Nicht nur reine Romantik: Was Sie vor einer Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn wissen sollten

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Die Transsibirische Eisenbahn ist wohl die meistüberschätzte Zugstrecke Russlands oder gar der ganzen Welt. Doch aus eisenbahnromantischen Gründen träumen viele Ausländer davon, einmal mit ihr zu reisen. Wir wollen Ihnen jedoch die Realität nicht vorenthalten.

1. Sechs Tage und 22 Stunden in einem Zug

Wenn Sie die komplette Strecke von Moskau nach Wladiwostok buchstäblich absitzen wollen, dann seien Sie darauf gefasst, dass von der anfänglichen Eisenbahnromantik nach fast sieben Tagen kaum noch etwas übrig geblieben sein wird. Sie erwarten, dass der Zug an idyllischen Bahnhöfen anhält? Es gibt tatsächlich viele Haltepunkte, doch dauert ein Aufenthalt dort meist nur zwei bis drei Minuten. Wirklich lange Halte, die man für einen kurzen Spaziergang nutzen könnte, ohne Gefahr zu laufen, dass der Zug die Fahrt ohne einen fortsetzt, gibt es nur wenige und sie liegen weit auseinander: eine Stunde Aufenthalt ist in Jekaterinburg, Nowosibirsk und Chabarowsk, 30 Minuten steht der Zug in Irkutsk, Ulan-Ude und Tschita. Das ist nicht genug Zeit für eine Stadtbesichtigung. Sie können sich gerade einmal eben die Beine etwas vertreten.

Sie sollten sich einige Aktivitäten überlegen, die Sie im Sitzen ausführen können, um sich die Zeit zu vertreiben. Vergessen Sie W-LAN, auch das mobile Internet ist nicht überall verfügbar, also nehmen Sie besser ein Buch mit oder eine Zeitschrift mit Kreuzworträtseln.

Reisende, die einen längeren Zwischenhalt machen wollen, haben die Möglichkeit, ihr Ticket zu verlängern, aber maximal für zehn Tage. Wenn Sie in einer Stadt länger verweilen wollen, müssen Sie ihre Zugfahrkarte innerhalb von drei Stunden nach der Ankunft am Bahnhof abstempeln lassen. Um die Reise fortsetzen zu können, müssen Sie ein entsprechendes Ticket am Schalter holen. Sie sollten dieselbe Wagennummer angeben, die sie vor der Unterbrechung hatten. Platzreservierungen sind unter Umständen kostenpflichtig.  

Anfangs werden Sie begeistert sein von den schneebedeckten Birken und Tannen, die draußen an Ihrem Abteilfenster vorüberziehen, doch nach drei, vier, fünf Tagen finden Sie diesen Anblick eines endlos langen grün-weißen Zebras wohl nicht mehr so interessant, dann haben Sie aber noch immer zwei Tage Fahrt  vor sich.

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2. Dusche und WC

Inzwischen sind die meisten Züge mit Trockentoiletten ausgestattet. Achten Sie auf die Ausstattung des Zuges: wenn Sie ihr Ticket buchen, sollte darauf der Vermerk „Bio-Toilette” stehen.

Ältere Waggons haben oft nur eine Toilette, bei der die Ausscheidungen durch ein Loch direkt auf die Schienen fallen.

Solche Toiletten sind meist schmutziger und riechen mehr und, was noch viel schlimmer ist, etwa eine Stunde vor Erreichen eines großen Bahnhofs bzw. zwanzig Minuten bevor ein kleiner Bahnhof erreicht wird, verschließt der Schaffner diese und öffnet sie auch erst wieder entsprechend eine Stunde oder zwanzig Minuten nach der Abfahrt.

In vielen moderneren Waggons gibt es eine Dusche (das Symbol für Dusche wird nur auf Fahrkarten für Schlafwagen angezeigt). Dieser Service kostet allerdings Geld und wie einige Passagiere auf der Buchungswebseite der Transsib schreiben, gibt es auch nicht immer genügend Wasser. Aber kann das einen echten Abenteurer abschrecken?

