Der Urenkel von Großherzog Kyrill Wladimirowitsch, der erste Romanow im Exil, der sich nach dem Tod von Nikolaus dem Zweiten als „Kaiser“ bezeichnete, wurde 1981 in der Familie von Marijia Wladimirowna Romanowa und Fürst Franz Wilhelm von Preußen geboren und erhielt den Namen Georg.
Fürst Wassili Alexandrowitsch, der das damalige Oberhaupt des Romanow-Familienverbandes war, sagte: „Das glückliche Ereignis in der preußischen Königsfamilie betrifft die Romanows nicht, denn der neugeborene Prinz gehört weder dem Russischen Zarenhaus noch der Romanowfamilie an.“ Was hat sie alle so wütend gemacht?
Der Großherzog mit der roten Schleife
Kyrill war der Enkel Alexanders des Zweiten. Am 31. August 1924 erklärte er sich zum Kaiser Kyrill dem Ersten und erzürnte damit die anderen Romanows, welche der Meinung waren, dass dieser kein Recht dazu hätte.
Sie missbilligten eine solche Entscheidung und wiesen darauf hin, dass Kyrill an der Februarrevolution von 1917 teilnahm, womit er den Treueeid gegenüber Nikolaus dem Zweiten brach. Am 1. März 1917 betrat Kyrill als Kommandant eines Korps der Königlichen Garde das Gebäude der Staatsduma mit Schulterklappen mit dem Monogramm des Kaisers darauf und einem roten Band auf seiner Kleidung. Er schwur seine und die Loyalität seiner Wachen gegenüber dem russischen Volk und der Duma aber das war nicht der Haupteinwand.
Kyrill brach das russische Gesetz über die dynastische Nachfolge, er heiratete seine Cousine, Prinzessin Victoria Melita von Sachsen-Coburg. Nikolaus der Zweite billigte diese Ehe nicht und Kyrills Frau konvertierte nicht zum orthodoxen Christentum. Nikolaus entzog Kyrill seine Rechte als Mitglied des Hauses Romanow. Die Entscheidung des Kaisers wurde geheim gehalten, um die Öffentlichkeit nicht zu erzürnen. Nachdem Victoria schließlich zum orthodoxen Christentum konvertierte, erhielt Kyrill seine Rechte als Mitglied der Familie zurück, aber sein Recht auf die Thronfolge wurde nicht explizit wiederhergestellt. Zum Zeitpunkt ihrer Heirat wurde die Vereinigung jedoch nicht vom Kaiser genehmigt.
Nach Kyrills Tod wurde sein Sohn Wladimir, welcher von 1917 bis 1992 lebte, zum ältesten Nachfolger des nicht existierenden Throns. Er nannte sich nie „Kaiser“, aber sein Vater hatte ihm den Titel „Großherzog und Zarewitsch“ verliehen, was übersetzt Thronfolger bedeutet. Somit übernahm Wladimir die Verantwortung als Oberhaupt des Hauses Romanow.
Haben Kyrills Nachkommen das Recht auf den Thron?
„Wladimir als Großherzog zu benennen, war eine Verletzung des russischen Kaiserrechts“, sagt Ewgenij Ptschjolow, ein russischer Historiker und international anerkannter Spezialist für die Ahnenforschung der Romanows. „Großherzog konnten nur diejenigen sein, die zumindest Enkel eines Zaren waren und Wladimir Kirillowitsch war der Urenkel von Alexander dem Zweiten. So konnte er nicht den Titel Großherzog und Zarewitsch tragen, wie sein Vater ihm den Titel verliehen hat.“
1948 heiratete Wladimir in Lausanne die georgische Prinzessin Leonida Georgievna Bagration von Moukhransky. 1969 erklärte Wladimir sein einziges Kind, die 16-jährige Maria, zur Thronfolgerin. Andere Nachkommen der Romanows, vor allem Prinz Andrej Alexandrowitsch, welcher ein Urenkel von Nikolaus dem Ersten war, zeigten sich sichtlich unzufrieden: Leonida war keine „gleich Geborene“ Ehefrau für Wladimir.
1946 gewährte Wladimir den georgischen Bagratiden die königliche Würde, weil sie zu der Dynastie der georgischen Zaren gehörten. Ewgenij Ptschjolow erklärt, warum dies nicht der Wahrheit entsprach: „Die Dynastie der Bagratiden, georgischer Zaren, hatten mehrere Zweige und die georgischen Zaren gehörten zum Zweig der Imereti. Darüber hinaus hielt der russische Zar nach kaiserlich-russischem Recht den Titel ‚Zar von Georgien‘, als Georgien 1801 Teil des Russischen Reiches wurde. So konnte kein georgisches Herrschaftsgeschlecht als ‚gleichwertig‘ mit den Romanows angesehen werden. Wladimirs Entscheidung von 1946 machte die Situation absurd“, sagt Ptschjolow.
Leerer Thron
„Nur Mitglieder des russischen Zarenhauses Romanow haben Anspruch auf den Thron“, ergänzt Ptschjolow. „Solche Menschen müssen in erster Linie in einer gleichberechtigten Ehe geboren werden, von Nachkommen des königlichen Geschlechtes. Die letzte Romanow, die diesen Anforderungen gerecht wurde, war Prinzessin Catherine Iwanowna, welche von 1915 bis 2007 lebte und die letzten Jahre ihres Lebens in Uruguay verbrachte. Derzeit gibt es keine Romanows, die aus gleichberechtigten Ehen hervorgegangen sind, sodass nach dem russischen Kaisergesetz niemand Rechte auf den Thron beanspruchen kann“, schloss Ptschjolow.
Eine Möglichkeit, solche Krisen zu lösen, war in der Vergangenheit, ein Treffen von Semski Sobor, dem russischen Parlament des 16. bis 17. Jahrhunderts, einzuberufen. So wurde beispielsweise Michail Romanow, der erste Zar des kaiserlichen Geschlechtes, beim Semski Sobor von 1613 gewählt. Der genaue Mechanismus ist jedoch unklar, da das russische kaiserliche Gesetz das Verfahren der Einberufung einer Sitzung von Zemski Sobor nicht erwähnt hat.
Einige monarchistische Gelehrte behaupten auch, dass das Russische Reich nicht offiziell für ungültig erklärt wurde und dass es technisch gesehen immer noch existiert. Dies ist jedoch unwahr, denn am 5. Januar 1918 erklärte die Russische konstituierende Versammlung auf ihrer ersten und einzigen Sitzung das Land zur Republik. Warum sprechen wir überhaupt über das russische Kaisergesetz, da es mit dem Ende des russischen Reiches die Monarchie nicht mehr existiert? Eines ist sicher, es gibt keine Romanows, die unbestrittene Rechte auf den nicht existierenden kaiserlichen Thron haben.