5 Tage mit 5 Dates in Russland. Was kommt dabei heraus?

Legion Media
Ich habe fünf Tage hintereinander untersucht, wie die Partnersuche in Russland funktioniert, und versucht, einen Mann zu finden.

Erster Tag: Tinder

Ohne lange nachzudenken, besorgte ich mir diese beliebte App, lud ein paar Fotos aus meinem Urlaub hoch, peppte meinen Account mit einer kurzen Beschreibung meiner Hobbys auf und begann, die Kandidaten nach rechts und links zu wischen. Bald schon hatte ich 275 Matchs. Aber keiner von ihnen hat mir auch nur geschrieben.

Mädchen in Russland wird eingetrichtert, dass der erste Schritt vom Mann ausgeht. Ich habe also mein Image als Frau ramponiert, als ich die Initiative ergriff und „Hallo“ an verschiedene Kerle schrieb, die mich mochten. Am Abend entspann sich folgender Dialog mit einem von ihnen:

Ich: Hallo.

Er: Wow, Mann.

Ich: ???

Er: Wow, was für ein Flittchen.

Ich: Könntest du bitte erklären, was du meinst?

Er: Sorry, ich bin kein Journalist wie du – ich kann’s nicht anders sagen. … und Tschüss!

Am Tagesende zeigte einer der Männer Initiative. Und das sah so aus:

„Guten Morgen. Mein Tag hat gut begonnen, ich suche immer nach Freunden, mit denen ich Sex haben kann“.

„Bist du blöd, das du in Tinder herumhängst?“, fragte mich meine Freundin. „Dort ist man doch nur, um Sex zu haben oder um sein Selbstwertgefühl zu steigern“. Und tatsächlich erinnerte ich mich daran, dass ich vor mehr als einem Jahr bereits einmal bei Tinder war. Ich hatte so gut wie nie auf Nachrichten reagiert – aber ich nahm die Komplimente gerne entgegen und mit jedem Match stieg mein Selbstwertgefühl. Aber wenn ich genauso war, welches Recht hatte ich dann, den Männern etwas vorzuwerfen?

Zweiter Tag: Soziale Netzwerke

Mit Facebook hätte es eigentlich einfacher sein sollen – mein Account ist schon lange gut gefüllt, die Fotos von Instagram bekommen von Kollegen und Freunden wohlverdiente Likes und das System empfiehlt mir Personen, die ich zu meinen Freunden hinzufügen kann.

Bevor ich eine andere Hälfte finden konnte, erhielt ich eine Nachricht im Messenger: „Hallo, dein Instagram-Account ist ja unglaublich. Ich denke, du solltest dich an der Fakultät für Poesie in unserer Literaturhochschule einschreiben.“

Ich habe lange versucht, herauszufinden, wie Landschaftsfotos auf dem iPhone und Selfies mit Poesie verbunden sind, aber es stellte sich heraus: Es war einfach nur ein nettes Kompliment eines Journalisten aus der Technik-Redaktion einer russischen Wirtschaftszeitung. Nach ein paar Stunden Korrespondenz zu den Themen Journalismus und Fantasy-Filme lud er mich in eine Bar ein. Um seine Sympathie für mich zum Ausdruck zu bringen, hatte er sogar eines der Fotos, die ich geschossen hatte, als Hintergrundbild auf seinem Smartphone installiert.

Er trug enge Jeans und riesigen Galoschen. Er hatte Augenringe von einer 24-stündigen Recherche und rote, schläfrige Augen. Ich bestellte einen Aperol – das war ein katastrophaler Fehler. Ich hätte mir einen Kaffee bestellen sollen, um mir anderthalb Stunden lang seine Geschichten von der Arbeit anhören zu können. Der Aperol wirkte schnell, aber die Geschichten über die gruseligen Kollegen und die bösen Alpha-Tiere in der Redaktion wollten nicht enden. Ich war kurz davor, einzuschlafen und erinnerte mich „plötzlich“ an ein Meeting, das es natürlich nicht gab, und ging nach Hause.

Dritter Tag: öffentlicher Raum

„Ich weiß, dass du ein Mafioso bist. Und weißt du auch, warum? Weil du so verdammt clever bist“, spricht mich ein süßer Mann in den Dreißigern mit georgischen Akzent an, der Weißwein aus  seinem Glas schlürft. Es ist etwa 6:00 Uhr morgens. Er, meine Freundin, ich und 13 weitere Personen spielen in einem Moskauer Café Mafia. Ich habe mein Ziel erreicht, aber an diesem Tag lief nicht alles wie geplant.  

Ich beschloss, in eine Bar zu gehen, um einen Mann kennenzulernen. Ich bin geschminkt, mein Haar ist gestylt und es ist sogar ein guter Anlass, ein Kleid zu tragen. Also, um 2 Uhr morgens tanzen meine Freundin und ich zu einem Song von Linkin Park in einer Moskauer Bar. Zwei Männer, die sich als Portugiesen vorgestellt haben, geben uns einen Whisky-Cola aus. Ich glaube, es ist der vierte. Meine Freundin hüpft buchstäblich vor Freude und schreit etwas. Ich höre kein einziges ihrer Worte, mein Kopf fängt an zu summen, aber durch die Musik hindurch höre ich Wortfetzen aus dem Gespräch eben dieser Portugiesen:

„Schau nur, wie die beiden tanzen – das sind definitiv Rockerbräute. Welche von beiden schleppst du ab? Ich kann die Brünette nehmen“, sagt einer von ihnen in perfektem Russisch und versucht, ohne zu fragen meine Taille zu fassen.

