Wassili Wereschtschagin: Das hässliche Gesicht des Krieges

Kultur
BORIS JEGOROW
Wassili Wereschtschagins Kriegsbilder zeigen nicht nur die ruhmreichen Siege der russischen Armee. Schonungslos schockierend porträtierte Wereschtschagin auch die andere Seite der Medaille. Damit handelte er sich viel Kritik ein.

Anstelle eines Kriegsmalers hätte aus Wereschtschagin auch ein Maler von Seebildern werden können. Auf Drängen seiner Eltern besuchte er die Marineschule von St. Petersburg und wurde Offizier. Doch seine Seele rief nicht nach dem Ozean. Ab 1860 besuchte er renommierte Kunstakademien in St. Petersburg und Paris. Er reiste mit einer Expedition eines Generals nach Zentralasien (damals Turkestan) und fertigte dort Skizzen als Kriegsmaler an.   

Der Beitritt Turkestans zum Russischen Reich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlief nicht nur friedlich. 1868 kämpfte Wereschtschagin in Samarkand. Bei der Auseinandersetzung stand einer Garnison von 600 russischen Soldaten eine 60.000 Mann starke gegnerische Einheit gegenüber. Wereschtschagin wurde für seine Tapferkeit mit dem Orden des Heiligen Georg (4. Klasse) ausgezeichnet. 

Inspiriert von seinen Reisen nach Zentralasien schuf Wereschtschagin eine Gemäldeserie zum Thema Turkestan, die die Traditionen und Lebensweisen dieser Kultur realistisch abbildete, die sich sehr von denen Russlands und Europas unterschied. Seine farbenfrohen Werke mit den exotischen Darstellungen wurden in der Öffentlichkeit begeistert aufgenommen. Seine Kriegsbilder sorgten dagegen für Kontroversen. 

Ursprünglich stellte sich Wereschtschagin den Krieg als „Parade mit Musik, flatternden Bannern, donnernden Kanonen und galoppierenden Rossen“ vor. Die Realität lehrte ihn jedoch, dass Krieg vor allem Tod, Leid, körperliche und geistige Qual, Angst, Grausamkeit und Barbarei bedeutete. In seinen Gemälden zeigte er sterbende Soldaten, Leichenberge, abgeschlagene Köpfe und ausgemergelte Gesichter. 

Viele Betrachter, die bisher an Werke gewöhnt waren, die nur die Macht der unbesiegbaren russischen Armee verherrlichten, reagierten feindselig und beschuldigten den Künstler, nicht patriotisch zu sein. „Diese unterschwellig negative Konnotation beleidigt den Nationalstolz und lässt den Schluss zu, dass Wereschtschagin entweder ein Tier oder ein Wahnsinniger ist“, kommentierte der damalige Thronfolger, der spätere Kaiser Alexander III., eine Ausstellung.

Eines der auffälligsten Werke des Künstlers, das seine Haltung gegenüber militärischen Konflikten charakterisiert, ist „Die Apotheose des Krieges“, das eine Schädelpyramide zeigt. Ursprünglich von Wereschtschagin „Der Triumph von Tamerlane“ benannt, beschloss er später, es nicht mit einer bestimmten Schlacht zu verknüpfen, sondern widmete es „allen großen Eroberern, denen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“.

„Bei meinen Betrachtungen des Lebens auf meinen Reisen durch die Welt war ich besonders beeindruckt von der Tatsache, dass sich die Menschen noch immer unter allen möglichen Vorwänden und auf alle möglichen Arten gegenseitig töten. Dies geschieht sogar in christlichen Ländern im Namen desjenigen, der Frieden und Liebe predigte“, sagte der Künstler. 

Nach dem russisch-türkischen Krieg von 1877/1878, in dem Wereschtschagin schwer verwundet wurde und seinen jüngeren Bruder verlor, schuf er den Balkanzyklus. Wie seine anderen Kriegsbilder ist auch dieses Werk frei von Hurra-Patriotismus und Heldenverherrlichung, sondern vermittelt sehr realistisch das Grauen und die Schrecken des kriegerischen Gemetzels. 

„Als Künstler liegt vor mir der Krieg. Ich bekämpfe ihn mit den Mitteln, die ich habe. Ob meine Schläge einen Einfluss haben, ist eine andere Frage, es ist eine Frage meines Talents. Aber ich schlage mit Gewalt und ohne Gnade zu“, schrieb Wereschtschagin an den Philanthropen Pawel Tretjakow. 

Auch dem Vaterländischen Krieg von 1812 widmete Wereschtschagin einen eignen Zyklus. Der Protagonist der meisten dieser Gemälde ist Napoleon - aber nicht der majestätische, unbesiegbare Kaiser, wie er üblicherweise dargestellt wurde, sondern ein von der unerwartet heftigen Gegenwehr der Russen verwirrter, entmutigter Mann. Kaiser Alexander I. und seine Kommandeure werden vom Künstler überhaupt nicht dargestellt. Er zeigte lieber die russischen Soldaten und einfachen Bauern, die dem Ruf folgten, ihr Land gegen die Franzosen zu verteidigen.

Es gab Zeiten in Wereschtschagins Leben und Werk, in denen er die militärischen Themen satt hatte. Oft unternahmen er und seine Frau lange Reisen um die Welt. Sie besuchten Indien, Japan und den Nahen Osten. Danach entstanden verschiedene Gemäldeserien, die dem friedlichen Leben, der Kultur und der Natur dieser Orte gewidmet waren.

Der russisch-japanische Krieg von 1904/1905 war das letzte Schlachtfeld im Leben von Wassili Wassiljewitsch Wereschtschagin. Das Schicksal bot ihm jedoch keine Gelegenheit mehr, diesen Kampf zu dokumentieren. Zu Beginn der Feindseligkeiten, am 13. April 1904, starb er auf dem Schlachtschiff „Petropawlowsk“, das vor der Küste Chinas auf eine Mine traf und explodierte.

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