Recycling: Ein russischer Designer macht aus sowjetischen Alltagsgegenständen exklusive Mode

Lifestyle
NADJA KUPRINA
Das junge russische Label Roma Uwarow Design erfindet die Vergangenheit neu.

Damals in sowjetischen Kindergärten hatten die Kinder helle, flauschige Filzdecken. Mit der Zeit waren sie abgenutzt und wurden entsorgt. Der 24-jährige russische Designer Roma Uwarow verhilft ihnen zu einem Comeback. Er hat daraus eine Kollektion von Kleidungsstücken und Accessoires gemacht, die in der russischen „Vogue“ gezeigt wurden. 

Aus den Decken wurden Jacken und Sweatshirts oder Damenhandtaschen. Die einzelnen Stücke passen sehr gut zusammen. Demnächst wird Uwarow seine Linie auch in einer anderen Farbe hinausbringen. Wenn man sich seine Kreationen betrachtet, ahnt man nicht, dass es einst sowjetische Alltagsgegenstände waren. Bei manchen wecken sie vielleicht Erinnerungen an ihre Kindergartenzeit in der UdSSR, an Quarkkuchen mit Kefir und die obligatorische „ruhige Stunde“ (eine großartige Zeit, um Streiche zu spielen). Für alle anderen wirken die Stoffe mit den stilisierten Blumendrucken frisch und modern.

Roma Uwarow präsentiert seine Kollektion regelmäßig auf der Moskauer Fashion Week. Im Januar feierte seine Marke Roma Uwarow Design ihr fünfjähriges Bestehen. Auch russische Prominente tragen seine Entwürfe gerne, darunter die Fernsehmoderatorin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ksenia Sobtschak, die Modediva Aljona Doletskaja und der Popstar Philipp Kirkorow.

Die Marke produziert zwar auch für den Massenmarkt, aber das ist eher die Ausnahme als die Regel. Die meisten Modelle von Roma Uwarow Design sind exklusiv. Es geht nur um die Rohstoffe: Die DNA der Marke liegt im Recycling von Vintage-Gegenständen, von denen es nicht mehr allzu viele gibt. Das Ausgangsmaterial kann jedoch alles sein: alte Fotos aus einem Familienalbum, abgegriffene Schulbücher, die in den Ruinen eines abgebrannten Hauses entdeckt wurden, oder Briefkastenwurfsendungen.  

„Was auch immer mir auffällt, ich verwandele es zu Kleidung“, so der Designer zu „Russia Beyond“. „Wir recyceln das Leben, wir aktualisieren die alltäglichsten Gegenstände, ganz gleich ob sowjetischen oder vorrevolutionären Ursprungs, aus den 1990er Jahren oder modern.“ 

Alte Aluminiumlöffel, die einst in öffentlichen Speisesälen verwendet wurden, Spitzenkragen (ein Modehit in den 1960er Jahren), „Oma“ -Teppiche, Schuluniformen - all dies wird plötzlich in Form von schicken Accessoires wiedergeboren. Das neueste Projekt der Marke ist eine Zusammenarbeit mit der Russischen Staatsbibliothek in Moskau. Uwarows Label darf sich aus alten Katalogen, Postkarten und Werbeplakaten aus der Sonderabteilung der Bibliothek für wenig Wertvolles bedienen. Die Folie, die früher zum Einbinden von Büchern verwendet wurde, ist eine taktile und visuelle Referenz an die Kultur von gestern.  

Die aktuelle Kollektion der Marke widmet sich dem Thema Kindheit und dem ikonischen Kindchenschema, dessen Reiz, wie alle Eltern bestätigen können, wir erliegen. Wer kann einem niedlichen Kind ernsthaft einen Wunsch abschlagen? Schnitt und Stil wirken wie Kinderkleidung, nur die Größe ist für Erwachsene. In allen Stücken erkennt man typische Muster aus der Vergangenheit. Jeder, der eine Schule in der Sowjetunion besucht hat, wird die Spitzenborten wiedererkennen. Der Designer und sein Team haben sie in einem Vintage-Stoffladen gefunden und sorgfältig restauriert. „Wir haben all diese Studentenfeste gesehen und die Mädchen, die diese Spitze trugen“, sagt Uwarow. „Ich möchte nicht, dass meine Entwürfe aussehen, als wären sie 40 Jahre alt. Unser Ziel ist es auch nicht, alles Sowjetische zu verherrlichen. Unsere Kleidung wird nicht aus Nostalgie gekauft. Aber wir mögen diese emotionale Botschaft von Einheit und Romantik.“  

Die Kollektion umfasst Hüte aus Gummi, von denen kein Russe über vierzig unberührt bleiben konnte. Darüber hinaus stellt der Designer „Sonnenbrillen“ aus Cupronickel-Suppenlöffeln und modische Mono-Ohrringe aus Dessertlöffeln sowie eine Reihe von Clips in Form von Porzellanhunden her.

Uwarow kann zwar auf ein Netzwerk von Lieferanten von Vintage-Stoffen zurückgreifen, doch er stöbert auch selbst gerne auf Flohmärkten oder sucht im Internet. Dort hat er zum Beispiel die Hunde gefunden. Es handelt sich um eine Reihe handbemalter Keramikfiguren aus der berühmten Gschel-Werkstatt. Der Designer kaufte 400 Stück von einer Frau, deren Mutter in der Werkstatt beschäftigt war. In den neunziger Jahren wurden in Russland die Löhne häufig in Naturalien ausbezahlt. 

>>> Wie sehen moderne Kleider aus sowjetischen Stoffen aus? (FOTOS)