Viele dieser Technologien wurden bereits vor der Pandemie erfunden, aber erst im letzten Jahr aktiv entwickelt. Was hat sich im gewöhnlichen Leben der Russen geändert, abgesehen von der Notwendigkeit, Masken und Handschuhe zu tragen?
Nach dem 30. März 2021 gelang Moskau in die Top-3 der Rangliste des internationalen Thinktanks StartupBlink zu COVID-19-Innovationen. Die ersten beiden Plätze belegten San Francisco und New York. Die Autoren des Rankings verwiesen auf den Selbstisolierungsindex, die Entwicklung der Telemedizin (zur Überwachung des Zustands von Patienten), künstliche Intelligenz zur Erkennung von Covid-Pneumonien und natürlich die Schaffung des Impfstoffs Sputnik V, der jetzt in ganz Russland und im Ausland eingesetzt wird.
Während der Pandemie musste das Land nicht nur lernen, in kürzester Zeit neue Krankenhäuser zu bauen, sondern auch schnell Infizierte zu erkennen und Schutzausrüstung bereitzustellen. Das Land begann, neue Kapazitäten zur Herstellung von Produkten zur Bekämpfung der Coronavirus-Infektion zu schaffen, was unter anderem durch günstige Kredite möglich war. Der Immobilienentwicklungsfonds teilte mit, er habe im März 2020 ein spezielles Programm für solche Hersteller gestartet und bereits 114 Kredite im Wert von über 33,5 Mrd. Rubel (372 Mio. Euro) vergeben: „Die Rede ist von der Produktion der nachgefragtesten Erzeugnisse: Schnelltests zum Nachweis von Coronaviren, Beatmungsgeräte, Antiseptika, persönliche Schutzausrüstung, antivirale Medikamente, Luftreiniger mit UV-Filter und Wärmebildkameras“, erklärte man im Entwicklungsfonds.
Selbst in kleinen russischen Gemeinden ist es nicht mehr notwendig, mit Bargeld im Laden oder für eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu zahlen. Durch die Pandemie hat sich der Anteil des bargeldlosen Zahlungsverkehrs auf 70 % erhöht (Ein Plus 6 % im Vergleich zum Vorjahr), wobei der Anteil der kontaktlosen Zahlungen mit Mobilgeräten steigt. Laut dem Analytischen Zentrum NAFIbezahlten im Februar 2020 noch 26 % der Russen per Smartphone oder Smartwatch, während es im Februar 2021 bereits 32 % waren. Die Zahl der Bankkarteninhaber hat sich dabei nicht geändert und betrug 82 % der Bevölkerung.
Um persönliche Kontakte zu minimieren, begannen die Supermärkte, massenhaft Selbstbedienungskassen zu installieren. Der größte russische Einzelhändler, die X5 Retail Group (Petjórotschka, Perekrjóstok) hat beispielsweise mehr als 6.000 solcher Terminals in seinen Geschäften installiert (ein Jahr zuvor waren es etwa nur zehn Stück) und es gibt bereits sogar schon vollautomatisierte Geschäfte.
Kameras mit Gesichtserkennung werden bereits seit einigen Jahren in russischen Städten getestet, vor allem zur Identifizierung von Straftätern (in der Moskauer Metro sind diese Kameras z. B. an den Eingängen installiert und gleichen das Bild des Fahrgastes mit der Polizeidatenbank ab). Seit 2020 wird die Gesichtserkennung jedoch immer häufiger eingesetzt, so zum Beispiel um Mitarbeiter von Unternehmen und Studenten von Hochschulen zu registrieren. Einige Geräte erkennen sofort, ob eine Person eine Maske trägt und ob sie Fieber hat.
Der nächste Schritt sind Zahlungen per Gesichtsscanner. Solche Bezahlterminals sind inzwischen in einigen Cafés und Geschäften in Moskau installiert und ihre Zahl nimmt ständig zu. Dazu muss der Bankkunde der Speicherung seiner biometrischen Daten zustimmen.
Das Bezahlen per Gesicht soll bis Ende 2021 in der Moskauer Metro zum Einsatz kommen. An den Schiebe- oder Schwenktüren in den Eingängen zur Station sind Kameras zur Gesichtserkennung installiert.
Für die Dienstleistungs- und Gastronomiebranche war 2020 gelinde gesagt nicht das beste Jahr: Allein im Zentrum Moskaus schlossen mehr als 200 Cafés (35 % mehr als 2019), in St. Petersburg ist diese Zahl doppelt so hoch. Insgesamt sank der Umsatz der Restaurants im Laufe des Jahres im ganzen Land um 45 %.
Gleichzeitig haben Einrichtungen und Geschäfte begonnen, sich aktiv Sammellieferanten, sogenannten Aggregatoren, anzuschließen oder eigene Dienste zu starten. Im Laufe des Jahres stieg der Anteil der Restaurants mit Lieferservice in den Regionen von 40 % auf 58 % und in Moskau von 51 % auf 66 %. Anfang 2020 lieferten die Filialen der X5 Retail Group mehrere hundert Bestellungen pro Tag aus, am Ende des Jahres waren es bereits 40.000. Eines der erfolgreichsten Unternehmen ist der Lieferdienst Samokát, der ein Netzwerk von Lagern besitzt und Produkte innerhalb von 15 Minuten ausliefert: Im Jahr 2020 stieg der Umsatz des Unternehmens um das Zwanzigfache!
Menschen, die während der „Selbstisolierung“ ihre Arbeit verloren (die Arbeitslosenquote stieg um fast ein Viertel und erreichte im Jahr 2020 5,9 %), haben sich oft einen Job als Kuriere besorgt – die Nachfrage nach ihnen verdreifachte sich im ganzen Land.
Im März 2021 arbeitet ein Drittel der Russen, die vor einem Jahre ins Home-Office gegangen waren, immer noch von zu Hause aus. Von denjenigen, die ins Büro zurückgekehrt sind, arbeitet nur die Hälfte wie früher, während der Rest zu einem kombinierten Arbeitsformat gewechselt hat, so eine Studie von Work.ru. Und 53 % der russischen Unternehmen planen die Einführung eines kombinierten Systems. „Aus wirtschaftlicher Sicht ist die ideale Situation für den Arbeitgeber eine totale Umstellung auf das Home-Office, da Büro- und andere Kosten eingespart werden“, sagt Boris Dobrodejew, Leiter des IT-Unternehmens Mail.ru Group. „Aber <...> wir gehen nicht nur von den wirtschaftlichen Realitäten aus, sondern auch davon, was unsere Mitarbeiter am meisten motiviert.“
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!