Barfuß in der U-Bahn – widerlich oder gesund?

Sergei Bobylew/TASS
Bilder von Frauen, die barfuß U-Bahn fahren, sorgten in den russischen sozialen Netzwerken für einen Shitstorm. Doch handelt es sich dabei nur um einen Flash Mob oder wird hier eine Lebensphilosophie verkörpert?

Im Juli tauchten in den russischen sozialen Netzwerken Fotos von jungen Frauen mit nackten Füßen in den U-Bahnen von Moskau und Nowosibirsk auf. Männer scheinen dagegen eher schüchtern zu sein. In Anlehnung an den alljährlichen „No Pants Subway Ride, einem Tag, an dem in einigen Teilen der westlichen Welt junge Leute ohne Hose U-Bahn fahren, wurde die Aktion als „Barefoot Subway Ride bezeichnet. In den sozialen Netzwerken ernteten die nackten Füße meist Unverständnis. „Die U-Bahn ist so schmutzig, dass man am liebsten Handschuhe tragen würde und ihr geht barfuß?, „Schöne schwarze Absätze oder „Schuhe sind teuer, das kann sich nicht jeder leisten“, lauteten die Kommentare.  

Sogar die Betreiber der Nowosibirsker U-Bahn äußerten sich über ihre Pressestelle zu der Aktion. Es sei verboten, das Verkehrsmittel ohne Fußbekleidung zu nutzen, wenn ein Verstoß zumindest finanziell auch folgenlos bleibt. Ein Bußgeld gibt es nicht. „Das Ignorieren der Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften kann zu Verletzungen führen“, wird eine Vertreterin der U-Bahn-Betreiber in der Zeitung „Kosmolskaja Prawda zitiert. „Die Rolltreppennutzung ohne Schuhwerk kann zu Verletzungen durch die sich bewegenden Metallteile führen. Bei nassen Böden besteht eine erhöhte Rutschgefahr. Wenn jemand mit Schuhen auf die ungeschützten Füße eines Barfußläufers tritt, kann dies sehr unangenehm sein“, heißt es.  

Bei der Aktion handelte es sich jedoch nicht um einen Flash Mob. Es sind lediglich ein paar hundert Menschen im ganzen Land, die es lieben, barfuß zu laufen, auch in der Stadt. Wir haben versucht herauszufinden, warum. 

Verbindung zur Erde 

Die Barfußläufer fühlen sich wohl und finden nicht, dass es verboten sein sollte. Für Jewgenia aus Nowosibirsk ist der Verzicht auf Schuhe wie „Kopfhörer ablegen. „So erhalte ich viel mehr sensorische Informationen. Es ist ein zusätzlicher Rezeptor, sagt sie. 

Andere Barfußliebhaber sind überzeugt, dass Schuhe unnatürlich seien und das Fußgewölbe schwächen. Auch im Winter laufen sie barfuß und sind sicher, dass dies den gesamten Organismus stärkt. Wie viele dieser passionierten Barfußläufer es gibt, weiß keiner so genau, doch allein in Russland sind es hunderte. Die VKontakte-Gruppe „Nowosibirsk Barfuß hat mehr als 900 Mitglieder. Die russische Hauptstadt ist laut Fernsehsender „Moscow 24“ die Heimat von etwa hundert Barfußanhängern. Diese soll es nach Medienberichten auch in Tscheljabinsk, Perm, Wladimir, Orenburg und St. Petersburg geben. 

Die Moskowiterin Polina Smertsch ist bekennende Barfußläuferin. Sie sagt, es sei völlig ungefährlich, ohne Schuhe und Strümpfe durch die Stadt zu laufen. „Man muss darauf achten, wo man hintritt. Ich mag die anderen Empfindungen. Man fühlt sich mit der Stadt verbunden, offener“. Der Russe Wladimir Nessin ist 69 Jahre alt und auch er verzichtet am liebsten auf Fußbekleidung, und zwar weltweit. 146 Länder hat er bereits ohne Schuhe bereist. „Schuhe stören mich. Sie fühlen sich an wie Ketten. Wenn ich barfuß gehe, fühle ich eine Verbindung zur Erde. Es ist sehr gesund. In den letzten 22 Jahren habe ich 142.000 Kilometer zu Fuß zurückgelegt, erzählte er der „Rossijskaja Gaseta

Gibt es Gefahren? 

Mediziner sind skeptisch. Andrei Tiatschelnikow von der Abteilung für die medizinische Grundversorgung Erwachsener in Moskau warnt vor schweren Verletzungen, Verbrennungen durch heißen Asphalt und möglichen Infektionen. „In der Menschenmenge ist das Risiko groß, dass jemand auf ihre ungeschützten Füße tritt. Für Diabetiker ist das besonders gefährlich, da bei ihnen die Wundheilung verzögert ist. Da die Straßen nicht desinfiziert werden, steigt das Risiko für Infektionen. Starke Regenfälle können die Straßen mit Abwasser fluten. Es ist nicht zu empfehlen, in der Stadt barfuß zu laufen.

Auf Sand oder Gras mache es dagegen durchaus Sinn. Die Fußmuskulatur wird trainiert, Nerven und Blutgefäße stimuliert. Das wirkt sich insgesamt positiv auf die Gesundheit aus. 

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