Ich bin ein unentspannter Reisender. Ich möchte nur schnell zum Flughafen, ins verdammte Flugzeug einsteigen, abheben und vergessen.
Doch jedes Mal, wenn ich mit Schuhen an den Füßen und Koffer und Jacke in den Händen abflugbereit bin, geschieht das: Meine russische Reisebegleitung bleibt unvermittelt stehen, setzt sich nieder und schließt für einen Moment die Augen.
Es geht hier nicht darum, noch einmal die Beine richtig auszustrecken vor einem langen Flug. Es hat etwas geradezu Meditatives. Die Russen lassen sich diesen Moment der Entspannung vor der Reise nicht nehmen.
Vor einem Trip nach Warschau habe ich meine Freundin gefragt, was es mit dieser Tradition auf sich hat. „So kommt man zur Ruhe, sammelt seine Gedanken und kann noch einmal überlegen, ob man wirklich alles dabei hat, was man braucht.”
Es gibt drei Dinge, die ich auf jedem Flug, den ich von und nach Russland unternehme, erlebe:
1) Applaus: Bei jeder Landung gibt es in einem mit Russen besetzten Flugzeug wenigstens eine begeisterte Minderheit, manchmal auch eine Mehrheit, die klatscht. Ich nehme an, das ist eine nette Art dem Piloten zu danken, dass er uns nicht in einen Berg gesteuert hat und die Überlebenden gezwungen waren, die Schwächsten zuerst zu essen.
Denn das ist es doch, was wir alle bei einem Flug fürchten, oder? Oder nicht?
2) Umsetzen: Das liebe ich an den Russen. Bevor ich häufiger mit ihnen gereist bin, war ich viel zu schüchtern, mich auf freie Plätze im Flieger zu setzen, selbst, wenn ich eingepfercht auf einem Mittelplatz saß. Ich hätte auch nie gefragt, aus Angst, eine Abfuhr zu bekommen. Nicht so die Russen. Sie schalten sofort in den „Ist mir doch egal”-Modus um und wechseln bei der erstbesten Gelegenheit auf einen komfortableren Sitzplatz.
3) Aufstehen, bevor das Flugzeug zum Stillstand gekommen ist: Auf jedem Flug von und nach Russland steht mindestens ein Russe auf, sobald das Flugzeug Bodenkontakt hat. Er greift dann ins Gepäckfach, lange bevor wir am Gate angekommen sind. Inzwischen beobachte ich die Flugbegleiter bei einer Landung auf einem russischen Flug. Sie wissen sofort, was kommen wird, und sie legen los: „Verzeihung!”, „Verzeihung, Sir, setzen Sie sich!", „Ma'am, bitte, das Flugzeug hat das Gate noch nicht erreicht!” Zu diesem Zeitpunkt stehen jedoch bereits sechs bis sieben Personen (manchmal auch mehr) im Gang und das Kabinenpersonal greift zum Lautsprecher: „DAS FLUGZEUG HAT DIE ENDGÜLTIGE PARKPOSITION NOCH NICHT ERREICHT! BITTE SETZEN SIE SICH WIEDER!”, schallt es dann unmissverständlich durch die Maschine.
Russen kaufen immer etwas. Nicht nur für die Familie und enge Freunde. Ich habe Kollegen, die bringen von Auslandsreisen Geschenke für die ganze Belegschaft mit. Meist ist es etwas zum Essen. Die Familie meines Freundes nimmt extra einen zusätzlichen Koffer mit nach Spanien, um Wein mitbringen zu können.
Wenn Russen reisen, tun sie so, als würde das Land, das sie besuchen, nach ihrer Abreise plötzlich niederbrennen. Daher kaufen sie sicherheitshalber so viel, wie sie tragen können. Essen und Alkohol sind die häufigsten Mitbringsel, aber auch Schmuck oder Souvenirs oder Waren aus Geschäften, die es in Russland nicht gibt.
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