12. Jahrhundert: Der kopflose Bojare
Die wohl erste Horrorgeschichte hängt noch mit der Gründung Moskaus und dem Namen Jurij Dolgorukij zusammen. Es heißt, jener Fürst habe die Moskauer Lande im Jahr 1158 gemeinsam mit einem griechischen Weisen bereist. Dabei sollen die beiden im Wald ein schreckliches Ungetüm getroffen haben: ein buntes Untier mit drei Köpfen. Die Gestalt habe dem Fürsten in die Augen geschaut und sei dann wieder im Dickicht verschwunden.
Jurij Dolgorukij muss sich heftig erschreckt haben, aber der Weise beruhigte ihn: Das sei ein gutes Zeichen gewesen. An diesem Ort werde einmal eine große Stadt entstehen, wo viele Völker zusammenkommen werden, so der Alte.
Dann traten die beiden Reisenden aus dem Wald auf einen Hügel, wo damals die Stadt des reichen Bojaren Stefan Kutschka stand. Aber der Hausherr war zu stolz, um den Fürsten zu begrüßen, wie es sich gehörte. Dolgorukij war beleidigt und übergab den Gutsherren darum dem Tode. Als der Kopf des Bojaren Kutschka auf die Erde fiel und sie mit seinem Blut tränkte, gehörte dessen Land Jurij Dolgorukij, der damit zum Stadtvater des späteren Moskaus wurde.
Seitdem, so sagt man, erscheint im Bereich der heutigen Sretenka immer wieder der Geist des kopflosen Bojaren und erschreckt Anwohner. Und abergläubige Menschen sagen über Moskau: Diese Stadt ist auf Blut gebaut.
15. Jahrhundert: Getöteter italienischer Architekt im Kreml
Kurz nach der Hochzeit mit Sofia Paleolog 1472 entschied sich Zar Iwan III. für den Bau einer großartigen Kathedrale im Kreml. Aber so sehr sich die russischen Architekten noch um die Mariä-Entschlafens-Kathedrale bemühten, immer wieder fielen die Wände in der Hälfte des Baus in sich zusammen. Mitropolit Filipp, der von Anfang an gegen die Hochzeit des Zaren mit der Verwandten des byzantinischen Herrschers gewesen war, hielt dies für einen göttlichen Fluch.
Sofia aber schlug ihrem Mann dann vor, doch ausländische Architekten einzuladen, um den Fluch zu durchbrechen. Aber lange Zeit wollte niemand in das geheimnisvolle, weit entfernte Russland fahren. Erst 1475 erklärte sich der Italiener Aristotele Fioravanti bereit, dem Zaren beim Bau der Kirche zu helfen. Der Bau konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Der Legende nach hatte Fioravanti auch zahlreiche unterirdische Tunnel und verborgene Kammern vorgesehen. Damit aber im Ausland niemand von dem Bau und seinen Geheimnissen erfährt, verwehrte der Zar seinem Baumeister dann die Ausreise in die Heimat. Stattdessen nahm der Italiener sogar an einigen militärischen Operationen des Zaren teil.
Dann aber versuchte er, aus Russland nach Italien zu fliehen. An der Grenze der Moskaus Region wurde der flüchtige Baumeister von Zarenanhängern ergriffen und im Geheimgangsturm des Kremls eingesperrt.
Ab diesem Moment gibt es keinerlei Angaben mehr über Fioravanti in den Chroniken. Am wahrscheinlichsten gilt die Version, dass der Architekt dort dann auch starb – eingemauert im Kremlturm. Und russischen Regierungschefs zeigt sich sein Geist angeblich regelmäßig vor besonders tragischen Ereignissen: Sowohl Wladimir Lenin als auch Joseph Stalin vor Beginn des Großen Vaterländischen Krieges soll er erschienen sein.
