Gegründet wurde das spätere Maly-Theater (russ. Kleines Theater) schon 1756 als Schauspielgruppe der Moskauer Universität. 1824 bekam es dann ein eigenes Gebäude direkt gegenüber vom berühmten Bolschoi-Theater. Bereits seit seiner Gründung fokussierte man sich auf klassische Theaterstücke: Die Hochzeit des Figaro von Beaumarchais, Shakespeares Hamlet, Gribojedows Verstand schafft Leiden oder Der Revisor und Die Heirat von Gogol. Später kamen auch Stücke von Ostrowski und Tschechow dazu.
Im Museum des Theaters finden sich mehr als 200 historische Kostüme. Obwohl sie jahrelang benutzt werden, sind sie meist in einem exzellenten Zustand. Einige werden sogar noch gebraucht, wenn ein Stück wieder ins Programm aufgenommen wird. Das älteste Kostüm in der Kollektion ist 150 Jahre alt.
Insgesamt wurden seit der Gründung des Theaters mehr als 10.000 Kostüme für das Maly-Theater angefertigt. Die Designs werden bis heute genutzt, neue Kostüme entstehen immer noch mit Schneidertechniken aus dem 19. Jahrhundert. Wenn der Kostümdesigner zum Beispiel entscheidet, dass Arkadinas Kleid in Tschechows Möwe mit echten Erbsen ausgestattet werden soll, besorgt man halt echte Erbsen!
Hier sind einige der interessantesten Kostüme aus der Kollektion des Maly-Theaters:
Alla Semljakowa ist die Chefin der Damengarderobe und arbeitet seit 20 Jahren für das Maly-Theater. Ihre Leidenschaft für die Kostüme sieht man ihr an, sie berührt die Stücke als wären sie Teil eines Museums. Vor Aufführungen bereitet sie die Kostüme vor, kontrolliert ihren Zustand und wäscht sie mit Dampf.
Danach werden die Kostüme in die Ankleidezimmer gebracht. Die Wägelchen, mit denen die Kleidungsstücke transportiert werden, sind Stoff zahlreicher Legenden. Selbst der altehrwürdige Theaterdirektor Juri Solomin soll sich mal auf einem solchen Wagen durch das Theater fahren lassen haben, um die Kinder der Schauspieler zu bespaßen.
Kurz bevor es auf die Bühne geht, helfen die Kostümbildnerinnen den Schauspielerinnen dabei, sich anzuziehen. „Einige der Kostüme kann man sich kaum ohne fremde Hilfe anziehen. Sie sind sehr schwer oder haben komplizierte Korsette. Zudem bringen wir die Schauspielerinnen in die richtige Stimmung für das jeweilige Stück und helfen ihnen dabei, eventuell vorhandenes Lampenfieber loszuwerden“, erklärt Alla.
Sobald die Schauspielerin das Kostüm anhat, darf sie nicht einmal mehr eine Tasse Kaffee halten. Alles, was die wertvollen Kleidungsstücke zerstören könnte, ist verboten. „Für viele Schauspieler ist es sehr wichtig, historische Kostüme tragen zu dürfen“, meint Alla. „Sie behandeln sie sehr vorsichtig. Einmal kauften wir für eine Produktion ein paar Handschuhe in einem Antikladen. Zurück im Theater bemerkten wir jedoch, dass ein Handschuh ein Loch hatte. Wir schlugen vor, die Handschuhe durch neugekaufte zu ersetzen, doch die Schauspielerinnen baten uns, die alten soweit möglich zu reparieren.“
Die Garderoben für die Herren befinden sich in einer anderen Etage. Um die Kleidungsstücke dort kümmert sich Larisa Pasjuta. „Natürlich haben wir hier keine opulenten Ballkleider“, sagt sie und führt uns mit leuchtenden Augen zu ihren Lieblingsstücken. Besonders angetan ist sie von einem langen Fellmantel. Trotz des großen Gewichtes einiger Kostüme macht es ihr scheinbar kaum Mühe, sie zu tragen.
Tatsächlich sind auch die Herrenkostüme beeindruckend. Statt Ballkleidern dominieren hier Stiefel, Militäruniformen und Wamse. An einem Wäschereck hängen rund ein Dutzend schneeweiße Handschuhe zum Trocknen.
Handschuhe und Hosen können kurz gewaschen werden, eine wirklich ausgiebige Wäsche ist aber erst nach der Theatersaison möglich. Während der Saison kann es jederzeit passieren, dass Kostüme dringend gebraucht werden. Sollte zu viel Staub an einem Kleid sein, müssen Larisa und ihre Mitarbeiter die Staubkörner daher buchstäblich wegpusten.