„Bei meiner ersten Abfahrt mit dem Skeleton habe ich vor Angst geschrien und dachte ‚Das war's! Nie wieder!‘“, erinnert sich die 26-jährige Julia Kanakina an ihre erste Trainingseinheit. Heute ist sie Juniorenweltmeisterin im Damenskeleton, Silbermedaillengewinnerin bei der Weltmeisterschaft 2021 und Botschafterin für GANT, Reebok und den WWF Russland.
Julia wurde 1995 in Krasnojarsk geboren. Ihre Familie war arm, berichtete die Sportlerin auf Instagram.
„Wenn wir einkaufen gingen, sagte meine Mutter oft, dass wir heute nur das Nötigste kaufen könnten. Ich habe das verstanden und habe nie Wünsche geäußert“, erzählt Julia. „Aber ich hatte dennoch alles, wovon ein Kind träumen kann. Das habe ich meiner Mutter zu verdanken, die mir nie das Leben schwer gemacht hat und alles in ihrer Macht stehende tat, damit ich mich nicht benachteiligt fühlte“, erinnert sich Kanakina.
Seit ihrer Kindheit tanzte Kanakina Ballett, aber ständig verletzte sie sich an den Knöcheln, so dass die Eltern Sorge um ihre Gesundheit hatten. Als sie 14 Jahre alt war, kam ein Trainer in ihre Sportschule, der eine Skeletonmannschaft für die Olympischen Jugendspiele trainierte. Er fragte den Lehrer, welches Kind am schnellsten laufe, und er nannte Julia, die sich durch ihre gute Geschwindigkeit auszeichnete.
Zunächst kombinierte Julia Ballett und Skeleton, wobei sie schließlich letzterem den Vorzug gab. Ihre Ballettvergangenheit hinderte sie jedoch daran, sich an die neue Sportart zu gewöhnen.
„Allen schien es leicht zu fallen, nur ich musste mich sehr anstrengen. Es ist schwer, sich sofort umzustellen. Technisch gesehen lief es nicht. Es war chaotisch. Damals war ich auch körperlich noch nicht ganz in Form", verriet Julia in einem Interview mit „Sport 24“.
Mit der Zeit gewöhnte sie sich daran. In ihrer ersten Saison belegte die damals 16-jährige Julia Kanakina den zehnten von elf möglichen Plätzen in der Qualifikation für die Olympischen Jugendspiele und den 15. beim Europacup 2011. Aber 2017 gewann sie die Junioren-Weltmeisterschaften.
2018 holte Kanakina Silber bei den Junioren-Weltmeisterschaften, 0,81 Sekunden hinter der deutschen Anna Fernstedt. Im Jahr 2019 wurde Kanakina Dritte bei der Senioren-WM und 2021 Zweite. Wenn es im Wettkampf mal nicht so läuft, liegt es am Kopf, ist Julia überzeugt.
„Im Training war alles in Ordnung, aber aus irgendeinem Grund war im Wettkampf immer etwas falsch. Im Training absolvierte ich den Durchgang und im Wettkampf blieb ich stecken. Ich erkannte, dass es ein mentales Problem war. Niemand anders war für meine Leistung verantwortlich. (...) Manchmal schien es im Training so, als ob ich unheimlich schnell fahren würde, man denkt, das war's, ich habe den Weltrekord gebrochen. Aber dann [im Wettkampf], ist man wieder langsamer. Und du hast keine Erklärung, wieso“, sagt die Athletin.
Später machte sie die Erfahrung, dass es darauf ankommt, in den richtigen Flow zu kommen.
„Man fährt wirklich schnell, aber in der Bahn hat man das Gefühl einer Zeitlupe. Man kann sich auf jede Kurve einstellen, man fliegt nicht durch die Bahn, sondern kann Nachdenken und die Strecke fühlen“, erklärt Kanakina.
Am 11. und 12. Februar 2022 trat Julia bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking an. Im ersten von vier Läufen belegte sie den achten Platz, im zweiten den zehnten. Am Ende wurde sie elfte in der Gesamtwertung. Bis zum Schluss hatte die Athletin die Hoffnung auf eine Medaille nicht verloren.
„Im Moment passieren mir immer in der Mitte der Strecke Fehler. Manchmal komme ich aber auch gut durch“, gab sich Kanakina hoffnungsvoll.
In ihrer Freizeit zeichnet Julia, lernt Englisch, geht ins Kino und reist gern. Ihre Lieblingsbücher sind "Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen, „Lieber John“ von Nicholas Sparks und „Blumen für Algernon“ von Daniel Keyes.
Nach dem Ende ihrer Sportlerkarriere will Kanakina sich sozial engagieren und ein Tierheim aufbauen.