Wie russische Frauen versuchen, mit "slawischem Yoga" einen Ehemann zu finden

Legion Media
Diese russischen Frauen gehen extreme Wege, um besser mit ihren Eltern auszukommen, abzunehmen oder einen Ehemann zu finden. Doch sind Mandalas, magische Besenstiele und wackelnde Knie wirklich hilfreich?

„Nach und nach werde ich alles bekommen, was ich will“, schallt eine weibliche Stimme aus einem kleinen, hellen Raum in einem Moskauer Yogazentrum, in dem sich vier Frauen über 30 in Sportkleidung befinden. Sie stehen auf den Zehenspitzen und rudern mit ihren Armen.

Jeden Donnerstagmorgen treffen sie sich zu ihrem altslawisch inspirierten Fitnessprogramm. Es nennt sich Sila Beregini (Bereginja-Kraft) und wird in Russland immer populärer. In den Sozialen Netzwerken gibt es inzwischen mehr als 20 Bereginja-Gemeinschaften mit zehntausenden Abonnenten und Abonnentinnen. Eine Einheit kostet in Moskau etwa 700 Rubel (9,60 Euro). Darüber hinaus gibt es auch ein Bereginja-Buch und es besteht die Möglichkeit, Skype-Gespräche mit der Gründerin und Autorin Xenia Silajewa zu buchen.

Vor Vollmondnächten oder bestimmten Festen gibt es zudem auch Online-Seminare für slawische Magie. In diesen lernt man zum Beispiel, wie man magische Besen oder Mandalas herstellt, die angeblich vor Schulden, Krediten oder Krankheiten schützen. Manchmal erscheinen diese Seminare kostenlos auf der Seite von Bereginja. Meistens muss man dafür jedoch bezahlen.

Den Trainern zufolge hilft der Unterricht dabei, einen Ehemann zu finden, Gewicht zu verlieren, gesünder zu werden, besser mit den Eltern zurechtzukommen oder einfach „sein wahres Ich zu finden“.

Wie aus einer anderen Welt

Die Bereginja-Trainerin Jekaterina Bukrejewa legt auf der Fensterbank einige Karten aus. Auf ihnen sind Yoga-Bewegungen und „slawische“ Symbole abgebildet.

„Slawische Gymnastik“ ist eine Mischung aus „altslawischem Glauben, Astrologie und Gymnastik“, erklärt die Trainerin. Der Lehre nach gibt es drei Welten: Die obere Welt, in der die Götter leben, die mittlere Welt, in der wir leben, sowie die untere Welt, die „Welt unserer Vorfahren, der Geister und der Elemente“.

„Es gibt 27 Übungen – neun für jede Welt. Sie werden auf den Füßen stehend, den Knien und auf allen Vieren ausgeübt“, erklärt Bukrejewa. Angeblich wurden diese Übungen schon vor über fünfhundert Jahren von den alten Slawen entwickelt. Die Gründerin der Schule hätte sie dann auf die Bedürfnisse von modernen Frauen angepasst. „Slawische Gymnastik war ursprünglich ein Ritus zur Kanalisierung von Energien. Die Frauen konnten die Elemente kontrollieren, heilen und ihren Familien Wohlstand und Schutz bescheren“, behauptet sie.

Als Jekaterina das erste Mal mit dem Konzept in Kontakt kam, war sie 33 Jahre alt und arbeitete im Finanzsektor. Sie sah einen Fernsehbericht über die „slawische Gymnastik“ und schrieb sich prompt für ein Seminar ein. Sofort fühlte sie sich freier. Die Begeisterung war sogar so groß, dass sie sich entschied, Trainerin zu werden. Sie erzählt, dass sie in dieser Zeit acht Kilogramm abnahm und sich wieder besser mit ihrer Familie verstand.

Karma, Probleme und Schlaf

Während wir Atemübungen und gewöhnliche Sportaufgaben machen, sagt die Trainerin mir, dass sie ein Programm auf Basis meines Geburtsdatums und -ortes erstellt habe. Meine „karmische Aufgabe“ liege im Bereich von Wohlstand und Geld. Also solle ich die Gesetze der Finanzen lernen und sie in meinem Leben anwenden.

„Wir haben ein warmes Gefühl unterhalb der Taille – dort ist unser Energiezentrum. Wir spüren, wie unsere Fußsohlen im Boden Wurzeln schlagen“, sagt Jekaterina mit sonorer Stimme. Alle stehen mit geschlossenen Augen vor ihr und stellen sich selbst als Bäume dar.

„Hattest du ein warmes Gefühl?“, fragt die Trainerin besorgt. Ich bemerke, dass ich tatsächlich für ein paar Minuten eingeschlafen bin. „Ja, ich habe es gefühlt“, antworte ich ihr verschlafen.

Ein Geschäftsmodell

Alle befragten Mitglieder der Bereginja-Gruppe auf dem sozialen Netzwerk vk.com sind sich einig: Die Übungen haben ihr Leben verbessert.

Anna Koretskaja (34), Fitnesstanz-Trainerin aus Jaroslawl, meint jedoch, die Workouts helfen nur in Verbindung mit einer guten Diät und einem gesunden Lebensstil.

„In den Gymnastikstunden wirst du zu einem gesünderen Lebensstil motiviert“, meint sie.

„Infopreneurship ist in Russland schon seit einigen Jahren populär, vor allem unter Frauen. Die Gründer der Gruppen nutzen das typisch russische Bedürfnis, Teil eines Kreises zu sein, sich auszutauschen, über Probleme zu reden und gemeinsam an Wunder zu glauben“, sagt die Yogalehrerin Natalia Petrowa.

Der Jurist Alexander Spiridonow fügt hinzu: „Meistens sind diese Organisationen als Ich-AGs registriert. Da sie keine Bildungstätigkeit im rechtlichen Sinne ausüben, brauchen sie keine Lizenz. Kontrollen für Fitnessstudios gibt es nur seitens des Finanzamtes und in Extremfällen durch die Generalstaatsanwaltschaft.“ Letztere kann bestätigen, dass die Organisationen gesetzestreu sind.

Noch eine Bereginja

Am Ende der Einheit gehen wir auf alle Viere, dehnen unser Becken, legen unseren Kopf auf die linke Schulter und verschränken die Hände auf dem Rücken. Dann heben wir ein Bein in die Luft (was sehr schwerfällt) und sagen: „Wenn ich Willenskraft beweise, werde ich mithilfe der Natur noch besser.“

Danach applaudieren wir einander und geben uns Komplimente. Wir bedanken uns für die Energie der vier Elemente sowie für die Macht der Bereginjas.

Als wir die Gründerin von Sila Beregini, Xenia Silajewa, um ein Interview baten, versprach sie, uns zu antworten, nachdem sie ihre Kinder ins Bett gebracht hatte. Sie meldete sich jedoch nicht mehr.

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