3. Der Schaffner und seine Launen

Der Schaffner ist wahrscheinlich a) eine Frau und b) eine, die ihren Waggon wie ihr eigenes Königreich betrachtet, in dem sie auch den Zugang zu den Toiletten (wenn es keine Bio-Toiletten sind) regelt. Die meiste Zeit aber wird sie aller Voraussicht nach einfach nur eine liebenswerte Dame sein, die planlosen Passagieren helfend zur Seite steht.

Wenn Sie aber einen schlechten Tag erwischt haben, dann könnten Sie einem Relikt aus Sowjetzeiten ausgeliefert sein, dessen Vorstellung von Hilfsbereitschaft es ist, besonders böse zu schauen und Sie anzuschreien. Wagen Sie es dann nicht, an Bord Alkohol zu trinken oder laut zu sein. Und Gnade Ihnen, wenn sie etwas kaputt machen sollten…

Sie ist jedoch auch diejenige, die Ihnen für einige Kopeken Tee in einem schönen Glas mit Halter bringen wird. Es empfiehlt sich, sich mit ihr gut zu stellen, vor allem, wenn Sie auch einige interessante Geschichten über die Arbeit auf der Schiene erzählt bekommen möchten.

4. Sie kennen Ihre Mitreisenden nicht

Wir alle haben schon die Erfahrung gemacht, im Flugzeug neben einer uns unangenehmen Person zu sitzen. Nun stellen Sie sich einmal vor, Sie müssten mit so einer Person ganze sieben Tage und Nächte verbringen. Schnarchen, unangenehme Gerüche und schlechte Manieren sind ein wesentlicher Bestandteil dieser angeblich ach so romantischen Bahnfahrt.

Es  heißt, dass Reisen den Horizont erweitert und der Austausch mit Fremden ebenso heilsam sein kann wie eine Sitzung beim Psychotherapeuten. Aber genauso gut könnte ihr Mitreisender auch ein Hochstapler oder Dieb sein. Ausländer unterhalten sich oft gerne mit ganz normalen Russen und wollen deren Geschichten hören. Wenn sie mit Soldaten auf Heimaturlaub in einem Abteil sitzen, möchten Sie aber möglicherweise gar nicht deren Aufmerksamkeit, wenn diese anfangen, „lustig” zu werden.

5. Belästigungen am Bahnsteig

Der Verkauf von Waren am Bahnhof ist in vielen kleineren Städten an der Strecke der Transsib eine wichtige Einnahmequelle. Also wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen Menschen entgegenkommen, die von oben bis unten mit Stofftieren oder gekochten Krebsen beladen sind. Sie sind nicht gefährlich, sondern bloß Verkäufer, die ein „Nein” nur schwer akzeptieren.

Wenn sie wollen, dann kaufen Sie ruhig etwas, aber seien Sie sehr vorsichtig mit Lebensmitteln, diese haben ihr Verfallsdatum häufig schon viele Tage, Monate oder gar Jahre überschritten. Kaufen Sie niemals Piroggen mit Fleisch, es sei denn sie haben Freude an einer Lebensmittelvergiftung.

Selbst fleischlose Piroggen sind wie russisches Roulette: Sie verlangen - in perfektem Russisch -nach einer mit Kohl und einer mit Apfel, doch wenn Sie zurück in ihrem Abteil sind, haben Sie zwei, die mit Kartoffeln oder schlimmerem gefüllt sind.

6. Der Preis

Für sieben Tage, in denen Sie vom Rattern der Eisenbahnräder auf den Schienen begleitet werden, müssen Sie in etwa so viel bezahlen wie für den neunstündigen Hin- und Rückflug. Eine einfache Fahrt in der vierten Klasse mit reserviertem Platz kostet umgerechnet rund 65 bis 175 Euro. Für den Liege- oder Schlafwagen muss man mit umgerechnet zwischen 250 und 350 Euro rechnen. Es gibt auch noch eine Luxusklasse, wohl  für wohlhabende Menschen mit Flugangst, die um die 740 Euro kostet. Wenn Sie lange genug im Voraus den direkten Hin- und Rückflug für die gleiche Strecke buchen, kostet Sie das umgerechnet etwa 300 Euro.

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