Binsenweisheiten eines Gurus: Tony Robbins Auftritt in Moskau löst Kontroverse aus

AP
Die Russen sind zwiegespalten – entweder halten sie Tony Robbins für einen inspirierenden Trainer und Berater oder sie betrachten ihn als kompletten Betrüger, der die Leute um ihr hart verdientes Geld bringt.

Vor Kurzem verspotteten viele Russen die Anhänger von Tony Robbins, dem Lebens- und Geschäftstrainer aus den Vereinigten Staaten, der durch seine Bücher und Seminare zur Selbsthilfe berühmt geworden ist. Am 1. September hatte er eine Veranstaltung in Moskau. „Die Erde ist rund“, „Eis ist kalt“, „Wasser ist nass“ – so beschrieb (rus) der Komiker Andrei Spasatel die typischen Robbins-Weisheiten, für die so viele Menschen bereit sind zu zahlen.

Großer Auftritt

Er hat nicht ganz Unrecht: Das Seminar am 1. September beinhaltete Robbins, der das Publikum anfeuerte und nützliche Lebens- und Geschäftslektionen mit ihnen teilte. Mehr als 26 200 Menschen bezahlten, um den Mann auf der Bühne zu erleben. „Es ist unglaublich! 24 000 Menschen sind glücklich und erinnern sich an ihre persönlichen Momente des Durchbruchs!“ schrieb (rus) Julia Alferowa, Beraterin des Ministers für wirtschaftliche Entwicklung, auf Facebook.

In einem anderen Beitrag listete (rus) Alferowa die Ratschläge von Tony Robbins auf, um ein besseres Leben und ein Geschäft zum Erfolg zu führen. „Positives Denken ist eine Strategie!“; „Enttäuschung zerstört Sie!“; „Wenn Sie stets dasselbe tun, erhalten Sie immer das gleiche Ergebnis!“ und so weiter.

Dann sprangen alle herum und tanzten. Ja, wirklich.

Skeptiker und Gläubige

Einige Leute verspotteten das Publikum von Robbins und behaupteten, sie hätten einen Haufen Geld bezahlt, nur um Binsenweisheiten zu hören, die auf jeder Motivationsseite kostenlos verfügbar wären. Die Journalistin Jekaterina Winokurowa verglich (rus) die Bewunderer von Robbins mit älteren Zuschauern, die glaubten, dass es möglich sei, Wasser „aufzuladen“, indem man es während der im Fernsehen übertragenen psychischen Darbietungen neben das Gerät stellte. „Vielleicht geht es nur um die Begierde auf Wunder... Tony Robbins schuf eine Welt mit rosa Einhörnern für angeblich erwachsene Menschen und diese Erwachsenen sprangen glücklich in diese Welt hinein“, meint Winokurowa.

Auf dem Bild: „Philippytsch, gib mir 50 000 Rubel (etwa 633 Euro), ich will Tony Robbins' Seminar besuchen.“

Andere können über dieses Phänomen nur lachen. „Erfolgreiche Menschen veröffentlichen ihre Fotos aus Robbins ‚Bergpredigt‘. Im Gegensatz zu Mammuts werden Idioten jedoch niemals aussterben“, scherzte (rus) ein Nutzer auf Twitter.

"Ich habe das vierstündige Seminar von Tony Robbins besucht und will euch jetzt Zeit und Geld (mindestens 20 000 Rubel – etwa 253 Euro) ersparen, indem ich alles in einem Bild zusammenfasse. Bereit? Bitte sehr: [Kraftpose]."

Auf der anderen Seite verteidigten mehrere Leute Robbins Autorität. „Tony kann mit erfolgreichen Psychologen wie Dale Carnegie oder Allen Carr verglichen werden... Er lehrt, wie man seinen psychischen Zustand steuern kann, gut gelaunt bleibt, andere Menschen beeinflusst und erfolgreich ist“, entgegnete (rus) Iwan Lepichow auf Facebook.

Erfolg braucht Geld

Die vielleicht lächerlichste Sache für die Skeptiker ist, wie viel Geld er für ein paar Stunden Arbeit verdient. Wenn das günstigste Ticket bereits 30 000 Rubel (etwa 380 Euro) kostet, lässt sich die Summe leicht ausrechnen: Die Show generierte rund 10,4 Millionen Euro durch Ticketverkäufe. Natürlich müssen der Veranstaltungsort und die Organisatoren bezahlt werden, aber die Summe bleibt dennoch beeindruckend.

Für die meisten Russen sind 30 000 Rubel eine erhebliche Geldsumme: Laut Statistiken (rus) handelt es sich dabei nur um etwas weniger als ein durchschnittliches Gehalt von 42 500 Rubel (etwa 538 Euro). Die meisten Leute, die sich das Seminar von Tony Robbins leisten konnten, stammten also mindestens aus der oberen Mittelschicht. Dennoch berichteten einige von ihnen, dass sie unangemessen behandelt wurden.

Schlechte Organisation

„Es waren Besucher dabei, die Tickets für 100 000 bis 150 000 Rubel (etwa zwischen 1 266 und 1 900 Euro) gekauft haben und die dann darauf warten mussten, Übersetzungskopfhörer für die Show zu bekommen“, schrieb Jekaterina Starodubzewa auf Facebook. Es glich eher der denkbar schlimmsten Stoßzeit in der Moskauer Metro:

Auch nachdem sie die Kopfhörer bekommen hatten, nahmen die Probleme kein Ende: „Sie gaben uns Kopfhörer ohne Batterien, sodass diese natürlich nicht funktionierten“, schrieb der Nutzer „eugenezbitsky“ auf Instagram. „Dann warfen sie einfach einen Karton mit Kopfhörern in die Menge und die Leute drängten sich gegenseitig aus dem Weg, um welche zu ergattern. Diejenigen, die es geschafft hatten, eilten nach draußen, um Batterien außerhalb der Olympiahalle zu kaufen...“

Und um das Ganze abzurunden, begann Tonys Show drei Stunden zu spät. „Tony war von der müden Menge überrascht: ‚Ihr seid so still!‘, rief er. Ja, was für eine Überraschung...“, scherzte (rus) Katerina Bogina auf Facebook.

>>>Sieben Tipps russischer Geschäftsmänner: So schafft man es an die Spitze!

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!