Als Karina aus Moskau mit ihrem amerikanischen Freund in den Urlaub fahren wollte, stellte sich heraus, dass er nicht beabsichtigte, für ihr Hotel und ihre Flugtickets zu bezahlen. Und der Amerikaner fügte hinzu: „Hast du heute etwa Geburtstag? Oder bist du ein Flüchtling und hast keinen Job?“
„Sein Gehalt war etwa viermal so hoch wie meines, wir waren sechs Monate lang zusammen und ich ahnte nicht, dass die Ausgaben für den Urlaub Anlass für einen Streit sein könnten. Russische Männer zahlen nämlich normalerweise für alles!“
Viele russische Frauen haben den Traum, einen Ausländer kennenzulernen und mit ihm zusammenzuleben (es wurden sogar wissenschaftliche Studien über diese Heiratsmigration veröffentlicht). Aber manchmal wird die Realität diesen Erwartungen nicht gerecht.
Lebensgemeinschaften und Urlaub in Russland
„In Frankreich haben es die Menschen oft nicht eilig, zu heiraten, viele bekommen Kinder und heiraten erst später oder leben weiterhin ohne „Stempel im Pass“. Zum Beispiel heirateten die Eltern meines Freundes, als er (das älteste Kind) 19 Jahre alt war“, erzählt Aljona, 26, Student an der Pariser Business School HEC. Als sie nach Paris zog, war sie seit drei Jahren liiert. Viele Russen aus dem postsowjetischen Raum sind schockiert über diese Einstellung gegenüber der Ehe und der Vorschlag, eine PACS (eingetragene Lebenspartnerschaft) abzuschließen, wird als eindeutiges „Stopp“ wahrgenommen.
„Die PACS ist eine offizielle Lebensgemeinschaft, die die gleichen Steuervorteile wie die Ehe bietet und die Visafragen vereinfacht“, erklärt Aljona. „Mein Freund und ich beschlossen auch, eine solche Partnerschaft einzugehen, und ich begann, in Foren wie dem ,russischen Parisʻ nach Informationen zu suchen. Es gab unter jedem Beitrag unzufriedene Kommentare zu einer solchen Partnerschaft.“ Eine verbreitete Meinungen in solchen russischsprachigen Foren: Normale Männer mit ernsthaften Absichten halten um die Hand an. Die PACS ist wie eine Probefahrt – du kannst kostenlos ausprobieren und wenn es dir nicht gefällt, gehst du einfach.
Aljona fand den Vorschlag positiv: „Ich denke immer noch, dass ich zu jung für eine Ehe bin.“ Zuerst ärgerte sie sich über ganz andere Dinge: „Als er versuchte, schreckliche Kosakenlieder zu spielen oder mir im Messenger Telegram Sticker mit Putin (den er Wowa nannte) zu senden. Aber das ist schon lange her“, sagt Aljona. Jetzt ärgert sie nur, dass er den Urlaub in Russland verbringen will. „Mich nerven seine Vorschläge, den Urlaub im Dorf Wjoschenskaja (wo der Roman „Der stille Don“ handelt) und auf der Krim zu verbringen. Ich habe keine Lust, mich in den Ferienorten der ehemaligen UdSSR zu erholen...“
Getrennte Rechnung und ideale Männer
Für viele russische Frauen bringt das Fass zum Überlaufen oder ist ein „No Go“, wenn sie für sich selbst bezahlen sollen.
„Meinen Ex-Mann, ein Franzose, habe ich in einem Club kennengelernt. Er hatte geschäftlich in Moskau zu tun. Wir waren noch nicht lange zusammen, aber die Beziehung war so berauschend, dass wir uns bald dazu entschieden zu heiraten. Er bot sofort an, nach Frankreich zu gehen. Ich stimmte zu, kündigte meinen Job, hob meine Ersparnisse ab und fuhr fort“, erinnert sich die 26-jährige Lena.
„Zuerst war alles in Ordnung, mal abgesehen von der Sprachbarriere. Ich begann, Kurse zu besuchen und mehr zu kommunizieren. Mein Mann war eifersüchtig auf alle, obwohl es keinen Grund dafür gab. Dann fing die Nörgelei an – er war unzufrieden mit allem, was ich tat. Das Fass zum Überlaufen brachte der Vorwurf, dass ich ,zu viele Lebensmittelʻ einkaufe und ,zu viel Geld für zu viele Dinge ausgebeʻ. Danach teilte er das Budget in ,meinsʻ und ,deinsʻ auf. Ich habe das nicht lange ausgehalten. Die Scheidung war hart, aber sie war es wert“, erinnert sie sich.
