Wie sowjetische Ikonen aus Verpackungen und Pionierhalstüchern hergestellt wurden (FOTO)

Dmitrij Antonow/Zentrum für visuelle Studien des Mittelalters und der Neuzeit an der Russischen Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften (RSUH)
Die Ikonen wurden in einer Zeit illegal hergestellt, in der die Religion – und damit auch kirchliche Utensilien – illegal waren.

Ikonen für den Hausgebrauch wurden in der Sowjetzeit von ländlichen Handwerkern hergestellt. Als Grundlage dienten Fotografien von Ikonen: In der UdSSR war ihre Reproduktion in einer einzigen kirchlichen Werkstatt erlaubt, aber vor Ort wurden sie im Geheimen von Fotografen in Fotostudios in Massenproduktion hergestellt. Die Bilder wurden mit allem Möglichen gestaltet, von Folienverpackungen über rote Pionierhalstücher bis hin zum Brautschleier.

Die Kiotki, für den Hausalter gefertigte Ikonen, kamen in Russland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Sie stellten eine Holzkiste dar, die mit einem Glas verschlossen war: Eine farbig bedruckte oder gemalte Ikone, die mit einem Folienrand und Papierblumen verziert war, wurde darin eingelegt.

In der Zarenzeit war die Herstellung solcher Ikonen für den Hausgebrauch eine Massenproduktion: Folienwalzwerkstätten, Kunsthandwerker und Manufakturen stellten die mit Folie und Blumen verzierten Ikonen zu Millionen her.

„Vor der Revolution wurden die Folienikonen nicht nur im ganzen Land verkauft, sondern auch nach Europa exportiert. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts blühte dieses Handwerk vor allem im Bezirk Wjasniki im Gouvernement Wladimir auf“, erzählt Professor Dmitrij Antonow, Direktor des Zentrums für visuelle Studien des Mittelalters und der Neuzeit an der Staatlichen Russischen Universität für Geisteswissenschaften.

„Unter den Bolschewiken wurde die gesamte Produktion zerstört und die offizielle Herstellung und Verbreitung von Ikonen eingestellt. Aber es war nicht möglich, den Glauben und die Religiosität zu besiegen, und die Ikonen verschwanden natürlich nicht. Die sowjetischen Handwerker begannen, die Tradition neu zu erfinden. Aber sie arbeiteten unter anderen Bedingungen – illegal, heimlich, ohne Materialien und Werkzeuge. Sie schufen eine sowjetische Ikone, die der aus dem 19. Jahrhundert ähnelte, aber ein völlig anderes Phänomen war.“

Angesichts des Mangels an Materialien und Werkzeugen nutzten sie die ungewöhnlichsten Mittel zur Dekoration. Die Muster auf der Folie konnten mit den Böden von Schnapsgläsern oder Teegläsern, Gewehrpatronen oder Uhrenritzel hergestellt werden. Sogar die Atomindustrie der UdSSR war eine Materialquelle für diese Ikonen.

„Es wurden verschiedene Arten von Folie verwendet: Bonbonpapier, Teeverpackungen u.a. Manchmal wurde die Folie sogar aus den Betrieben der Atomindustrie entwendet. Pionierhalstücher wurden zur Dekoration genutzt, noch häufiger wurden Schleier, Stoffe und Blumen von Hochzeitskleidern verwendet. Einerseits war das schick und schön. Andererseits waren die Materialien mit der Hochzeitssymbolik verbunden, und viele Ikonen wurden für Hochzeiten als Hochzeits-Diptich geschaffen, um die Jungvermählten zu segnen“, so Antonow.

Dmitrij Antonow (R).

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