In der neuen, der 21. Staffel haben die Macher der Zeichentrickserie Family Guy zwei Episoden Russland gewidmet und Brian, Stewie und Meg nach Tscheljabinsk geschickt. Der Anlass für ihre Reise war ein Diebstahl: Jemand hatte den Social-Media-Account von Brians Hund gestohlen. Bald findet Meg heraus, dass ein Hacker aus Tscheljabinsk dahintersteckt. Stewie hingegen ist einfach nur froh, dass er die Chance hatte, Kusnezows Teefabrik zu sehen und die Stadt zu besichtigen, die er als Chicago des Urals bezeichnet.
Den Machern der Episoden zufolge sieht Tscheljabinsk wie ein halbverlassenes Dorf aus, in dem es überall verstrahlt ist, alle billigen Wodka trinken, wie Gopniks aussehen (wer sie sind, haben wir hier erzählt), die berühmte Gangsterfrisur tragen und die Zeitung Russia yesterday lesen. Alles um sie herum ist düster und depressiv. So sieht die Stadt in Family Guy aus:
In Russland wurde die Folge From Russia with Love bereits sowohl in der Staatsduma als auch in Tscheljabinsk selbst gesehen.
„Ich verstehe, dass der Künstler das Recht auf seine Vision hat, aber dies ist ein bewusst beleidigendes künstlerisches Bild, das nichts mit der Realität zu tun hat“, erklärte die Abgeordnete der Staatsduma, Jana Lantratowa, und schlug vor, die Ausstrahlung der zwei Episoden über Tscheljabinsk zu verbieten.
Die Stadtverwaltung von Tscheljabinsk erklärte ebenfalls, dass „die Fiktion der amerikanischen Karikaturisten nicht der Realität entspricht“, schlug aber kein Verbot vor. Doch die Kommentare der Einwohner von Tscheljabinsk auf Twitter waren voller Selbstironie.
„Lügen. Kabel kann nicht überall verlegt werden und manchmal nicht einmal innerhalb der Stadtgrenzen“ – @AppleUndead
„Zu wenig Kirchen...“ – @UNKVD1917
„Mit dem Teppich und dem roten Trainingsanzug von Adidas haben sie einen geilen Vibe erzeugt“ – @mishendz
„In Tscheljabinsk findet man keine Sandwiches mit zwei Scheiben Brot. Erst recht nicht in einer Papiertüte“ – @jk_Itf
„Alles wahr, außer das mit dem Kabel. Das würde sofort beim Altmetallhändler vertickert“ – @PlohoiTovarisch
„Das ist nicht Chicago, sondern Detroit“ – @fotoalexey
Wie sieht es da wirklich aus? Und wofür ist Tscheljabinsk berühmt?
Tscheljabinsk ist eine Industriestadt, die am Fluss Miass im südöstlichen Teil des Uralgebirges liegt, 1.785 km von Moskau entfernt. Mit einer Bevölkerung von 1,2 Millionen Menschen ist sie die siebtgrößte Stadt Russlands.
Die Konzentration von Metallurgie- und Maschinenbaubetrieben in dieser Stadt ist so hoch, dass die Einheimischen ihr den Spitznamen unwirtlichste Stadt Russlands gegeben haben. Kupfer, Zink und Nickel sind die wichtigsten Nichteisenmetalle, die hier verarbeitet werden. Tscheljabinsk wird wegen seiner Industrieproduktion regelmäßig mit Umweltauflagen belegt.
Und was die Ural-Metropole noch unwirtlicher macht, ist die Tatsache, dass sie ihre relative Unbekanntheit 2013 durch einen Meteoriteneinschlag verlor. Der Meteorit fiel auf Tscheljabinsk, zerschmetterte viele Fensterscheiben und verletzte mehr als 1.000 Menschen (zum Glück starb damals niemand). Der Tscheljabinsk-Meteorit war der größte bekannte Himmelskörper, der seit dem Tunguska-Meteoriten von 1908 auf die Erde fiel. Er wog ursprünglich etwa 13 Tonnen, aber nur 0,05 Prozent dieser Masse erreichten den Boden.
Hunderte von kleinen und großen Meteoritenfragmenten gingen über der Stadt nieder und wurden zu einer heißbegehrten Ware auf dem Markt (wie man mit Meteoriten in Tscheljabinsk Geld verdienen kann, berichteten wir hier). Das größte der gefundenen Fragmente ist derzeit im Staatlichen Historischen Museum des Südurals in Tscheljabinsk ausgestellt.
Fun Fact: Das Tier, das auf dem offiziellen Wappen der Stadt abgebildet ist, ist ein Kamel. Es erinnert daran, dass Tscheljabinsk 1736 als Festung gegründet wurde und ursprünglich das größte Handelszentrum des Urals war. Zu einem Industriegiganten wurde die Stadt erst während der Sowjetzeit, vor allem als während des Kriegs viele Rüstungsunternehmen hierher evakuiert wurden (bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war Tscheljabinsker Stahl in den meisten sowjetischen Panzern enthalten). Im Volksmund wird die Stadt deshalb auch Tankograd genannt.
Aber auch die in Family Guy erwähnte Kusnezow-Teefabrik hat hier ihren Platz. Sie ist nicht mehr in Betrieb und steht heute als Kultur- und Baudenkmal unter Denkmalschutz.
Kusnezow-Teefabrik.
Ural-66 (CC BY-SA 4.0)Tscheljabinsk wird durch den Fluss Miass in zwei Hälften geteilt, und obwohl man annimmt, dass Tscheljabinsk im Ural liegt, befindet sich die Stadt in Wirklichkeit auf einer geologischen Verwerfung direkt an der Grenze zwischen dem Ural und Sibirien – das rechte Ufer des Flusses liegt in Sibirien, das linke Ufer im Ural.
Wir empfehlen Ihnen, sich anzusehen, wie die Stadt tatsächlich aussieht!
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