Wie verrückt ist das Autofahren in Russland? - Erfahrungen von Russia Beyond-Lesern

Vladimir Gorovykh/TASS
Das Internet ist voll von verrückten Videos aus Russland, die mit der DashCam von Autos aufgenommen wurden. Doch kann man diesen Aufnahmen wirklich Glauben schenken? Wir haben unsere Leser gefragt, die auf russischen Straßen unterwegs sind.

DashCam Russia ist einer der beliebtesten Suchbegriffe bei YouTube. Aus den Videos der russischen DashCams werden Best Ofs sowie Auswahlen der dümmsten, unglaublichsten und verrücktesten Situationen auf russischen Straßen zusammengestellt.

Wenn man in Russland lebt, gewöhnt man sich an viele Dinge. Deshalb haben wir diejenigen befragt, die zu Besuch in unserem Land sind: Wie gut oder schlecht ist das Autofahren in Russland wirklich, verglichen mit ihren Ländern? Die Ergebnisse erwiesen sich als widersprüchlich.

„Etwa ein Viertel dieser Fahrer könnten Stuntfahrer sein“

„Ich habe seit meinem 15. Lebensjahr einen Führerschein in den USA. Jedes Mal, wenn ich nach Russland komme, brauche ich etwa zwei Wochen, um mich an den Wahnsinn auf den Straßen zu gewöhnen. Jedes Mal, wenn ich in einem Auto sitze, das abrupt an einer roten Ampel oder sonst in einer Situation bremst und nur ein paar Zentimetern vor dem Auto davor zum Stehen kommt, sehe ich vor meinem geistigen Auge schon den Crash. Und jedes Mal denke ich: Das war's dann also! Ich glaube nicht, dass ich mich selbst jemals in Russland ans Steuer setzen möchte. Es ist zu verrückt“, schreibt spider.monkey.ninja.assassin.

Wahrscheinlich ist es diese Unberechenbarkeit, die den „russischen Straßenverkehr“ auszeichnet.

„Als ich einmal 2018 nach Nowosibirsk reiste, bestellten mein Freund und ich ein Taxi. Der Fahrer war hörgeschädigt und ein Schild in seinem Wagen wies darauf hin. Mein Freund, der Russisch sprach, berichtete mir davon. Auf der Fahrt zu unserem Ziel wurde der Fahrer von einem anderen Fahrer geschnitten und geriet ziemlich in Rage. Dass er hörgeschädigt war, hielt ihn nicht davon ab, den Kerl zu beschimpfen und diese Schimpfwörter mit Handzeichen mitzuteilen. LOL. An einer roten Ampel kurbelte er sein Fenster herunter und signalisierte mit seinem Arm, was er mit dem anderen Fahrer anstellen wolle! Ich dachte nur: Was zur Hölle...?! :)

Ich liebe Russen! Euch ist immer alles scheißegal. Ich gab dem Typen ein Trinkgeld – mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. Wir haben es wohlbehalten und pünktlich an unser Ziel geschafft. Aber was die Straßen angeht… Ja, eure Straßen sind beschissen. Vor allem, wenn es regnet oder schneit. Einfach nur dunkel und überall Matsch“, meint Sergio Santillano.

Das schnelle Fahren und die Kühnheit der Russen beeindrucken viele. Tim Butler sprach über seinen nicht ganz normalen Flughafentransfer: „Wir hatten einen verrückten Fahrer auf der Fahrt vom Flughafen Scheremetjewo zum Stadtzentrum. Wir wichen einem Nissan X-Trail aus und schlängelten uns auf dem Fußweg an Autos vorbei, bis der Fahrer die Warnblinkanlage einschaltete. Ich schätze, um sich zu bedanken, dass wir wieder in den Verkehrsstrom hineingelassen wurden. Mit starkem russischen Akzent kommentierte er ,Keine Sorge, ich bin ein ausgebildeter Rallyefahrer’. LOL. Ich beging den Fehler, auf einen Ferrari in der Nähe hinzuweisen, also ließ der Fahrer keinen Trick aus, um mich die fünf Fahrspuren direkt neben den Ferrari zu bringen, damit ich ihn mir näher anschauen konnte. Ich kam lebendig im Hotel an und konnte diese tolle Geschichte von meinem Flughafentransfer erzählen. Ich liebe es!“

Etwas Ähnliches berichtet auch Nathan Harmston: „In den USA hat etwa ein Viertel der Fahrer keine Ahnung, wie man richtig fährt. Ich in Russland könnten ein Viertel der Fahrer Stuntfahrer sein – nur schade, dass sie auch zum Selbstmord neigen...“

„Ich war immer schon der Meinung, dass die Fahrbahnmarkierungen in Russland nur eine Empfehlung sind )))“ - spottet eloopee.

„Wenn Sie einmal in Russland Auto gefahren sind, werden Sie verstehen, warum Russen so gut im Schach sind“, erklärte mir mein Taxifahrer in Moskau" – mikebeeler37.

„Es war gar nicht so schlecht“

Allerdings hatten nicht alle so viel „Glück“. Manche haben seit langer Zeit nichts Ungewöhnliches mehr erlebt.

„Ich bin 2019 nach Moskau und St. Petersburg gereist. Meistens nahm ich Yandex-Taxis für meine Fahrten. Die Fahrer waren alle einfach traumhaft. Überhaupt keine aggressives Fahrverhalten“, schreibt shivajibhaskar.

