Chanty-Mansijsk: Entdecken Sie den eiskalten Charme des Nordens (FOTOS)

Erwann Pensec
Unser unerschrockener französischer Abenteurer machte sich auf den Weg in den hohen Norden Russlands. Er trotzte Schnee und Eis und begegnete riesigen Mammuts auf seiner Reise.

Chanty-Mansijsk, das Verwaltungszentrum des Autonomen Kreises der Chanten und Mansen/Jugra, wirkt auf den ersten Blick wenig einladend, kalt und abweisend, doch schnell schmolz ich dahin. Die Stadt mit ihren rund 100.000 Einwohnern liegt am Irtysch, der in den Ob mündet.

Ich muss gestehen, dass ich ursprünglich unbedingt die Herbstatmosphäre der Stadt genießen wollte. Über Wetter, und dass das Territorium in der nördlichen Klimazone liegt, habe ich gar nicht nachgedacht. Ich ging davon aus, dass mich malerisch im Sonnenlicht funkelnde Dächer und buntes Laub erwarten würden, die sich zu einem harmonischen Bild fügen. Doch es war schon alles unter einer Schneedecke begraben.

Am frühen Morgen, nach einem dreistündigen Flug von Moskau, ohne Schlaf, kam ich am örtlichen Flughafen an und trotzte den Elementen. Bei eisigem Wind und in der stillen, dunklen Nacht erreichte ich einen Bus, der mich innerhalb von 15 Minuten in die Innenstadt bringen sollte. 

Die ersten Siedler kamen bereits vor 500 Jahren in die Gegend, doch erst Mitte des 20. Jahrhunderts blühte Chanty-Mansijsk auf. Der Grund waren die riesigen Öl- und Gasreserven in Westsibirien.  Die ursprünglichen kleinen Holzhäuser der ersten Siedler sind von städtischen Bauten umgeben, die oft bunt gestrichen sind. Das ist üblich in den kalten Regionen. Denn so kann man die Gebäude in einem Schneesturm besser erkennen. 

Ich fühle mich wie auf einer Polar-Expedition. Meine Haare und mein Bart sind gefroren. Irgendwie habe ich es geschafft, das ethnografische Freilichtmuseum Torum Maa zu erreichen. Über einen Holzsteg gelange ich in einen Nadelwald mit einigen typischen Bauwerken der Chanten und Mansen. Diese Völker lebten von der Rentierjagd und-zucht und dem Fischen. Sie folgten schamanischen Traditionen. Mitten im Kiefernwald liegt eine heilige Stätte, die mit bunten Fahnen und rituellen Gegenständen geschmückt ist. 

Die Stadt wird vom Naturpark Samarowskij Tschugas geteilt. Ich meide den Park und spaziere stattdessen am Ufer des Irtysch entlang. Ich kneife die Augen zusammen, kämpfe in dieser monochromen Landschaft gegen den Schneesturm an. Es gibt keinen Horizont. Überall ist Schnee und Nebel. 

Ich erreiche eine Brücke. Roter Drache wird sie genannt und gilt als eine der schönsten Brücken Russlands. Von hier aus bietet sich ein atemberaubender Blick.

Meine Wangen gefrieren im Wind, ich versuche, mein Gesicht zu schützen. Ich gehe weiter, diesmal entlang der Bahngleise und fühle mich wie auf der Flucht. Gestern noch saß ich in einem warmen Büro und heute erlebe ich dieses Abenteuer in einer äußerst unwirtlichen Umgebung. Wagen auch Sie diesen Schritt. Durchbrechen Sie Ihre Routinen. 

Plötzlich tauchen aus dem Nichts gigantische Schatten auf der weißen Leinwand auf, und ich begegne einer Herde von Mammuts. Der Archeopark ist Teil des Mensch-und-Natur-Museums. Zu den Exponaten gehören Skulpturen verschiedener Tiere, die vor mehreren tausend Jahren in der Region heimisch waren. Das Museum gilt als Wahrzeichen der Stadt und ist eine beliebte Attraktion. Ich betrachte eine Weile ehrfurchtsvoll die Wollgiganten und vergesse dabei fast die Kälte. 

Nahe des Museumsgeländes befinden sich einige neugebaute Sportstätten: die Arena Ugra, ein Indoor-Sportzentrum, ein Wasserpark sowie Biathlon-Strecken, die 2003 und 2011 Schauplatz der Weltmeisterschaften in dieser Disziplin waren. Daher beansprucht Chanty-Mansijsk für sich auch den Titel der Sporthauptstadt Russlands. 

Nach einem langen Tag auf den Beinen bin ich schließlich zurück in meinem Hostel. Kaum dort angekommen, laden mich der Tätowierer Artjom, den ich am Vortag kennengelernt hatte, seine Frau und einer seiner Freunde ein. 

Mitten in der Nacht gehen wir im Wald rodeln. Nach unzähligen Rutschpartien, Stürzen und viel Gelächter, dazu ein paar Bier, bekomme ich eine Einladung, im Januar wiederzukommen. Ich verspreche es.  

An meinem letzten Tag in Chanty-Mansijsk ist das Wetter geradezu perfekt. Der Himmel ist strahlend blau. Die Stadt ist sehr sauber. Dort stehen einige sehr futuristische Bauwerke, wie die Schach-Akademie (siehe Foto), wo häufig internationale Wettbewerbe und auch  Weltmeisterschaften im Spiel der Könige ausgetragen werden. Schach ist obligatorisches Schulfach in Chanty-Mansijsk. 

Der Stadtpark ist voller Birken. Angler versuchen an den Teichen ihr Glück. Der zentrale Platz wirkt geradezu wie aus einem Märchen. Kinder fahren darauf mit dem Schlitten. Die Auferstehungskirche, die 1999 erbaut wurde, ist innen und außen wunderschön. 

Ich begebe mich in den Süden der Stadt und stoße auf ein Denkmal, das an die Eroberung Sibiriens erinnert. Der legendäre Jermak und andere haben vor 400 Jahren begonnen, die Gegend im Osten zu erkunden.  

Ich entdecke, versteckt hinter einem Hügel, einen seltsamen Turm. Die pyramidenähnliche Konstruktion aus dem Jahr 2003 gehört zu einer Kirche und dient dem Gedenken an die Entdecker von Jugra, wie der historische Name des Autonomen Kreises der Chanten und Mansen lautet. 

Der Ausblick auf die Stadt und den wilden weiten Horizont ist großartig. Für eine Sekunde kann ich mir vorstellen, hier in der arktischen Wildnis zu bleiben. Wenig später, ich bin zurück am Ufer des Irtysch, geht die Sonne unter. 

Eine wunderbare Reise, an die ich zunächst keine großen Erwartungen hatte, geht zu Ende. Ich hatte sehr viel Freude dabei. 

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