Nach seinem abgeschlossenen Studium am Moskauer Textilinstitut im Jahr 1962 erhielt Sajzew eine Stelle in einer Fabrik in der Moskauer Region, die Frauenkleider für die Hauptstadt Moskau und die nahegelegenen Regionen nähte. Den Beamten missfiel jedoch die erste Kollektion des Designers: Statt glanzloser Outfits schuf er für die Dorfarbeiterinnen farbige, gefütterte Jacken, Stiefel und Röcke mit Pawlowski-Possad-Motiven. Die Kollektion schaffte es nicht, den künstlerischen Rat von sich zu überzeugen. Der debütierende Designer wurde sogar dafür kritisiert, einen schlechten Einfluss auf die Sowjetmenschen zu haben. Doch eigentlich wollte Sajzew nur die düstere, unattraktive Bekleidung mit Gouache etwas farbenfroher machen. Die französische Zeitschrift „Paris Match“ berichtete über diese Kollektion in einem Artikel, der den Titel „Er diktiert Moskau die Mode“.
Einige Jahre nach der Veröffentlichung des Artikels kamen Modedesigner wie Marc Bohan von Dior, Guy Laroche und Pierre Cardin nach Moskau, um den mutigen Russen zu treffen. Sie waren von seiner Arbeit so beeindruckt, dass sie ihn schließlich mit Komplimenten überschütteten. Cardin sagte, er sei „ein Gleicher unter Gleichen“, während die französische Presse ihn als „Roten Dior“ bezeichnete. Danach war sein Name im Westen in aller Munde und seine Kollektionen wurden bei den Modewochen in Paris und Florenz gezeigt. Im Jahre 1989 erhielt Sajzew den ersten Preis bei dem Wettbewerb „Die Fünf besten Weltdesigner“. Zu seinen Konkurrenten gehörten Donna Karan, Claude Montana, Hanae Mori sowie die Designer von Byblos.
Trotz seiner Popularität im Ausland, konnte Sajzew vor der Perestroika nicht mit seinen Kollektionen in den Westen reisen. Im Jahr 1968 konnte er die Tschechoslowakei auch nur besuchen, weil die sowjetischen Truppen in Prag einmarschierten. In den 80er Jahren änderte sich jedoch alles: Im Jahr 1987 präsentierte er in New York seine Kollektion „Eintausend Jahre seit der Taufe Russlands“ und im Jahr 1988 auf Einladung von Madame Carven die Kollektion „Russische Jahreszeiten“ in Paris.
Bei weitem nicht jeder Modeschöpfer kann damit prahlen, dass seine Kollektionen im Guggenheim Museum ausgestellt wurden. Die von Wjatscheslaw Sajzew geschaffenen Kostüme wurden dabei selbst zu Museumsobjekten. Seine Designs sind darüber hinaus auch im Metropolitan Museum und im Fashion Institute of Technology in New York zu sehen.
Sajzew hat nicht nur Prêt-à-porter- und Haute-Couture-Kollektionen, sondern auch Kostüme und Bühnenbilder für Theaterstücke entworfen. Eine seiner bekanntesten Arbeiten für das Theater war die Szenografie für das Theaterstück „Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit“ im Satire-Theater. Er kreierte ebenso die Kostüme für Theaterstücke am Maly-Theater, am Tschechow-Kunsttheater Moskau sowie am Theater Sovremennik.
Im Jahr 1982 wurde Sajzew, der in einem Atelier in der Fabrik in Mosschweja arbeitete, angeboten, an der Gründung eines Modehauses auf dem Prospekt Mira in Moskau mitzuwirken. Schon bald wurde Slawa Sajzews Studio, der die Kurzform Slawa statt Wjatscheslaw bevorzugte, zu einer echten Marke. Das war für die damalige Zeit einzigartig, denn zuvor durfte kein sowjetischer Modedesigner seine eigene Bekleidungsmarke haben. Noch heute ist dieses Modehaus unter der gleichen Adresse zu finden.
Neben Alltagskleidung hat der Couturier auch Uniformen für Polizei und Sportler kreiert. So entwarf er für die Olympischen Spiele im Jahr 1980 in Moskau die Paradeuniformen für die sowjetische Delegation. Vier Jahre später kleidete er die Nationalmannschaft der UdSSR bei den Olympischen Spielen in Sarajevo ein. Aufgrund eines begrenzten Budgets entschied sich der Modeschöpfer, Schafsfell statt Pelz zu verwenden. Bei der Eröffnungszeremonie erschienen die sowjetischen Athleten daher in eleganten Schafsfellmänteln und Pelzhüten. Bei der Frauenkleidung waren zudem die farbenfrohen Pawlowski-Possad-Schals mit dabei, ein Accessoire, das Sajzew überaus liebt und oft in seine Kollektionen mit aufnimmt.
In der Sowjetzeit waren Sajzews Entwürfe bei hochrangigen Beamten sehr gefragt. Zu seinen Kunden zählten die Ehefrau des damaligen Außenministers Eduard Schewardnadse, die Familie des Generalsekretärs Leonid Breschnew und die erste Kosmonautin, Walentina Tereschkowa. Doch auch im heutigen Russland wird die Marke „Sajzew Fashion House“ sehr geschätzt: Im Jahr 2003 griff beispielsweise Ljudmila Putina zu einigen Kreationen des berühmten Modeschöpfers, als sie Wladimir Putin zu einem offiziellen Besuch in Großbritannien begleitete, einschließlich des Kleides, den sie bei dem Empfang mit Königin Elisabeth der Zweiten trug.
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