Warum sich Moskau nicht in den Konflikt um Katar einmischen will

Reuters
Am Montag entschieden sechs Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, ihre diplomatischen Beziehungen zu Katar abzubrechen. Das Land soll vom Rest der arabischen Welt isoliert werden. Russland dürfe dabei keine der Konfliktparteien unterstützen, sagen Experten im eigenen Land. Das Land pflege schließlich Beziehungen zu allen Staaten der Region – die ohnehin bereits schwierig seien.

Katars Emir Scheich Tamim Bin Hamad al-Thani / ReutersKatars Emir Scheich Tamim Bin Hamad al-Thani / Reuters

Katar ist ein kleines arabisches Land am Persischen Golf, 11 586 Quadratkilometer groß und von 2,4 Millionen Menschen bewohnt. An diesem Montag machte Katar weltweit von sich reden: Sechs Staaten – Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Ägypten, Jemen, die Malediven sowie die provisorische Regierung Libyens – brachen ihre diplomatischen Beziehungen zu dem Land ab.

Man wirft Katar die Unterstützung der Terroristen des IS, von al-Qaida und der islamischen Muslimbruderschaft sowie eine Destabilisierung der Region vor. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain gaben bekannt, dass alle Bürger Katars ihre Staaten innerhalb von zwei Wochen verlassen müssten. Das katarische Außenministerium ließ verlauten, dass man die Maßnahmen seiner Nachbarn in der Region bedauere.

Faktor Iran

Der Affront gegen das kleine, aber reiche Land, das die drittgrößten Gasvorkommen der Welt besitzt, sei auf die Zuspitzung der Konfrontation zwischen Saudi-Arabien und dem Iran zurückzuführen, meint Grigory Kosatsch, Arabist und Professor am Lehrstuhl für den modernen Osten an der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität. Die Saudis sähen in Teheran das größte Übel im Nahen Osten und strebten nach einem Bündnis arabischer Staaten gegen die iranische Bedrohung. 

Die unabhängige Politik Katars sei schuld an der jetzigen Zuspitzung. „Das Staatsoberhaupt Scheich Tamim bin Hamad Al Thani soll neulich gesagt haben, dass der Iran eine wichtige Macht in der Region sei und man dies akzeptieren solle. Diese Aussage hat Saudi-Arabien nicht gefallen“, betont Kosatsch im Gespräch mit RBTH. 

Nach der Veröffentlichung dementierte Katar die Aussage jedoch und bezeichnete sie als „Fake News“. Der Zorn der Saudis konnte von dieser Klarstellung nicht besänftigt werden. Zudem arbeitet Katar in der Tat mit dem Iran zusammen, unter anderem auch in Syrien, wo die zwei Staaten beim Gefangenenaustausch zwischen Schiiten und Sunniten vermitteln. Dies bestätigt Anton Mardasow, Leiter der Abteilung für Nahostkonfliktstudien am Institut für innovative Entwicklung. 

Eine gewisse Rolle spielte auch der Staatsbesuch von Donald Trump in Saudi-Arabien am 24. Mai. Der amerikanische Präsident bestätigte dem Land seine Unterstützung, indem er den Iran als die größte Gefahr für den Nahen Osten bezeichnete. „Dieser Besuch hat die Eliten in Saudi-Arabien inspiriert und ihnen neue Hoffnungen gegeben“, erklärt Kosatsch. Es dürfte einer der Gründe sein, warum sich die Saudis nun dazu entschieden haben, das ungehorsame Emirat offen zu attackieren.

Komplizierte Beziehungen zu Moskau

Moskau und Doha pflegen keine einfachen Beziehungen. 2004 wurde Selimhan Jandarbijew, einer der tschetschenischen Separatistenanführer, in der katarischen Hauptstadt von russischen Geheimagenten ermordet. Er war zuvor nach Katar geflüchtet. Zwei Geheimdienstler wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt, nach langen Verhandlungen jedoch nach Russland abgeschoben.  

Im November 2011 kam es zu einem weiteren Skandal: Der russische Botschafter Wladimir Titorenko wurde im Flughafen von Doha von Zollbeamten verprügelt. Medien stellten den Vorfall in direkten Zusammenhang mit der Konfrontation zwischen Russland und Katar in Syrien, wo Moskau das Assad-Regime und das Emirat die Opposition unterstützt. Nach diesem Ereignis stufte Moskau die diplomatischen Beziehungen zu Katar herunter.

Neben den Differenzen im Fall Syrien sind Russland und Katar zudem Konkurrenten auf dem Erdgasmarkt. Eine der Theorien zum Ursprung des Bürgerkrieges in Syrien besagt, Präsident Assad als Verbündeter Russlands habe die Idee blockiert, eine Pipeline für Gaslieferungen aus Katar nach Europa durch sein Land bauen zu lassen.

Die meisten Experten glauben dieser Vermutung jedoch nicht. Michail Krutichin, Experte für den Öl- und Gasmarkt, zum Beispiel erklärte in einem Artikel für die Zeitschrift „Forbes“, dass sich der Bau einer Pipeline über Syrien für Katar schlicht nicht lohne. „Jegliche Projekte zur Ermöglichung von Gaslieferungen aus Katar nach Europa über den Landweg sind wirtschaftlich gesehen weniger lohnenswert als LNG-Lieferungen per Schiff.“  

Keine Unterstützung durch Russland

Wie kompliziert die russisch-katarischen Beziehungen auch sein mögen, so ist auch das Verhältnis zum größten Gegner Katars in der Region, nämlich Saudi-Arabien, nicht viel besser. „Russland pflegt generell keine einfachen Beziehungen zu den Golfstaaten. Man versucht derzeit, das zu verbessern“, sagt Mardasow. In der derzeitigen Situation lohne es sich für Moskau nicht, jemanden in diesem Konflikt zu unterstützen.  

Kosatsch stimmt seinem Kollegen zu: Für Moskau sei in diesem Konflikt allein wichtig, dass die Differenzen keine großen Schwankungen auf dem Öl- und Gasmarkt verursachten. Alles andere sei für Russland nicht relevant. „Russland würde nicht davon profitieren, eine der Konfliktparteien zu unterstützen. Die einzig sinnvolle Reaktion ist die Einnahme einer neutralen Position und offiziell zur Beilegung des Konfliktes aufzurufen“, sagt Kosatsch.  

Und Russland macht derzeit genau das. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gab bekannt, dass sich Russland nicht in die inneren Angelegenheiten der Golfstaaten einmischen werde. Man hoffe aber, dass die Situation ein friedliches Ende nehme. Die gegen Katar vorgebrachten Vorwürfe, das Land unterstütze den internationalen Terror, kommentierte der Pressesprecher des russischen Präsidenten nicht.  

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