„Die Russen hatten schon sehr früh DashCams, daher gibt es im Internet viel mehr Unfallvideos aus Russland als aus anderen Ländern, was ein sehr schlechtes Bild der russischen Fahrer zeichnet. Ich habe in Großbritannien, Australien, Russland und den USA gelebt und lebe nun in Spanien. Fast elf Jahre lang war ich in St. Petersburg. Ich fand das Fahren in der Region eigentlich ganz in Ordnung, sicherlich etwas anders als in Europa, aber wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, war es völlig OK, kein großer Stress. Meine Frau ist auch jeden Tag gefahren. Der einzige Unfall in elf Jahren war, als ein Eiszapfen vom Dach unseres Wohnhauses fiel!“, bemerkt cgrubb99.

„Es ist überhaupt nicht schlecht in Russland. Ich besuchte vier Städte und habe nichts besonders Auffälliges erlebt, nur ein oder zwei Raser nachts in Sotschi, mehr nicht“, berichtet  Himanshu Dahiya.

„Nach über 25 Jahren, während derer ich alle paar Jahre nach Russland gereist bin, mietete ich auf unserer letzten Reise (Region Krasnodar) endlich ein Auto. Es war gar nicht so schlecht. Die Regeln wurden im Allgemeinen befolgt und die übliche defensive Fahrweise hat mir gute Dienste geleistet. Ich habe es allerdings vermieden, nachts zu fahren…“, erzählt  Christopher L. Wendt.

„So etwas ist für Holländer nicht vorstellbar“

Die russischen Straßen beeindrucken allerdings wirklich viele Menschen. „Die Niederlande sind so klein, dass es sehr einfach ist, alle Straßen in gutem Zustand zu halten und dass es möglich ist, (gute) Straßen zu jedem Ort zu haben, den man besuchen möchte. Überall gibt es Tankstellen und Reparaturdienste. Bahnübergänge werden automatisch geschlossen, wenn sich ein Zug nähert und die Übergänge sind sehr flach, so dass man recht schnell über die Gleise fahren kann. Der Fahrstil der Niederländer ist nicht immer sehr nett: egozentrisch und unhöflich, ohne Rücksicht auf die anderen Verkehrsteilnehmer.

Ich bin in Russland gefahren. Als ich das erste Mal versuchte, ein Bahngleis zu überqueren, wäre mein Auto fast kaputt gegangen, weil ich nicht wusste, dass es so einen Höhenunterschied zwischen Straße und Bahnübergang gibt. Einmal sagte man mir auch, wenn das Auto nicht anspringt, solle ich den Hammer aus dem Handschuhfach nehmen und dann ein paar Mal auf den Motorblock schlagen. Dann würde es sicher anspringen (und das tat es auch). Diese Dinge sind für Holländer nicht vorstellbar, aber ich mag es“, berichtet hoofdrus.

Es lohnt sich, auf die Schlaglöcher zu achten! Das wissen in Russland alle: „Nachdem man in Neapel (Italien) gefahren ist, ist das Fahren in Russland eine Wohltat. Nur muss man auf Fahrer achten, die plötzlich versuchen, einem Schlagloch auszuweichen“, schreibt Nicolo Maffeis.

Es gibt aber auch positive Aspekte, glaubt paolo.miserini: „Ich lebe in Russland. Es gibt viele verrückte Fahrer und die Straßen sind nicht immer die besten, aber sie verbessern und restaurieren die Straßen schneller als in meinem Land (Italien) und es gibt mehr Respekt zwischen den Fahrern.“

Hassliebe

Viele teilen entweder die absolute Bewunderung für das russische Autofahren oder wünschen sich, diese Erfahrung nie gemacht zu haben.

„Ich bin nach Saratow mit meiner Freundin (sie ist von dort) in den Urlaub gefahren. In den drei Wochen habe ich mehr Unfälle und seltsame Dinge auf der Straße gesehen als in meinem ganzen Leben in Frankreich. So lernte ich, dass das Anlegen des Gurts total nutzlos und seltsam ist. Aber letztendlich saß ja meine Freundin am Steuer und ich bewundere sie für ihre Fahrkünste“, schreibt dadastaus.

„Kein großer Unterschied zu Deutschland. In deutschen Großstädten sind viele Fahrer sehr aggressiv. In Nischnij Nowgorod war der Verkehr entspannter als in Frankfurt am Main. Besonders die Countdown-Anzeige der Ampeln in Russland macht das Fahren entspannter“, meint knt_Imn.

„Im Vergleich zur Türkei ist es einfach wunderbar!“, weiß allan_rousu.

„Ich habe über zehn Jahre in Asien gelebt. Wenn ich nach Russland komme, fühle ich mich beim Überqueren der Straße sehr sicher. Hier auf den Philippinen, zum Beispiel, würden die Autos nicht einmal anhalten, wenn ich mit einem Baby im Kinderwagen auf dem Zebrastreifen die Straße überqueren will. China ist da ein bisschen besser, aber war es nicht ein chinesischer Fahrer, der den linken Blinker setzte und vor mir rechts abbog? Ich finde, dass russische Fahrer auf die Fußgänger Acht geben, besonders nachdem die Regierung die Bußgelder erhöht hat“, so veraleto.

„Es ist viel besser als in meinem Land (Indien). Ich bin drei Jahre lang in Russland gefahren“, schreibt anuraganilkumar.

„Beängstigend im Vergleich zu Finnland, wo ich lebe. Die Russen fahren sehr schnell und sie können sogar auf der falschen Seite überholen, wenn man nicht schnell genug ist“, ärgert sich katiablomberg.

„Das Gleiche wie in Rumänien – sehr viel Verkehr und sehr laut“, resümiert – Andra Neacsu.

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