Die Comics und Memes des 17. Jahrhunderts: Der russische Lubok

Andrei Kusnezow
Comics wurden Mitte des 20. Jahrhunderts populär. Seit 2010 sind Memes beliebt. Aber in Russland gab es Bilder mit Erklärung bereits im 17. Jahrhundert.

Die Freunde Sawoska und Paramoschka spielen Karten, während ihre Diener sie beobachten. Sawoska verliert und beginnt verzweifelt, sich die Haare zu raufen. Der Gewinner, Paramoschka, verspottet ihn, während sein Diener dem Verlierer die Feigenhand zeigt. „Sawoska hat keinen Pfennig gewinnen können.“ Der andere Diener versucht Sawoska aufzumuntern: „Weine nicht, Dummkopf, Hurensohn Sawoska, auch Paramoschka wird mal verlieren.“ 

Diese humorvolle Geschichte ist typisch für einen russischen Lubok, einen mittelalterlichen Comic. Lebendige Farben, primitive Zeichnungen, Bildunterschriften, die die Handlung erklären - darum geht es bei einem Lubok.

Lubok „Sawoska und Paramoschka“, 18. Jahrhundert  

Der Lubok ist eine Form der Grafik, bei der ein Künstler einen Holzschnitt als Vorlage für Drucke anfertigt, die er von Hand ausmalt. Der Name kommt vom Wort Luba und bedeutet Linde, denn für die Holzschnitte wurde Lindenholz verwendet. 

Ursprünge 

Die Massenproduktion populärer Drucke wurde bereits im 8. Jahrhundert in China erfunden, und sieben Jahrhunderte später tauchten in Europa Gravuren auf. Die Technik kam nach Russland von Westen über die Ukraine, Weißrussland und die Balkanländer. In der Druckerei der Kiewer Petschersker Lawra, einem der ersten Klöster in der Kiewer Rus, wurden Luboks für die Xylographie (Holzdruckverfahren) hergestellt. Zu dieser Zeit stammten die gezeigten Szenen hauptsächlich aus der Bibel.

In Moskau verbreiteten sich 1635 Lubok-Drucke am Zarenhof, als der 7-jährige Zarewitsch Alexei Michailowitsch gedruckte Blätter auf dem Roten Platz kaufte. Später tauchten unter den Bojaren Lubok-Drucke auf und verbreiteten sich bald auch unter den Bauern.

Im 17. Jahrhundert gehörte der Großteil der Lubok-Drucke noch immer vorrangig dem religiösen Genre an. Zusätzlich zu den lebensechten Heiligenbildern begannen die Künstler in den Städten, gedruckte Blätter zur Unterhaltung zu produzieren, die unter den Bauern verkauft wurden.

Lubok „Erzengel Michael“, unbekannter Künstler, 1668.

Im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert wurden an Marktständen Lubok-Drucke verkauft, die Szenen aus Volksmärchen, Epen und Legenden zeigten. 

Im 18. Jahrhundert erkannte Peter der Große, dass Lubok-Drucke gut für häusliche Propagandazwecke geeignet sind. Deshalb richtete er 1711 eine Gravurkammer ein, in der die besten Lubok-Künstler der Zeit beschäftigt wurden. Bereits 1724 erließ der Kaiser ein Dekret über den Druck von Luboks aus Kupferplatten.

Dies erleichterte die Arbeit der Künstler, da Kupferstiche ausdrucksvoller und präziser waren als Holzschnitte. Bei Kupferplatten war das Erstellen von Drucken nicht so aufwändig: Anstelle eines Meißels wurden Säure und Nadeln verwendet, und Fehler konnten mit Hilfe eines speziellen Lackes behoben werden.

Lubok „Fest der Frommen und Gottlosen“, 18. Jahrhundert 

Trotz der Bemühungen des Staates, die Produktion von Luboks zu kontrollieren, wurden Holzschnitte weiterhin auch auf den Märkten verkauft. Darüber hinaus wurde das Land mit Lubok-Drucken überschwemmt, die sich über den Kaiser und seine Reformen lustig machten.

Lubok „Wie Mäuse eine Katze begraben“, 18. Jahrhundert. Peter der Große wurde oft als wilde Katze dargestellt. Dieser Stich ist eine Satire auf das Begräbnis des Kaisers.

Im 19. Jahrhundert zeigten Lubok-Drucke ihre Wirksamkeit als Massenmedium. Während des Vaterländischen Krieges von 1812 waren Kriegsluboks gefragt. Genaue Daten, echte Namen und Details machten Lubok-Drucke zu einer wichtigen Informationsquelle. Einige der Ereignisse wurden auf den Bildern dargestellt, während andere in den Bildunterschriften beschrieben wurden. Eine künstlerische Darstellung einer bestimmten historischen Episode deckte nicht nur die Fakten ab, sondern fügte im verbalen Teil des Luboks auch eine emotionale Färbung hinzu, die die Fantasie des Lesers anregte.

Lubok „Die Schlacht von Kulikow“, I.G. Blinow, zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts 

Neben Geschichten über militärischen Ruhm, biblische Geschichten und Folklore wurden Luboks auch genutzt, um die Eitelkeit und Gier der Oberschicht zu verspotten. Einige Lubok-Drucke zeigten Szenen aus dem Alltag der Bauern, zum Beispiel das Weben von Bastschuhen.

Lubok „Ein Mann, der Bastschuhe webt“, 18. Jahrhundert 

In vielerlei Hinsicht dienten Lubok-Drucke als unterhaltende Fiktion für Bauern.

Lubok über das Märchen „Das kleine bucklige Pferd“, 19. Jahrhundert.

Die Einführung der Lithographie im 19. Jahrhundert machte die Herstellung von Lubok-Drucken billig und schnell. Dies wirkte sich jedoch negativ auf die Qualität aus und die meisten Luboks mussten noch einmal nachgedruckt werden.

Lubok „Die Geschichte von Fischer und Fisch“ nach dem Märchen von A.S. Puschkin, 1878. 

Das Jahr 1918 wurde zu einem Wendepunkt in der Geschichte des Lubok. Der Druck geriet unter staatliche Kontrolle und unterlag fortan der ideologischen Zensur. Im Laufe der Zeit war der Lubok keine Massenkunst mehr und heutzutage ist er nur noch in Museen zu finden.

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