In Internet-Communitys, in denen Russen ihre Erfahrungen darüber teilen, „wie man einen Ausländer heiratet“, gibt es die verbreitete Meinung, dass es dumm sei, den Flug zu einem Freund, ein Hotelzimmer oder ein Abendessen selbst zu bezahlen.
„Ich hatte eine Beziehung mit einem Italiener auf Malta. Er war eloquent und machte mir den Hof. Aber es blieb nicht viel Zeit für die Kommunikation. Am nächsten Tag flog ich nach Hause. Dann schrieb er mir und lud mich zu sich nach Hause ein, aber ich sollte für mich selbst bezahlen und die Flugtickets kaufen. Natürlich bin ich nicht geflogen“, erzählt Jekaterina Oljanaja.
Geschenke
Mit Geschenken kann man noch schneller ins Fettnäpfchen treten, vor allem, wenn sie nicht großzügig genug sind. Geschenke sind etwas, dem eine Russin viel Aufmerksamkeit schenkt.
„Mein Problem ist es, zu hohe Erwartungen zu haben. Aber der größte Fehler vieler Männer (besonders bei unterschiedlicher Mentalität) ist es, auf der eigenen Meinung zu bestehen. Wir Frauen wollen Blumen. Ganz spontan und ohne Grund. Sie sollten nicht herumtönen: Bei uns schenkt man keine Blumen. Nur zum Geburtstag oder bei einer Beerdigung. Was spielt es schon für eine Rolle? Es ist immer einfacher, einer Frau gefallen zu wollen! Sie wird glücklich sein und er schont seine Nerven“, antwortete die Userin der App Hi, Jay! Julia Gerus auf eine Umfrage von Russia Beyond.
Anna Marsters, eine 32-jährige Linguistin, die mehrere Jahre mit einem Amerikaner aus Illinois zusammenlebte, erinnert sich an die Geschenke aus den Vereinigten Staaten, die sie nicht sehr begeisterten: „Er dachte wahrscheinlich, dass wir in Zentralrussland immer noch in der Steinzeit leben. Er schickte mir immer Pakete mit Medikamenten wie No-Spa und Aspirin sowie Schokolade!“
Klischees
Einen nicht geringeren Einfluss auf die Enttäuschung haben die Klischees über Russland und russische Frauen. „Ich kann dieses absolute Unwissen über die russische Geschichte und Aussagen wie ,die Staaten sind am coolsten und überhaupt haben wir Frankreich gerettet und den Zweiten Weltkrieg gewonnenʻ nicht akzeptieren. Oder dieses Klischee ,Russland ist immer der Aggressorʻ. Oder die Frage, wie ich in einem so ,homophoben Landʻ leben könne. Sie haben zum Teil ja recht, aber wenn man einen Ausländer trifft, wird man zum Patrioten“, schreibt Lisa.
Katherina aus St. Petersburg musste von ihrem amerikanischen Freund hören: „Das Schlimmste für mich im Leben ist, in ein russisches Krankenhaus zu kommen. Es ist beängstigend, in einen Unfall zu geraten und dann dort aufzuwachen.“ Danach wurde sie von Ressentiments gequält: „Es war nicht so, dass ich beleidigt gewesen wäre. Aber was zum Teufel sollte das?“
Aber der Spitzenreiter sei ein anderes gefährliches Klischee, erinnert sich bei The Question die Userin Vera, die sechs Monate in Europa verbracht hat: „Ich habe mit vielen Ausländern gesprochen und absolut gecheckt, wie ihr Verhältnis zu Russen ist. Sie empfinden sie als leicht zugänglich und begierig darauf, auf jede erdenkliche Weise ins Ausland zu gehen. Ich habe Respekt vor Russen nur im Kreis der Wissenschaftler gefunden, mit denen ich gearbeitet habe. Ja, für sie haben russische Wissenschaftler immer noch den Ruf, würdige Opponenten zu sein.“
Dem gleichen Klischee stand auch Jekaterina Oljanaja gegenüber: „Ich war vor meiner Hochzeit viel mit meinen Freunden unterwegs, aber ich wusste nichts über den Ruf russischer Frauen im Ausland. Dann bemerkte ich, dass Ausländer uns mögen und schnell mit uns intim werden wollen“, erinnert sie sich.