Mit diesem Werk beginnen die meisten russischen Kinder ihre Bekanntschaft mit Leo Tolstoi. Kindheit ist Teil einer biografischen Trilogie und einer der ersten Versuche, Gefühle und Gedanken zu analysieren, ihre Natur zu ergründen. Der Autor beobachtet seinen Protagonisten, den kleinen Nikolai (und eigentlich auch sich selbst) während einer Umbruchphase seines Lebens — sein Vater holt ihn von seinem Landgut nach Moskau und trennt ihn so von seiner geliebten Mutter, die Reinheit und Trost verkörpert. Als sie stirbt endet plötzlich die glückliche Kindheit des Helden. Tolstoi nimmt den Groll, die Scham, die Verlegenheit, die Erregung — alles, was das Kind erlebt — im Detail auseinander.
Betrachtet man das einprägsame Porträt des graubärtigen, in die Jahre gekommenen Tolstois, so fällt es schwer zu vermuten, dass er einst ein tapferer Offizier war. Er diente jedoch mehrere Jahre im Kaukasus und verbrachte während des Krimkriegs (1853 — 1856) fast ein Jahr in Sewastopol, wo er sogar Batterieführer war. Es war eine schwierige Zeit für den Schriftsteller und er reflektierte alle Schrecken des Krieges in den Sewastopoler Erzählungen. Die erste der drei Geschichten wurde veröffentlicht, als der Krieg noch in vollem Gange war, und hatten großen Erfolg bei der Öffentlichkeit, die auf Nachrichten von der Front wartete. Es war in der Tat das erste realistische Werk über den Krieg.
Tolstoi ist undenkbar ohne sein Hauptwerk, das seine Frau Sofja Andrejewna mehrmals von Hand umschreiben und endlos redigieren musste. In Krieg und Frieden gelang es ihm, sowohl die Kriegsereignisse als auch deren Auswirkungen auf das Leben mehrerer Generationen zu beschreiben. Er beschrieb sowohl Moskau als auch St. Petersburg und das Schicksal ganzer Adelsfamilien. Zudem gab er unglaublich umfangreiche psychologische Porträts ganz unterschiedlicher Charaktere — er versetzte sich in die Figur der jungen Natascha Rostowa, des alten mürrischen Fürsten Bolkonski und sogar in Napoleon selbst. Der Krieg von 1812 gegen Frankreich wird in der Öffentlichkeit oft gerade durch das Prisma von Tolstois Werk wahrgenommen. Ursprünglich wollte der Autor einen Roman über die Dekabristen schreiben, doch als er die Ursachen des Aufstandes von 1825 erforschte, stieß er auf diesen Krieg und beschloss zu untersuchen, wie er das Schicksal Russlands auf den Kopf gestellt hatte.
Alle Tolstoi-Fans teilen sich in diejenigen, die Krieg und Frieden lieben, und diejenigen, die sich für Anna Karenina begeistern. Dies ist auch ein recht umfangreicher Roman, aber bei weitem nicht so facettenreich wie Krieg und Frieden. Tolstoi konzentrierte sich in diesem Werk auf das Wesen des Glücks und Unglücks im Familienleben. Dieses Thema beschäftigte den Autor sehr und er thematisierte verschiedene ethische Fragen: Darf man ein Kind um einer geliebten Person willen verlassen? Sollte man einen Ehebruch um des Glücks der Kinder willen verzeihen? Der Roman enthält zudem Tolstois Alter Ego — Konstantin Lewin, der sich aus dem weltlichen Leben zurückzieht und beginnt, zusammen mit seinen Bauern Felder zu pflügen.
Diese Kurzgeschichte rief eine unglaublich starke Reaktion in der Gesellschaft hervor: Sie war unter der Jugend sehr populär, obwohl – oder gerade weil? – das Buch eine Zeit lang von der Zensur des Zaren verboten war. In der Geschichte tötet der Ehemann seine Frau in einem Anfall von Eifersucht. Jahre später erzählt er diese Geschichte während einer Zugfahrt einer Zufallsbekanntschaft und echauffiert sich darüber, wie lasterhaft doch die Gesellschaft ist. Es widert ihn an, dass Frauen bereits in der Kindheit dazu erzogen werden, gute Ehefrauen zu sein und ihren Ehemännern zu gefallen, während es für junge Männer als normal gilt, sich vor der Ehe der Ausschweifung hinzugeben. Tolstoi bringt seine eigene Enttäuschung über die Institution der Ehe zum Ausdruck. Während er zum Verzicht auf alles Fleischliche aufruft, sieht er die Aufgabe der Frau gerade darin, Kinder zu gebären und für sie zu sorgen.
Dies ist Leo Tolstois letzter Roman, den er selbst für sein Meisterwerk hielt. Es ist die Geschichte der Erlösung eines einst promiskuitiven Offiziers. Dieser verführt das unschuldige Mündel seiner Tante, hinterlässt ihr Geld, ohne sich zu verabschieden, und kehrt wieder zum Militärdienst zurück. Für ihn ist es nur eine Episode, aber das Leben des Mädchens ist ruiniert — sie ist schwanger und muss ihr Zuhause auf der Suche nach einer neuen Existenzgrundlage verlassen. Schließlich begegnen sie sich wieder vor Gericht: er als gelangweilter Geschworener und sie als Angeklagte. Ihr Schicksal erschüttert sie und der Ex-Offizier vollzieht eine unglaubliche innere Wandlung. Er folgt der jungen Frau in die Strafkolonie, um ihr die Strapazen zu erleichtern... Der Roman spiegelt auch Tolstois eigene geistige Wandlung wider.
In den 1880er Jahren durchläuft Tolstoi einen schweren geistigen Umbruch und überdenkt seine Einstellung zu Glaube und Moral. Mit Pater Sergius beschreibt er einen geradezu beispielhaften spirituellen Weg, den der Mensch gehen kann. Der begeisterte junge Offizier Stepan löst die Verlobung mit seiner schönen Braut, als er erfährt, dass sie die Geliebte des Kaisers war, den er ebenfalls bewunderte. Stepan geht in ein Kloster, wo er der rechtschaffene Pater Sergius wird. Doch auch im Kloster findet er nicht zum wahren Glauben und die vielen Pilger lenken ihn von seinem rechtschaffenen Lebenswandel ab — da verlässt er das Kloster, um umherzuziehen und seinen Weg in friedlicher Beschäftigung und der Pflege von Kranken zu suchen. Tolstoi verfolgt das psychologische Porträt des Helden detailliert in allen Phasen seiner Reise.
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