18. Jahrhundert: Der Zuchthäusler von der Gorkij-Chaussee
Die heutige Gorkij-Chaussee hieß früher Wladimir-Trakt. Auf ihr wurden früher diejenigen Menschen aus der Stadt vertrieben, die zu Verbannung und Lagerhaft in Sibirien verurteilt worden waren. Einmal befand sich in dem Konvoi auch ein gefährlicher Mörder, der eine Vielzahl von Menschenleben auf dem Gewissen hatte. Die Strecke hin zu seiner Strafe allerdings verkraftete er nicht und starb noch unterwegs – selbst ihn zu beerdigen, schaffte der Konvoi nicht. Seine Leiche ließen sie einfach am Straßenrand zurück. Und so, so erzählt man sich, konnte seine Seele niemals Ruhe finden und irrt bis heute noch zwischen den Welten hin und her und ärgert die Lebenden.
Autofahrer erzählen immer wieder, dass nach Mitternacht immer wieder ein seltsamer Mann am Straßenrand auftaucht: mit Bart, schlecht gekleidet, ähnlich einem Obdachlosen. Er soll den Autos zuwinken, als wollte er sie anhalten. Aber der Mann habe einen ungewöhnlichen Gang, als seien seine Füße in Ketten gelegt.
Man sollte auf keinen Fall anhalten und den Mann mitnehmen wollen, denn dies ist wohl der Geist eben jenes verurteilten, gestorbenen und nicht begrabenen Mörders. Wenn Sie doch angehalten haben sollten, wird der Mann sie um Vergebung bitten („Prostite menja!“). Dann müssen Sie ihm unbedingt antworten „Gott vergibt“ („Bog prostit“) und möglichst schnell fortfahren, ohne sich noch einmal umzudrehen. Wer sich nicht an diese Regeln hält, den nimmt der Geist des Zuchthäuslers mit sich ins Jenseits.
19. Jahrhundert: Die geizigen Alten von der Fleischerstraße
Auf der Fleischerstraße 17 lebten, so belegen es auch die historischen Dokumente, von 1843 bis 1870 zwei kinderlose Alte mit dem Nachnamen Kussownikow. Sie machten sich einen Namen durch ihr abgeschottetes Leben. Das Haus war derweil dekoriert mit zahlreicher Freimaurer-Symbolik. Nach dem Einzug soll das Paar gar einen Freimaurerschatz gefunden haben. Darum hätten sie dann weder zusätzliche Bedienstete noch Kinder angeschafft.
Es heißt, die beiden Alten hätten sich so sehr um ihr Geld gesorgt, dass sie letztlich das Haus kaum noch verließen. Aber dann mussten sie doch einmal für längere Zeit verreisen und im Haus blieb nur ein einziger Diener. Als die Eheleute zurückkamen, entdeckten sie mit Schrecken, dass alles, was sich im Kamin befand, verbrannt war. Dem Diener muss wohl kalt geworden sein, sodass er ihn anheizte, um sich zu wärmen. Frau Kussownikowa fiel daraufhin sofort tot um, ihr Mann wurde verrückt und starb kurze Zeit darauf.
Nun erzählen sich die Moskowiter, dass aber bis heute noch werktags am späten Abend ein grauer Alter in einem zerrissenen Mantel zu den Passanten geht und fragt: „Wo ist mein Geld?“ Und das heiße dann nichts Gutes: Alldiejenigen, an die er sich bisher wandte, verloren bald darauf große Geldsummen oder fielen in eine Finanzkrise.
20. Jahrhundert: Die rachsüchtige Frau aus der Metro
Um die Moskauer Metro ranken sich natürlich viele düstere Legenden. Wer hätte gedacht, dass es einmal im Monat gefährlich sein kann, nach Mitternacht mit einem bestimmten Waggon auf der orangenen Linie zu fahren?
Erstmals ist das am 9. September 1999 aufgefallen, als fünf junge Damen spät abends im Waggon Nummer 26498 plötzlich und ohne jegliche Anzeichen das Bewusstsein verloren. Dann filmte ein junger Mann mit seinem Handy ein junges Frauengesicht vorm Fenster der Metro.
Und dann stellte sich heraus, was ein Jahr zuvor an der Station WDNCh passiert war: Damals war eine völlig gesunde junge Frau ohnmächtig geworden und dem gerade einfahrenden Zug direkt unter die Räder gestürzt. Seit dem erscheint sie am Jahrestag ihres Ablebens den Fahrgästen in jenem Waggon, die dann daraufhin das Bewusstsein verlieren.