Ich nuschle etwas über Kopfschmerzen, nehme die Hand meiner Freundin und ziehe sie nach draußen auf die Straße. Wir gehen in das nächstgelegenen Café, um dort zu warten, bis die U-Bahn fährt. Als wir uns bei grünem Tee beruhigen, hören wir Schreie und Lachen aus dem Nebenraum. Die Neugierde ist stärker und nun sitzen wir bereits seit mehreren Stunden hier und spielen Mafia, Der besagte Georgier lässt sich meine Telefonnummer geben und ruft am nächsten Morgen an, um sich mit mir zu verabreden. Und ja, ich war wirklich ein Mafioso. Er hat mich in der letzten Runde durchschaut.

Vierter Tag: Partnervermittlung

„Haben Sie bereits eine Beziehung gehabt?“, fragt mich ein etwas fülliger 42-jähriger Mann im dunklen Anzug. Auf meine ruhige Antwort Ja fährt er sofort aus seiner Haut.

„Haben Sie schon geküsst und alles andere? Das ist eine Katastrophe! Alle Männer wollen eine Jungfrau! Also sagen wir den Männern, dass es eine Jugendsünde war und Sie es bereut und das Leben von Grund auf neu begonnen haben“, erklärt er mir.

Sergej ist Vermittler einer der führenden Partnervermittlungsagenturen, die in Russland bei jenen erfolgreich sind, die alle anderen Möglichkeiten bereits erfolglos ausprobiert haben.

Die Partnervermittler erklären Ihnen, wie Sie den Tinder-Fragebogen optimal ausfüllen, wie Sie auf die Nachrichten der Männer antworten, was Sie bei einem Date sagen sollten und organisieren Ihnen diese Dates für einen Zeitraum von vier Monaten. All dies kostet mindestens 54.000 Rubel (670 Euro). Es gibt mehrere Optionen im Programm – die teuerste von ihnen kostet 1,5 Mill. Rubel (18.000 Euro). Für diesen Betrag garantiert die Partnervermittlung, einen zukünftigen Ehepartner zu finden, und verspricht, Sie auch nach der Heirat zu beraten. Die erste Beratung ist kostenlos. Und die habe ich in Anspruch genommen.

Sergej ist ein Anhänger traditioneller Beziehungen, bei denen der Mann das Oberhaupt der Familie ist. Eine halbe Stunde lang erklärt er in einem kleinen Moskauer Café, dass man einem Mann nicht widersprechen dürfe. Ich sei „nicht der hoffnungsloseste Fall“, weil ich klug und mein Gesicht auch ganz in Ordnung sei. Nachdem er mir seine Visitenkarte hinterlassen und einen Tag zum Nachdenken gegeben hat, verabschiedet sich Sergej und setzt sich an den Tisch nebenan. Als ich das Café verlasse, höre ich ihn zu einer hübschen Frau in den Mittedreißigern sagen: „Also, wie lange dauerte Ihre Beziehung? Denken Sie daran – alle Männer wollen eine Jungfrau…“

Fünfter Tag: Speed Dating

„Eines nachts kam ich von der Arbeit, und mein Herz klopfte so stark, dass ich sofort spürte : Wenn ich mich jetzt hinsetze, kann ich nicht mehr aufstehen“, erzählt mir der ruhige, schlanke, junge Mann mit Brille. In dem Café befinden sich sechs junge Frauen und 13 Männer. Sie setzen sich abwechselnd zu jeder Frau an den Tisch. Jedes Paar hat fünf Minuten Zeit zum Reden – dann setzen sich die Männer an den nächsten Tisch, bis sie mit allen Frauen gesprochen haben. Dies ist mein erster Gesprächspartner, und ja, er erzählt mir, wie er fast an Burnout zugrunde gegangen wäre.

„Ist dir so etwas auch schon einmal passiert?“, fragt er enthusiastisch. Das einzige, was mir einfällt, ist die Geschichte, wie ich vor ein paar Jahren in einer Schneewehe stecken blieb und fünf Minuten lang nicht herauskam. „Wenn du dich nicht befreit hättest, wärst du also erfroren und könntest heute nicht hier sein?“ Der junge Mann lacht, als ob ich einen Witz erzählt hätte. Ich habe das Gefühl, mit einem Verrückten zu sprechen. Zum Glück ist die Zeit abgelaufen und der nächste Kandidat setzt sich zu mir.

Binnen anderthalb Stunden spreche ich mit vier Programmierern, einem Militärangehörigen, einem Proll, einem Azubi und noch irgendjemanden. Beim vierten Kandidaten habe ich vergessen, mit wem ich fünf Minuten zuvor gesprochen habe, beim zehnten träume ich nur noch davon, nach Hause zu gehen.

„Du siehst müde aus? Verzeih, dass ich der Letzte bin. Ich glaube nicht, dass ich dich aufmuntern kann…" Vor mir sitzt der letzte Kandidat. Ein kleiner, etwas fülliger Mann – auch er ein Programmierer und absolut nicht mein Typ. Aber extrem höflich. Und mit gütigen Augen.

Fünf Minuten lang erzählt er eine traurige Geschichte, die mich fast zum Weinen bringt. Ich weiß, dass Mitleid nicht das Beste ist, aber ich kann mich nicht zusammenreißen und halte den Rest des Dates seine Hände, um ihn irgendwie aufzumuntern. Er war der einzige Speeddater, dem ich danach geschrieben habe.

***

Die ganze Woche über habe ich versucht, jemanden kennenzulernen und traf dabei viele Männer. Und ja, ich habe in der ganzen Arbeitswoche keinen Mann für eine Beziehung kennen gelernt, aber ich glaube, ich habe einen Freund gefunden.

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