Russisch: Brot und Salz
Heutzutage halten sich die wenigsten Russen an die Bandbreite alter slawischer Traditionen. Stattdessen werden diese oft zur Unterhaltung der Gäste ausgeübt. Eine der wichtigsten russischen Rituale handelt beispielsweise von einer mit Salz bestreuten Scheibe Brot und wird von den Verwandten des frisch verheirateten Paares vollzogen, die es damit willkommen heißen. Der Brauch soll Wohlstand und Gastfreundlichkeit symbolisieren. Zudem entscheidet sich so, wer in der Ehe das Sagen haben wird: Beide beißen ins Brot und reißen ein Stück heraus. Wer das größere Stück ergattert, ist der Chef.
Bei einem anderen kuriosen russischen Hochzeitsbrauch rufen die Hochzeitsgäste solange „gorko“, zu Deutsch „bitter“, bis sich das frisch vermählte Paar küsst. Dabei gilt die Regel: Je mehr sie sich küssen, desto besser wird ihre Ehe sein.
Tschetschenisch: Waffen, aber keine Rosen
Die tschetschenischen Hochzeitsbräuche haben in Russland vielerorts einen schlechten Ruf und werden von internationalen Medien als zu „streng“ und „konservativ“ kritisiert. Eine der bekanntesten zeitgenössischen Traditionen der muslimischen Republik, die vor allem gerne in kleinen Dörfern ausgeübt wird, ist der Autokorso. Jeder Gast kommt dazu mit seinem Auto zur Hochzeit, so dass sich nach und nach eine lange Autoschlange bildet. Auf diese Art und Weise demonstrieren die Tschetschenen ihren Wohlstand und das Ausmaß der Hochzeit, das für den zukünftigen Wohlstand des frisch vermählten Paares steht.
Auch Waffen können durchaus Teil der Feierlichkeiten sein, wenn die Dinge etwas außer Kontrolle geraten. So feierte ein tschetschenischer Autokorso letztes Jahr eine Hochzeit, indem eine demonstrative Schießparade in der Moskauer Innenstadt abgehalten wurde – eine Aktion, die für lebhafte Kontroversen sorgte und sogar vom tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow kritisiert wurde.
Im Allgemeinen hält sich die Braut an ihrer Hochzeit vom Tanz und allzu ausgelassenem Feiern fern, um damit ihre Bescheidenheit und ihre Trauer über den Auszug aus ihrem Elternhaus zu demonstrieren. Ebenso wird erwartet, dass sie sich während der Feier schweigsam und still verhält. Gegen Ende bekommt sie von den Verwandten des Bräutigams Fragen zu ihrer Person gestellt oder wird gebeten, ihnen Wasser zu reichen. Für gewöhnlich ist es üblich, ihr dafür Geld auf ein spezielles Tablett zu legen. Die Braut gibt das eingesammelte Geld dann am Ende des Abends an ihre Schwiegermutter weiter.
Dagestanisch: Zwei Feiern und mehr als tausend Gäste
In der nordkaukasischen Region findet man viele ähnliche Rituale, aber auch jene, die nur einer einzelnen Region zu eigen sind. Eine der wichtigsten und ältesten Traditionen ist die Hochzeitsvorbereitung und ganz besonders die Kuppelei. Die ältesten Familienmitglieder des Bräutigams statten hierbei dem Haus der Braut einen Besuch ab und besprechen die Möglichkeit einer Eheschließung. Heutzutage heiraten die meisten jungen Muslime in Russland aus Liebe und sind deshalb nicht von diesem Treffen ausgeschlossen. So dürfen die zukünftigen Ehepartner beispielsweise auch vor der Hochzeit über das Internet miteinander sprechen. In konservativen Dörfern bestimmen allerdings immer noch die Väter, wer wen heiraten darf.
Dagestanische Hochzeiten haben meist sehr viele Gäste und werden zwei Mal gefeiert: Die erste Feier findet im Haus der Braut statt, in dem sich die Frauen versammeln und der Bräutigam mit teuren Geschenken erscheint. Die zweite Feier findet im Haus des Bräutigams statt, in dem sich zahlreiche weitere Gäste versammelt haben. Bis zu 1 500 Menschen können an einer solchen Feier teilnehmen.
Tatarisch: eine Mitgift und ein Bettritual
Eine weitere russische Hochzeitstradition ist das „Kaufen“ der Braut, die allerdings meist nur zum Spaß ausgeübt wird. Der Bräutigam, seine engsten Vertrauten und seine Verwandten geben den Eltern der Braut Geld, damit sie ihre Tochter gehen lassen. In Tatarstan wird diese Tradition jedoch noch immer ernst genommen und von der Familie des Bräutigams wird ein stattliches „Kalym“, eine Art "Auslöse", für die zukünftige Ehefrau erwartet.
Eine andere spannende Tradition ist die Beschauung des „Hochzeitsbetts“, das sich die Gäste vor der ersten gemeinsamen Nacht des Brautpaars ansehen und berühren dürfen. Zum Abschluss legen sie einige Münzen auf einen speziell dafür vorbereiteten Teller. Die älteren Frauen bringen der Braut bei, wie sie ihren zukünftigen Ehemann willkommen heißt. Der Bräutigam wiederum muss sich das Recht auf die „erste Nacht“ mit der Braut verdienen und verschiedene Aufgaben erfüllen, die beweisen, dass er stark und klug genug für sie ist.
Schließlich haben nahezu alle Sowjetrepubliken die ursprünglich georgische Hochzeitstradition des Tamada, des Toastmeisters, übernommen. In Tatarstan wird dazu die fröhlichste und die gesprächigste Person aus dem Bekannten- oder Familienkreis ernannt, es ist aber auch durchaus üblich, einen Profi dafür zu engagieren.
Kalmückisch: Wodka und ein Schal
Heutzutage gibt es nur noch wenige altertümliche Hochzeitsrituale in der buddhistischen Republik Kalmückien, die weiterhin ausgeübt werden. So wurde in der Vergangenheit beispielsweise das Paar drei Mal miteinander verkuppelt, heute steht nur ein Besuch bei den Eltern des Bräutigams auf dem Programm. Am wichtigsten ist es, zu diesem Besuch nicht „mit leeren Händen“ zu erscheinen und Geschenke mitzubringen, egal ob Kekse, Lammfleisch, Nüsse oder traditionelle Backwaren.
Am Hochzeitstag gehen der Bräutigam, seine Eltern und Freunde dann zur Braut und bringen sie sowie ihre Verwandten zu jenem Ort, an dem die Hochzeitsfeier stattfinden wird. Meistens handelt es sich dabei entweder um das Haus des Bräutigams oder ein Restaurant. Dorthin bringen der Bräutigam und seine Freunde auch zahlreiche Geschenke und Wodka, deren Menge im Vorfeld bei der Verkupplung ausgehandelt wurde.
Die Braut betet, bevor sie ihr Elternhaus verlässt, und ihr Kopf wird von einem Schal bedeckt. Diesen Schal, der weder weggegeben noch von anderen berührt werden darf, behält sie schließlich – eine Tradition, die in Kalmückien noch immer sehr beliebt ist.
Die Kalmücken achten ebenso auf den Stand der Sonne, wenn sie von Haus zu Haus gehen, und sogar, wenn sie sich an den Festtisch setzen. Ein zusätzlicher altertümlicher Brauch, der aber mittlerweile selten ausgeübt wird, ist die traditionelle Schlachtung eines Lamms.