Einer der Höhepunkte des vom Verteidigungsministerium vom 23. bis 29. August in der Region Moskau veranstalteten Militärforums „Armee 2020“ war die Präsentation von Militärkleidung für Geistliche. Die Fotos von Soutanen, darunter sogar Modelle im Camouflage-Design, haben im Netz für Aufsehen gesorgt. Schon lange hat die russisch-orthodoxe Kirche eine eigene Militärabteilung.
Die ersten Militärpriester und eine Kirche auf einem KamAZ-LKW
1995 richtete die Heilige Synode der Russisch-Orthodoxen Kirche eine Abteilung für die Zusammenarbeit mit den russischen Streitkräften ein. Zunächst ging es um die Einrichtung von Gebetsräumen und kleinen Kapellen auf Militärstützpunkten, heißt es auf der Webseite (rus) dieser Abteilung. Im folgenden Jahr, 1996, entstanden an den Militärakademien Abteilungen für russisch-orthodoxe Kultur (rus).
2009 ordnete der damalige Präsident Russlands, Dmitri Medwedew, an, wieder Militärgeistliche einzuführen. „Gazeta.ru“ berichtete, dass der Posten eines stellvertretenden Kommandeurs für die pastorale Arbeit mit Gläubigen in Militäreinheiten eingeführt würde, der auch Geistlichen offenstehen sollte. Es wurden 242 Stellen geschaffen. Im Jahr 2011 erweiterten sich die Befugnisse der Priester in den Streitkräften. Sie durften ihre Dienste nicht nur Offizieren und Soldaten anbieten, sondern auch dem Servicepersonal moralische Unterstützung leisten. Eine weitere Aufgabe der Priester war es, alle Arten von militärischer Ausrüstung, von Schiffen bis hin zu Raketen, zu segnen.
Jedoch gab es einen akuten Priestermangel. Rund 90 Prozent der Stellen konnten nicht besetzt werden. Im Jahr 2012 erlaubte Medwedew den Priestern, den Militärdienst aufzuschieben.
Ein Jahr später schlossen die ersten Geistlichen ihre Ausbildung an der Militärakademie des Verteidigungsministeriums ab, erinnert sich der Dozent Alexei Artemjew.
„Die russisch-orthodoxe Kirche versucht, sich als einflussreiche ideologische geistliche Einheit in den russischen Streitkräften zu positionieren. Ziel ist es, das militärische Personal zu einer geistigen Überlegenheit gegenüber dem Feind zu führen“, erklärte Artemjew in einem Artikel.
Im Jahr 2013 testeten die russischen Luftstreitkräfte als „moralfördernde Übung“ eine orthodoxe Kirche auf Rädern. Sie stand auf einem KamAZ-Lastwagen. Die Idee (rus) war, dem Personal während Übungen, bewaffneten Konflikten und lokalen Auseinandersetzungen „geistige Nahrung“ zu bieten. Ursprünglich sollten Kirchen für alle Einheiten der russischen Streitkräfte entstehen, jedoch gibt es keine Berichte über Fortschritte bei diesem großen Projekt.
Geistliche Luftunterstützung
Im Frühjahr 2013 fand auf einem schneebedeckten Feld in der Region Rjasan eine Übung für Priester der Luftwaffe statt. Etwa 40 orthodoxe Priester sprangen mit Fallschirmen ab und errichteten eine mobile Kirche. Diese konnte mit elektrischen Pumpen aufgeblasen werden. Kreuze und Ikonostasen wurden mit Klettverschluss befestigt.
„Wozu ist die Kirche gut? Entweder wirft man sie dem Feind auf den Kopf oder man nutzt sie zum Beten an der Front“, sagt (rus) Boris Lukitschew, Leiter der Direktion für pastorale Arbeit mit Gläubigen der russischen Streitkräfte.
Bis 2015 gab es immer noch einen Mangel an Militärpriestern: Von den 242 Positionen waren nur 132 als Vollzeitstellen besetzt (rus). Unter den Geistlichen waren zwei Muslime und ein Buddhist. Bis 2019 konnten 200 Stellen besetzt werden, berichtete die BBC.
2016 stellte der Zentrale Militärbezirk erstmals eine spezielle Soutane (rus) für Militärpriester vor. Das Gewand ähnelte einer gewöhnlichen Militäruniform, nur dass anstelle der Insignien ein gesticktes orthodoxes Kreuz und anstelle des Namens und Ranges des Offiziers der Name und der Kirchenrang des Priesters angebracht war. Die Uniform war für Priester gedacht, die bei Feldmissionen und militärischen Übungen im Einsatz waren.
Zusammen mit den neuen Modellen von Soutanen präsentierte das Militärforum in diesem Jahr nun auch „militärische“ Kerzen in Khaki-Farbe und andere kirchliche Utensilien. Die russisch-orthodoxe Kirche genehmigte die neuen Tarngewänder jedoch nicht.
„Alles, was getan wird, muss in Übereinstimmung mit der Charta der russisch-orthodoxen Kirche erfolgen und mit der Synodalabteilung für die Zusammenarbeit mit den Streitkräften und Strafverfolgungsbehörden abgestimmt werden. Das ist nicht passiert“, kritisierte (rus) Bischof Stefan, Leiter dieser Abteilung im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „Interfax“.
Zustimmung bei den Kirchenoberen fand dagegen das wichtigste gemeinsame Projekt, der Bau einer Kirche der russischen Streitkräfte im Park der Patrioten in der Region Moskau. Die Kathedrale wurde im Juni 2020 geweiht (rus). Ende Juli fand dort die kirchliche Hochzeit (rus) von zwei Kriegsveteranen statt, die bereits vor 58 Jahren geheiratet hatten.
Die Zeremonie wurde von Bischof Stefan geleitet. Er sagte (rus), es sei eine besondere Ehre, an einem Ort heiraten zu dürfen, „der Teil des kulturellen Erbes unseres Landes ist".