Noch in diesem Monat wird die Europäische Union wieder einmal über eine Verlängerung oder die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland entscheiden. Politik und Fachwelt diskutieren immer hitziger über die möglichen Varianten.
Urteilt man nach der Stimmung in Deutschland, von der im starken Maße die ausstehende Entscheidung abhängt, stehen die Chancen für eine Aufhebung der Sanktionen noch in diesem Sommer schlecht. Das sehen sogar die schärfsten Gegner der Sanktionen nicht anders. Andreas Metz vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft beispielsweise sagte: „Die Aufhebung der sektoralen Sanktionen ist stark zu bezweifeln, und von einer Außerkraftsetzung oder Abschwächung der personellen Sanktionen in nächster Zeit kann erst recht nicht die Rede sein“.
Denn dies, so Metz weiter, wäre eine „Katastrophe für die EU“ und „Ausdruck der Ignoranz“ gegenüber den Positionen einzelner EU-Länder (Polen und das Baltikum), die auf deren Beibehaltung bestehen. Wobei er allerdings einräumte, dass eine „teilweise Aufhebung der sektoralen Sanktionen, zum Beispiel im Bereich der Energiewirtschaft, durchaus möglich wäre“.
Eine Ende April im Vorfeld des Wirtschaftsforums in Berlin unter 180 Vertretern der deutschen Geschäftswelt und Politik durchgeführte Umfrage zeigt folgendes Bild: Nur 15 Prozent der Befragten erwarten eine Aufhebung der Sanktionen bis Sommer 2016, 19 Prozent sehen eine solche Möglichkeit bis Ende 2016, 27 Prozent sehen die Aufhebung der Sanktionen nicht vor 2017 und 38 Prozent nehmen an, dass die Sanktionen noch lange aufrecht erhalten werden und von einer Aufhebung, realistisch betrachtet, nicht vor 2018 oder sogar erst viel später gesprochen werden kann.
Dabei versteht die deutsche Wirtschaft, dass es auch im Falle der Aufhebung der Sanktionen nicht leicht sein wird, auf den russischen Markt zurückzukehren. Der Leiter der Arbeitsgruppe für Agrarindustrie beim Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, Per Brodersen, glaubt, dass diese „Rückkehr zum früheren Status quo viel Zeit, gemeinsamer Anstrengungen und, was gegenwärtig besonders schwierig ist, gegenseitigen Vertrauens bedarf“.Die Regierungskoalition in Deutschland ist sich indes längst nicht über eine Verlängerung der Sanktionen einig. Die April-Umfrage hat gezeigt, dass für eine vollständige Aufhebung der Sanktionen 19 Prozent der Christdemokraten (CDU), 22 Prozent der Grünen, 40 Prozent der Sozialdemokraten (SPD), 66 Prozent der Wählerschaft der Partei Die Linke und 65 Prozent der rechtskonservativen Alternative für Deutschland (AfD) eintreten.
Eine teilweise Aufhebung einzelner sektoraler Sanktionen unterstützen immerhin 45 Prozent der Christdemokraten, 42 Prozent der Grünen, 30 Prozent der Sozialdemokraten, 17 Prozent der Linken und 26 Prozent der AfD-Wähler. Für eine Beibehaltung der Sanktionen sprechen sich hingegen nur 23 Prozent der CDU, 24 Prozent der SPD und der Grünen, sieben Prozent der AfD und zwei Prozent der Linken aus.
Der Autor ist Experte am Institut für Migrationspolitik in Berlin.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei RBC.
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