor sich geht, müsste man sagen: ‚Stehlen‘“.

 2. „Kein Mensch ist unentbehrlich.“ und „Kein Mensch, kein Problem.“ – Josef Stalin

Egal, wie hart und machthaberisch einige seiner Zitate auch scheinen mögen, aber Stalin hat diese Worte nie offiziell ausgesprochen – er war in seiner Art stets subtil.

„Kein Mensch, kein Problem“ ist ein Satz, den der Schriftsteller Anatoli Rybakow in seinem Buch „Die Kinder vom Arbat“ über die Zeit der Stalin-Repressionen geprägt hat – in dem Buch ist Stalin es, der diese Worte sagt. Rybakow gestand später, dass er recht amüsiert war, als er sah, wie Journalisten und sogar Historiker dachten, dass diese Aussage echt sei.

„Kein Mensch ist unentbehrlich“ ist ein weiteres Beispiel, bei dem Stalin ein Zitat aus einem fiktiven Werk zugesprochen wird. Es handelt sich um das 1942 erschienene Theaterstück „Front“ des vergessenen sowjetischen Dramatikers Alexander Kornejtschuk. Dieser Satz ist jedoch echt! Er soll von Joseph Le Bon, einem französischen Revolutionär, der für seinen rücksichtslosen Umgang mit der alten französischen Aristokratie berühmt war, stammen. Er soll diesen Satz zu einem Vicomte gesagt haben, der um sein Leben bettelte, weil er Ausbildung und Erfahrung hatte, die für die Republik hätten nützlich sein können. Ein Jahr später wurde Le Bon selbst wegen Machtmissbrauchs hingerichtet.

 3. „Keinen Soldaten verschonen, die Frauen werden neue gebären!” – Georgi Schukow

Dieses falsche Zitat ist sehr beliebt bei Leuten, die darauf bestehen, dass die sowjetische Militärtaktik lediglich „Sieg durch zahlenmäßige Überlegenheit“ gewesen sei. Es wurde außerdem Peter dem Großen zugeschrieben. Es ist jedoch nicht bekannt, wer es zuerst gesagt hat. Es wird vermutet, dass die Worte mit einem Brief vom 17. August 1916 in Verbindung stehen, den Zarin Alexandra an ihren Ehemann Nikolaus den Zweiten geschickt hat, in dem sie die großen Verluste während des Ersten Weltkrieges beschreibt. „Die Generäle wissen, dass es in Russland viele weitere Soldaten gibt. Deshalb verschonen sie kein Menschenleben, aber das waren perfekt ausgebildete Soldaten – alles vergebens.“

Eine andere Version lautet, dass die Worte vom Feldmarschall Apraxin, der sich während der Schlacht bei Groß-Jägersdorf im Jahr 1757 weigerte, Kavallerie in einen Angriff zu schicken, stammen. „Die Pferde werden mit Gold bezahlt, und die Soldaten – Frauen werden mehr von ihnen gebären.“ Dies ist wiederum nur eine Legende ohne Beweise. Wir hoffen also, dass diesen Unsinn niemand jemals gesagt hat.

 4. „Jede Köchin kann einen Staat regieren.“ – Wladimir Lenin

Dieser Ausdruck, der praktisch jedem sowjetischen Mann und jeder sowjetischen Frau, jedem Jungen und Mädchen, bekannt war, ist das genaue Gegenteil dessen, was Wladimir Lenin eigentlich sagte. In seinem Artikel „Werden die Bolschewiki an der Macht festhalten?“ von 1917 schrieb er: „Wir sind keine Utopisten. Wir wissen, dass ein ungelernter Arbeiter oder Koch nicht sofort mit der Arbeit der staatlichen Verwaltung zurechtkommen kann... Wir fordern jedoch die sofortige Beseitigung des Vorurteils, dass die Regierung des Staates, die alltägliche Regierungsarbeit, nur für jene Zivilbeamten denkbar ist, die reich sind oder aus reichen Familien stammen.“

Der Dichter Wladimir Majakowski trug wahrscheinlich zur falschen Interpretation dieses Zitats bei, indem er in seinem Gedicht „Wladimir Iljitsch Lenin“ schrieb: „Wir lehren resolut jeder Köchin die Kunst, den Staat zu regieren!“

Im russischen Internet gibt es ein witziges Bild, welches Wladimir Lenin die Worte „Sie sollten nicht alles glauben, was die Leute im Internet schreiben“ zuordnet. Dies zeigt mal wieder, dass man heutzutage in große Schwierigkeiten kommt, wenn man die Fakten nicht überprüft.

 5. „Die Augen sind der Spiegel der Seele.“ – Leo Tolstoi

In Russland wird dieser Satz dem Autor von „Krieg und Frieden“ zugeordnet – selbst Yandex, die größte russische Suchmaschine, schlägt automatisch Tolstoi vor, wenn Sie diese Wörter eintippen. Wäre es nicht überraschend, wenn sie auch Paulo Coelho zugeschrieben (eng) würden?

In Wirklichkeit, selbst wenn Tolstoi diesen Ausdruck verwendet hätte – wir konnten ihn in keinem seiner Werke finden, aber wenn Sie es besser wissen, sagen Sie uns gerne Bescheid –, könnte er als sehr gebildeter Mann gewusst haben, dass er bis in das alte Römische Reich zurückgeht. Cicero (106-43 vor Christus) wurde schließlich mit den Worten zitiert: „Ut imago est animi voltus sic indices oculi“, was in etwa mit den Worten „Das Gesicht ist ein Bild des Geistes, da die Augen sein Interpret sind“.

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