Als Tourist in Russland: Fünf Tipps, wie Sie sich keine Feinde machen

Benjamin Davis ist US-Amerikaner und lebt in St. Petersburg. Er hat Einheimische gefragt, welches Verhalten sie sich von Touristen wünschen und was sie gar nicht mögen.

Ich habe mehrere Russen gefragt, welches Verhalten von Touristen sie am meisten stört und was diese besser machen könnten. Hier sind meine Erkenntnisse. 

1. Sprechen Sie nicht so laut  

Dämpfen Sie Ihre Stimme, wenn Sie sich drinnen aufhalten und behalten Sie das auch draußen bei. Der Klang der Stimmen aus aller Welt ertönt in Russland ziemlich laut. Rücksichtslosigkeit ist den Russen zwar nicht unbekannt, aber sie mögen es nicht, angeschrien zu werden. Geben Sie Ihren Worten die Gelegenheit, langsam ins Ohr Ihres Gegenübers zu dringen. 

Julia, die in Moskau gelebt hat, sagt: „Russen sind bei diesem Thema im Allgemeinen toleranter gegenüber Ausländern als Landsleuten. Zum Beispiel wurden meine Freunde und ich ein paar Mal in einem Zug beschimpft, weil wir laut gelacht hatten, aber wenn wir Ausländer wären, würden die Leute das eher hinnehmen.“ 

Bedenken Sie im Ausland aber bitte immer, dass Toleranz bedeutet, dass man Ihr Verhalten nur aus Höflichkeit erträgt.  

2. Gehen Sie nicht davon aus, nicht verstanden zu werden 

Dieses Missverständnis ist vor allem unter englischsprachigen Touristen weit verbreitet. Ungehemmt fluchen diese in der Öffentlichkeit oder führen unangemessene Gespräche. Das ist sehr unklug, denn viele Russen sprechen doch sehr gut Englisch und auch, wenn sie es nicht sprechen wollen, so verstehen sie die Sprache. Gehen Sie nicht immer davon aus, nicht verstanden zu werden. 

Buchhändlerin Maria hat dazu folgende Geschichte: „Während der Fußball-WM haben ausländische Kunden ihre Frage mehrfach wiederholt, während ich bereits nach der gewünschten Ware gesucht habe. Aber sie haben das nicht getan, wie man das schon mal macht, wenn man etwas länger warten muss. Sie haben es b-u-c-h-s-t-a-b-i-e-r-t!“ 

3. Diskutieren Sie nicht über Politik  

Amerikaner diskutieren politische Themen, als ginge es darum, ihren besten Freund zu verteidigen. Das kommt nicht überall auf der Welt gut an. Besonders die Russen reagieren empfindlich darauf, wenn neue Bekanntschaften sofort fragen, was sie über Trump, Putin oder die Ukraine denken. 

Jewgenija empfiehlt daher, aktuelle politische Themen aus dem Gespräch auszuklammern. 

„Solche Gespräche mit Touristen enden selten harmonisch. Ausländer neigen häufig dazu, die Russen persönlich zur Verantwortung zu ziehen. Aber wer will schon wegen der US-Präsidentschaftswahlen angegriffen werden? Oder Schuld haben an Brexit, Giftanschlägen, Dopingskandalen, Polizeigewalt, Putin gegen Nawalny usw.? Die Leute sind es leid. Sie haben damit nichts zu tun. Sie sind lediglich in Russland geboren und leben dort, so wie die Menschen in anderen Ländern auch. Das ist so, als würde man jemanden beschuldigen, die Waldbrände in Sibirien gelegt zu haben, weil er jemanden nach Feuer gefragt hat“, regt sich Julia G. auf. 

Daria ärgert sich inzwischen auch über politische Fragen, nachdem sie einmal gefragt wurde, warum sie die Ukraine angegriffen habe. Sie will auch nicht mehr verraten, was sie über Putin denkt. 

Meist regen sich die Russen besonders über die russlandkritische  Berichterstattung westlicher Medien auf, die voller Halbwahrheiten sei und nie die ganze Geschichte erzähle, von den Menschen jedoch nicht hinterfragt werde. 

4. Halten Sie Abstand  

Ich habe noch nie russische Teenager auf der Straße gesehen, die auf einem Schild eine kostenlose Umarmung angeboten haben. Umarmungen sind nicht grundsätzlich verpönt in Russland. Doch wenn es um Fremde geht, sollte Abstand gewahrt werden. Händeschütteln (Tipp: Ziehen Sie Ihren Handschuh aus, bevor Sie jemandem die Hand geben) ist Nähe genug. 

Wenn Sie zum Beispiel zu den Leuten gehören, die ihre Mitmenschen immer gleich umarmen, sollten Sie das während Ihres Aufenthaltes in Russland bleiben lassen. Seien Sie nicht zu aufdringlich. 

Küssen sollte absolut kein Thema sein. „Einige Ausländer glauben, Russen würden sich zur Begrüßung auf die Wange küssen und machen das dann auch bei neuen Bekanntschaften. Das ist nicht wirklich schlimm. Dafür habe ich Verständnis. Aber es ist dennoch peinlich, sich einem Kuss entziehen zu müssen“, sagt Daria. 

5. Seien Sie aufrichtig  

In einigen Kulturen gehört Unaufrichtigkeit zum guten Ton. In Russland ist dies häufig nicht der Fall.  Jemanden grundlos anlächeln gilt hier nicht als Zeichen der Wertschätzung, sondern kann als herablassend oder aggressiv interpretiert werden. Jewgenija rät daher, Fremde nicht anzulachen.  

Ich habe in Russland die verschiedensten Menschen getroffen, doch in drei Jahren habe ich noch keinen kennengelernt, den ich als aufgesetzt freundlich bezeichnen würde. 

Viele Russen werden sich schnell ärgern, wenn Sie unaufrichtig sind und noch mehr, wenn Sie ihre Aufrichtigkeit als persönlichen Angriff missverstehen. Gerade in sozialen Fragen sagen Russen oft ehrlich ihre Meinung, es ist für sie ein Austausch, während der Amerikaner häufig einfach zustimmt, um zu vermeiden, jemanden mit seinen wahren Ansichten zu verletzen. 

Fahren Sie nicht nach Russland, wenn Sie schnell beleidigt sind. Solche Menschen sind für den schlechten Ruf von Russen in liberalen Kreisen verantwortlich. Die Russen können viele Meinungen akzeptieren und wenden sich nicht sofort ab, wenn jemand die ihre nicht teilt. Aber sie diskutieren gerne offen und ehrlich und stellen Fragen. Sie haben keine Scheu, zuzugeben, etwas nicht verstanden zu haben. 

Wenn Sie beleidigt sind, liegt das an Ihnen. 

>>> Harte Schale, weicher Kern: Wie Sie einen Russen knacken

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