Jacques Chirac: Russland verliert einen Freund, Puschkin einen ewigen Bewunderer

Reuters
Der im Alter von 86 Jahren verstorbene ehemalige Staatschef Frankreichs unterhielt sein Leben lang ein besonderes Verhältnis zu Russland. Seine Bestrebung, die Beziehungen zwischen beiden Nationen zu stärken, wurde unter anderem dank seiner Liebe zur russischen Literatur ermuntert.

Der Tod des ehemaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac an diesem Donnerstag hat in Russland schnell Reaktionen ausgelöst. Dank seiner engen Verbindungen mit dem Land, erfreute er sich hier als Politiker und Persönlichkeit großer Beliebtheit.

Wegen seiner langen politischen Laufbahn hatte Chirac die Gelegenheit, mit Michail Gorbatschow, Boris Jelzin und Wladimir Putin zusammenzuarbeiten. Von den fast 300 internationalen Reisen, die er während seiner beiden Amtszeiten als Präsident unternahm, führten ihn 15 in das Land der Zaren.

Seine aufrichtige Bewunderung Russlands hat er kaum verborgen. 2001 sagte er während eines Interviews vor dem bilateralen Gipfeltreffen, er sei sehr froh, nach Russland zu reisen.  „Es ist eine große Freude, weil es [Russland] immer einen großen Platz in meinem Leben einnimmt. Ich habe immer mit Bewunderung auf die Großartigkeit des russischen Volkes geschaut. Und jedes Mal, wenn ich Russland besuche, fühle ich Freude und Glück, wenn ich mit ihm spreche.“

Das Gefühl der Verbundenheit geht zurück auf seine frühen Jahre, als Chirac die russische Sprache dank einem Professors aus Sankt Petersburg lernte. So hatte er die literarischen Meisterwerke von Puschkin kennengelernt und später die kühne Übersetzung seines Vers-Romans „Eugene Onegin“ vorgenommen, die jedoch nicht veröffentlicht wurde. 

Seine Bewunderung für den großen russischen Dichter kam auch mit der folgenden Aussage zum Ausdruck. Er erwähnte einmal, dass wenn er drei Porträts in seinem Büro aufhängen müsste, eines unbedingt von Puschkin wäre neben denen von Charles de Gaulle und Louis XIV.

Jacques Chirac wurde in Russland geschätzt und respektiert, insbesondere in den Augen des gegenwärtigen russischen Präsidenten. Im Interview mit der britischen Zeitung Financial Times am Rande des G20-Gipfels in Osaka im Juni 2019 betonte Wladimir Putin, er sei „vom ehemaligen Präsidenten Frankreichs, Herrn Chirac, sehr beeindruckt.“ Putin bezeichnete ihn als einen echten Intellektuellen. „Er ist ein sehr ausgeglichener und sehr interessanter Mensch. Er hatte seine eigene Meinung zu jeder Frage, als er Präsident war. Er wusste, wie man diese verteidigt, respektierte aber immer die Meinungen seiner Partner." 

Auch im Kulturbereich zeigte er seine Bemühungen, die Verbindungen zum Nachbarn in Osteuropa zu stärken. Beispielsweise nahm er im Juli 2001 an der feierlichen Eröffnung des französischen Kultur- und Sprachzentrums „l’Alliance française“ in Samara teil. 2005 hat der französische Präsident zusammen mit Wladimir Putin ein Denkmal für General Charles de Gaulle in Moskau enthüllt. „Ich bin ein entschlossener Optimist in Bezug auf die Zukunft der französisch-russischen Zusammenarbeit“, sagte er in einem Interview mit der Zeitung Rossijskaja Gaseta im Jahr 2006.

1997 wurde er der erste ausländische Träger des Russischen Verdienstordens für das Vaterland 1. Klasse als Anerkennung für seinen großen persönlichen Beitrag zur Entwicklung der Zusammenarbeit und zur Stärkung der Freundschaft zwischen den Völkern Russlands und Frankreichs.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass Russland die traurige Nachricht über Chiracs Tod bewegt. Während Wladimir Putin den Angehörigen des Verstorbenen sein Beileid ausdrückte, hatte der prominente russische Journalist Michail Gusman, der zweimal Interviews mit Chirac führte, seine Erinnerungen an die Treffen mit dem französischen Politiker geteilt: 

„Jacques Chirac war vielleicht „der letzte Mohikaner“ jener Generation französischer Politiker, die die neue Fünfte Republik aufbaute. Es war mir eine Ehre, zweimal ein Interview mit Jacques Chirac zu führen, und er blieb mir als Mann mit phänomenaler Gelehrsamkeit, tiefstem Verstand und heller, bildlicher Sprache in Erinnerung. Er liebte Russland von Kindheit an und übersetzte in seiner Jugend sogar „Eugene Onegin“ ins Französische. Natürlich wird die Welt ärmer, wenn so große Politiker gehen“, sagte Gusman.

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