Wie Ihre Beziehung die Selbstisolation überlebt – Ratschläge eines erfahrenen Heimarbeiters

Aus dem persönlichen Archiv
Semjon Poljakowski startet gerade eine Karriere als Gestalttherapeut. Er hat zudem viele Jahre von zu Hause aus gearbeitet, ebenso seine Frau. Der Kreative kennt die Herausforderung, die die Selbstisolation nun für viele Paarbeziehungen bedeutet, und weiß, wie man sich trotz aufgezwungener Nähe nicht voneinander entfernt.

In den vergangenen sieben Jahren habe ich hauptsächlich von zu Hause aus gearbeitet, ebenso wie meine Frau. Wir arbeiten in einem kleinen Studio, indem man sich kaum aus dem Weg gehen kann. Deshalb möchte ich meine Erfahrungen teilen, wie man Stress vermeidet, wenn man als Paar bei der Arbeit viel Zeit auf engstem Raum miteinander verbringen muss. 

1. Legen Sie Arbeits- und Freizeit eindeutig zeitlich fest!

Ein großes Problem ist eine fehlende Abgrenzung von Arbeits- und Freizeit. Normalerweise arbeiten Sie nicht, wenn Sie zusammen sind, daher droht nun die Freizeitroutine, die Arbeit zu beeinträchtigen. Sie könnten denken, dass Ihr Partner jederzeit seine Arbeit unterbrechen und Ihnen seine Aufmerksamkeit schenken könne. Und das Gefährlichste ist, wenn der Partner genauso denkt. So entsteht ein Prioritätenkonflikt. 

Wenn Sie eine Aufforderung hören, etwas aus dem privaten Bereich zu erledigen, verspüren Sie das Bedürfnis, das rasch zu erledigen. In jedem Fall werden Sie die Information abspeichern. Hören Sie als den Satz: „Wir sollten die Rechnungen bezahlen…“, werden Sie mit ziemlicher Sicherheit Ihre Aufmerksamkeit von Ihrer Arbeit abwenden, um diesen Satz mental zu bearbeiten. Oft reagieren die Menschen schroff auf ein solches „Eindringen“ in die Arbeitssphäre: „Siehst Du nicht, dass ich beschäftigt bin?“. 

2. Halten Sie sich aus der Arbeit Ihres Partners raus! 

Die Kehrseite ist, wenn die Arbeit in den Beziehungsbereich eindringt. Die meisten Menschen wissen oft gar nicht, welchen Arbeitsstil ihre Lieben haben. Nun stellen Sie sich vor, Sie stehen plötzlich im Büro Ihres Partners und sehen ihm beim Arbeiten zu. Sie haben das starke Verlangen, Ratschläge zu erteilen und Verbesserungsvorschläge zu machen. 

Sie können sich nicht zurückhalten und würden am liebsten die Todsünde begehen, ihm über die Schulter hinweg zu erklären, wie er seine Arbeit anders, besser machen könne. Es versteht sich von selbst, dass ein solches Verhalten alles andere als willkommen wäre.

Unsere Projektionen manifestieren sich noch deutlicher, wenn es um „Aufschub“ geht. Es mag Ihnen so vorkommen, als ob Ihre Lieben den ganzen Tag nur Tee trinken oder auf Instagram unterwegs sind. Es besteht die Gefahr, in die Rolle eines strengen Elternteils zu schlüpfen und dafür zu sorgen, dass der Partner auch wirklich arbeitet und nicht abgelenkt wird. 

Im Wesentlichen ergeben sich die oben genannten Probleme aus einer Erosion der Grenzen zwischen zwei verschiedenen Lebensbereichen und der Rolle, die darin jeweils eingenommen wird. Die Lösung besteht darin, so weit wie möglich eine klare Grenze zwischen beiden Bereichen zu ziehen!

3. Schaffen Sie Distanz und stellen Sie klare Regeln auf! 

Die einfachste und effektivste Methode besteht darin, diese Prozesse räumlich und zeitlich abzugrenzen. Wenn Sie können, arbeiten Sie in verschiedenen Räumen. Wenn dies nicht möglich ist, versuchen Sie so weit wie möglich außerhalb des Blickfeldes des Partners zu arbeiten und von ihm nicht wahrgenommen zu werden. Wenn Sie normalerweise während der Arbeit Musik hören, verwenden Sie Kopfhörer. 

Es ist auch wichtig, Regeln aufzustellen. Probleme treten besonders häufig auf beim Wechsel der Lebensbereiche, etwa zu Beginn und am Ende des Arbeitstages oder auch, wenn es Zeit für die Mittagspause ist. Letzteres ist besonders schwierig, wenn Sie zusammen zu Mittag essen wollen und einer von Ihnen bereit für die Pause ist und schon mit Essen beginnt, während Sie noch beschäftigt sind. 

Um sicherzustellen, dass die Regeln eingehalten werden, sollten Sie Ihrem Partner erklären, warum das notwendig ist. Das wichtigste dabei ist, zu vermitteln, dass Ihre Distanzierung während der Arbeitszeit nicht bedeutet, dass Sie weniger Gefühle oder Respekt für den Partner haben.  

Das Überschreiten von Grenzen ist ein Problem in Beziehungen im Allgemeinen, und gemeinsam daran zu arbeiten, diese Grenzen einzuhalten, kann eine Beziehung auch bereichern. Vergessen Sie nie, dass Ihr Partner eine eigenständige Person ist, mit eigenen Bedürfnissen, Eigenheiten und eigenen Rechten. 

Einige allgemeine Tipps:

Wenn Sie möchten, dass Ihr Partner sein Verhalten ändert, sprechen Sie es an. Warten Sie nicht darauf, dass der Partner von selbst darauf kommt. Je früher und eindeutiger Sie sagen, was Sie wollen, desto schneller wird Ihr Wunsch erfüllt oder abgelehnt, in diesem Fall suchen Sie nach Alternativen.

Zweitens, wenn es einen streitigen Punkt gibt, streiten Sie darüber. Kehren Sie Probleme nicht unter den Teppich. 

Drittens, wenn Sie Probleme ansprechen, sprechen Sie zunächst über Ihre Gefühle in diesem Zusammenhang. Sagen Sie zum Beispiel: „Es tut mir sehr weh, nein zu sagen, wenn Du meine Aufmerksamkeit möchtest. In diesem Augenblick bin ich jedoch…“.

Natürlich drückt man auch mit Aussagen wie „Es macht mich wütend!“ oder „Es nervt mich!“ Gefühle aus, aber dahinter steckt dann meist mehr Unzufriedenheit oder ein unbefriedigtes Bedürfnis. Versuchen Sie also, sich nicht von Ihrem Ärger beherrschen zu lassen. Finden Sie heraus, warum Sie ärgerlich sind. 

Ein letzter Gedanke: Die gegenwärtige Situation ist eine hervorragende Gelegenheit für Sie, mehr übereinander und damit auch über sich selbst herauszufinden und Ihre Beziehungen auf eine neue und tiefere Ebene zu bringen.

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